Greifen und schreiben wie ein Mensch

Von Michael Engel · 11.06.2012
Moderne Roboter können Getränke servieren oder alten Menschen aus dem Bett helfen. Ihre Bewegungen sind bislang jedoch ziemlich eckig und abgehackt. Nun haben Physiker der Uni Göttingen ein Programm entwickelt, das menschliche Bewegungen möglich macht.
So eckig wie die Roboter klingen, so bewegen sie sich auch. Bis heute. Die "Bewegungsgleichungen" der Roboter sind noch mangelhaft, erklärt Professor Florentin Wörgötter von der Uni Göttingen:

"Weil man normalerweise die Einzelbewegung aneinanderkettet, indem nach einer Bewegung die Geschwindigkeit auf null abfällt. Das heißt also, zum Beispiel, der Arm bewegt sich ein Stück und danach bleibt er stehen. Und danach bewegt er sich in einer anderen Richtung wieder ein Stück. Und zwischendurch hat man diese Pausen. Das macht kein Mensch so."

Der Physiker aus Göttingen entwickelte ein Programm, das nun erstmals fließende Bewegungen ermöglicht. Der Griff zum Beispiel zu einer Tasse erfolgt dann nicht mehr in mehreren getrennten Bewegungsabläufen, sondern harmonisch mit einem gezielten Griff.

Die Wissenschaftler haben die sogenannten "Bewegungsprimitive" - das sind die Einzelbewegungen des Roboters - mit einem mathematischen Trick verbunden. Normalerweise hebt ein Roboter erst den Arm, dann öffnet er die Hand. Durch die mathematische Verknüpfung geschieht nun beides gleichzeitig mit einer gleitenden Bewegung. Das Besondere dabei: Die mathematische Methode, die dem Steuerungsprogramm zugrunde liegt, lässt sich auf unterschiedlichste Handlungsabläufe übertragen.

"Wichtig ist das zum Beispiel, wenn man einmal mit Robotern zusammenleben will. Dann müssen die sich ja so verhalten wie der Mensch. Ansonsten gibt's Unfälle. Weil die sehr schwer vorhersagbar sind, wann der sozusagen so eine zuckende Bewegung macht. Das wäre nicht gut in einer menschlichen Lebenswelt. In der Küche zum Beispiel. Und deswegen braucht man dazu Maschinen - wenn das mal so kommen wird, 20 Jahre, keine Ahnung wie lange das dauert - die sich menschenähnlich verhalten. Von daher ist es nötig, dass die Bewegungen glatt und gleitend sind."

Weltweit sind Wissenschaftler auf der Suche nach Robobern, die Pflege- und Serviceaufgaben übernehmen können. Doch so richtig will das alles noch nicht klappen. Die Systeme "sprechen" hölzern und geraten schnell ins Stocken, wenn Unvorhergesehenes passiert. Entsprechend skeptisch reagieren Pflegeexperten wie Iris Meyenburg-Altwang von der Medizinischen Hochschule Hannover:

"Natürlich kann ich mir Pflegeroboter - wenn Sie so wollen - vorstellen als Add-on. Aber das was jetzt an Abbildungen ist, ist eher noch so das Anfangsstadium und das Üben und noch nicht das, was wir wirklich wollen."

Man hört es kaum, doch das Ergebnis verblüfft. Mit fließenden Bewegungen gibt der Göttinger Service-Roboter in spe eine Unterschrift, die sich von einem menschlichen Schriftzug kaum unterscheidet. Hier zum Beispiel von der niedersächsischen Wissenschaftsministerin Johanna Wanka, deren Unterschrift zuvor eingescannt und analysiert werden musste.

"Wenn zum Beispiel ein großer Buchstabe, wie zum Beispiel bei der Unterschrift von Frau Wanka das 'Johanna', das 'J', das gibt so einen sehr, sehr langen Strich. Der wird dann auch sehr schnell durchgeführt, genauso, wie die Person das auch machen würde oder gemacht hat."

Unterschreiben kann der Roboter nur, weil seine Handbewegungen harmonisch über das Papier fließen. Mag sein, dass die flinken Fähigkeiten für pflegerische Aufgaben gut sind. Vermutlich werden aber noch andere Menschen die Segnungen solcher Maschinen gerne in Anspruch nehmen: Scheckbetrüger und Fälscher aller Art. Für Juristen wie Prof. Axel Metzger von der Uni Hannover ist der Fall gleichwohl klar: Solche Unterschriften wären juristisch gesehen gefälscht.

"Es wäre nicht meine Willenserklärung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das heißt, man würde nicht den Rechtswillen einer Person, schon gar nicht der Person, deren Unterschrift da geschrieben worden ist, annehmen können. Das heißt, der müsste nicht anfechten, der müsste sich nicht dagegen wehren, es wäre schlicht überhaupt keine Bindung der Person an diese Erklärung da."

Ob das die Versicherung, die Bank oder der Autohändler auch so sehen, das ist die große Frage. Unterschriften von Roboterhand sind nämlich vom Original kaum zu unterscheiden.

"Wobei man auf der anderen Seite hoffen muss, dass eben auch Graphologen auf dem Stand der Technik jeweils sind und eben auch in ihren Gutachten, die in den Zivilverfahren dann auch erstellt werden, eben einbeziehen müssen, dass heute entsprechende Technologien bestehen. Und hoffentlich auch entsprechende Unterscheidungsmerkmale entwickeln."

Noch ist das Zukunftsmusik. Und außerdem - sagen die Entwickler in Göttingen - sei der Roboter, der wie von Menschenhand schreiben kann, viel zu teuer. Mehrere hunderttausend Euro. Und die muss der Fälscher auch erst mal haben.

"Wenn wir jetzt Science Fiction betreiben würden, dann würden wir jetzt diesen Terminator bauen, der dem Menschen völlig ähnlich sieht. Und der geht dann in die Bank und macht das dann. Aber davon sind wir - weiß ich nicht - 100 Jahre entfernt. Weil, sie schaffen es natürlich nicht, eine Maschine so menschenähnlich aussehen zu lassen, dass sich da ein Bankbeamter 'betupsen' lässt. Sie müssten also einen Androiden da reinschaffen. Den gibt's noch nicht."