Gitarrist Bill Frisell

Meister der Reduktion und der Miniaturen

Der Gitarrist Bill Frisell.
Der Gitarrist Bill Frisell. © picture-alliance / dpa / Rafa Alcaide
Von Johannes Kaiser · 24.07.2017
In seinen jungen Jahren gehörte Bill Frisell zu New Yorks Downtown Szene, spielte wild, schrill und schnell. Auf seiner jüngsten CD "Small Town" wird er wieder ruhiger, melodischer und kehrt zur Schlichtheit einfacher Melodien zurück.
Immer mehr amerikanische Jazzmusiker besinnen sich in reiferen Jahren auf die Country- und Folkmusik ihrer Jugend. Das gilt auch für den inzwischen 66-jährigen Bill Frisell. Auf seinen letzten Platten hat er immer wieder Country Songs aufgegriffen und neu interpretiert. So auch diesmal auf seiner neuen CD "Small Town". Mit dem Titel "Wildwood Flower" erweist er der Gitarristin Maybelle Carter der Carter Family seine Referenz. Die war in den USA ausgesprochen beliebt. Maybelle Carters Technik, auf den tiefen Saiten eine einfache Melodie zu spielen, auf den hohen Saiten den Rhythmus zu schlagen, war prägend für eine ganze Generation von Gitarristen. Auch Bill Frisell gehört zu ihren Bewunderern, so wie er überhaupt die populäre Musik seiner Kindheit aufgesogen hat. Egal ob Country, Folk oder Rock&Roll – für ihn ist all dies schon immer in sein eigenes Spiel mit eingeflossen.
"Für mich war das schon immer da. Wenn man in Amerika in den 50er-Jahren aufwuchs, gehörte die Pop-Kultur jener Tage einfach dazu. Überhaupt alles, was im Radio lief, Bob Dylan oder die Beatles, war davon beeinflusst, war in die Musik integriert. Ich bin mir dessen erst später bewusst geworden und habe es mir dann genauer angeschaut. Für mich entspringt all diese Musik derselben Quelle. Ich vermute, ich habe einfach versucht herauszufinden, woher ich komme und vorher die Musik stammt."

Eine Hörprobe aus dem aktuellen Album:

Reduktion auf das Wesentliche

Dass Bill Frisell zur Schlichtheit einfacher Melodien zurückgefunden hat, wie sie Country- und Folkmusik auszeichnet, ist sicherlich auch der Erfahrung des Älterwerdens geschuldet. Er ist ruhiger geworden, sein Spiel ist entspannter, gelassener. Er hat gelernt, dass in der Reduktion auf das Wesentliche die Stärke liegt.
"Ich versuche, in der Musik gleich zum Wichtigsten zu gelangen und alles wegzulassen, was nicht notwendig ist. Ich möchte die stärkste Note finden, alles vereinfachen. Das zielt in zwei Richtungen. Ich versuche zum einen die Komplexität der Musik zu begreifen, um sie besser zu verstehen und zum anderen versuche ich dann, alles Überflüssige wegzulassen und zum emotional bedeutendsten Teil der Musik zu gelangen."

Die neue CD "Small Town" ist dafür ein gutes Beispiel, denn allein schon die Beschränkung auf ein Duo ist eine Reduktion auf das Wesentliche. Zudem verstehen es Bill Frisell und der Kontrabassist Thomas Morgan perfekt, die Seele der Songs, die sie ausgewählt haben, zum Leuchten zu bringen. Eingespielt wurden die acht Stücke live im legendären New Yorker Jazzclub Village Vanguard. Als junger Mann hat Bill Frisell hier fast alle Größen des Jazz gehört. Nie hätte er sich damals träumen lassen, einmal selbst auf dieser Bühne zu stehen. Später hat er dort oft mit dem Schlagzeuger Paul Motian gespielt. Der hatte ihn bereits frühzeitig in seine Band geholt und war zum bewunderten und hoch geschätzten Freund geworden. Der Schlagzeuger hatte dann zu seinem letzten Album auch den Bassisten Thomas Morgan eingeladen. Der erste Titel ihrer CD ist denn auch Paul Motion gewidmet, eine freie Fassung dessen Songs ‚It should have happened a long time ago‘.
"Ich habe 30 Jahre lang mit Paul gespielt. Als er starb, war ich mir unsicher, ob ich jemals wieder seine Musik spielen könnte. Ich hatte sie ja immer mit ihm zusammen aufgeführt. Aber dann war es doch eine große Erleichterung für mich, dieses Stück erneut aufzugreifen. Ich fühlte dabei, dass die Musik weiterlebt. Es war richtig und gut von uns beiden, das zu machen."

Bill Frisell kannte Thomas Morgan zwar schon von früheren Produktionen, doch erst bei Paul Motian lernte er dessen Technik und Einfühlungsvermögen wirklich zu würdigen:
"Es war unglaublich, mit ihm zusammen Duo zu spielen. Es ist wie ein Zauber, wie Magie. Ich habe fast ein bisschen Angst, darüber zu sprechen, weil ich fürchte, dadurch diesen Zauber zu brechen. Es gibt zwischen uns ein starkes gegenseitiges Verständnis. Es ist so, als ob er mit meiner Hand verbunden wäre und jede Note, die ich spiele, bereits kennen würde."

Ein Meisterstück

Auf dem neuen Album finden sich neben drei Eigenkompositionen von Bill Frisell auch noch ein Stück des Saxophonisten Lee Konitz sowie ein Fats Domino Titel und John Barrys Titelmelodie zum James Bond Klassiker Goldfinger. Das passt wieder zur Suche des Gitarristen nach populären Melodien. Er ist ein Filmfan und bewundert Komponisten wie Enrico Morricone oder Nina Rota, der die Musik für viele Fellini-Filme geschrieben hat. Diesmal also Goldfinger.
"Ich bin von Filmmusik sehr inspiriert worden, auch von den James Bond Filmen. Die Musik ist unglaublich. Einige der Stücke, die John Barry schrieb, wie auch das Goldfinger Thema, sind wunderbare Erfindungen. Harmonien und Melodie sind wirklich ungewöhnlich und es fällt mir ziemlich schwer, das zu spielen."
Das zeichnet Bill Frisell immer wieder aus: Er hat keine Scheu, einfache, schöne Melodien aufzugreifen und in Jazz umzuformen. Bei allen musikalischen Freiheiten, die er sich dabei nimmt, das Original bleibt doch immer erkennbar. Und Thomas Morgan erweist sich als kongenialer Begleiter. So ist das neue Album zu einem Meisterstück geworden.

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