Ghostpoet: "Dark Days and Canapés"

Geschichtenerzähler mit Geist und Stil

Ghostpoet während eines Konzertes auf der Bühne
Ghostpoet hat mit "Dark Days and Canapés" ein neues Album herausgebracht. © imago stock&people/ Schiffler/Future Image
Von Martin Risel · 17.08.2017
Ghostpoet ist ein eher düsterer Poet mit geisterhaften Geschichten. Nun erscheint sein neues Album "Dark Days and Canapés". Uns verrät er, was es mit dem wichtigsten Thema seiner Lieder auf sich hat: Wie und warum wir heute Gefühle durch Produkte kaufen.
Die Antwort auf die existenzialistische Frage nach "Woe is mee", nach dem eigenen Ich, erfolgt mit einer kleinen Hilfe von einem Freund: Massive Attack-Mastermind Daddy G stattet so einen Gegenbesuch auf Ghostpoets neuem Album ab, nachdem der vor einem Jahr bei einem Song der Trip Hop-Meister dabei war. Überhaupt gehört dieser Sound of Bristol zu den wichtigsten Einflüssen des vor 34 Jahren mit nigerianischen Wurzeln in London geborenen - ja was denn: Rappers? Sängers? Polit-Poeten? Schon sein Albumtitel "Dark Days and Canapés” ist beides: Poetisch UND politisch.
"Wir gehen durch dunkle Zeiten. Und bei den Canapés geht's um das Gegenteil: Den kleinen Teil der Leute, die ein viel besseres Leben führen und regelmäßig Canapés essen."
Canapés ist klar geworden. Aber dunkle Zeiten? Von Brexit oder Trump spricht Obaro Ejimiwe alias Ghostpoet nicht mal. Sondern: "Meine Themen sind Einwanderung, Erderwärmung, Armut, Arbeitslosigkeit, Terrorismus oder sowas. Mir ging's nicht darum, eine politische Platte zu machen. Sondern mit diesen Dingen haben wir jeden Tag zu tun. Und ich wollte über die Zeit heute schreiben."

Ghostpoet liebt Natur und einfache Dinge

Die Single "Freak show" gibt das Thema des neuen Albums vor: Wie und warum wir heute Gefühle durch Produkte kaufen. "Wir glauben Produkte kaufen zu müssen, um glücklich zu werden. Das ist normal geworden, für mich ist das aber befremdlich. Und das wollte ich in diesem Song ausdrücken."
Reflektionen über das Konsumverhalten waren zwar etwas aus der Mode gekommen im Pop. Auch weil Pop und Mode so etwas wie Schwestern im Geiste geworden sind, über die kaum ein Liedermacher mehr lästert. Ghostpoet liebt stattdessen geistreiche Konversation, Natur und einfache Dinge: Mit dem Hund spazieren gehen oder am Strand. Er hat dazu vor kurzem London verlassen, lebt im Küstenstädtchen Margate unweit von Dover. Ein Konsumkritiker mit erhobenem Zeigefinger ist Ghostpoet aber dennoch nicht. Er selbst trägt gern schlichte schöne Sachen.
"Ich trage zum Beispiel nur Schwarz, will aber nicht dauernd was kaufen. Und wir reden hier über ein Album, das ich letztendlich verkaufen will." Er schmunzelt und lacht gerne, selbstironisch, ein reflektiertes befreites Lachen, als wäre sein intellektueller Geist schon auf einer anderen Stufe. Ghostpoet kennt das Musikbusiness von mehreren Seiten, hat in Coventry Medien-Produktion studiert, ist in England gern gesehener Gast in Panels und Feuilletons.

Mischung aus Tricky und Leonhard Cohen

Auch seine Live-Auftritte sind schmal, aber medial modern inszeniert, auf den Punkt gebracht. Oder genauer: Auf die schlauen Worte zwischen den Punkten. Er kommt vom StreetRap, schielt heute gerne - in einer Balance zwischen akustischen und elektronischen Instrumenten - in Richtung Jazz und Blues. "Es gibt definitiv dieses Gefühl von Beklemmung in der Welt. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich älter werde oder sozial und kulturell bewusster? Aber erstmals frage ich mich: Was bietet die Zukunft? Denn wir sind in unsicheren Zeiten."
Manchmal sagen Künstlernamen eben doch etwas aus, wie bei Ghostpoet: Ein eher düsterer Poet mit geisterhaften Geschichten ist er, ein urban storyteller, eine Mischung aus Tricky und Leonard Cohen, der ihm als großer Einfluss dient. Wie der nutzt Ghostpoet die Melancholie auch als Erkenntnisgewinn, auf der Suche nach dem eigenen Ich oder einer besseren Welt. Dem schönen Leben zugewandt, ein Prinz der Finsternis ist der Geister-Poet nicht: "Ich fürchte mich nicht vor Tageslicht." (lacht)
(Online-Fassung: ske)
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