Generationenwechsel in der Politik

Junge, smarte Männer auf Erfolgskurs

Emmanuel Macron beim französischen Nationalfeiertag am 14. Juni 2017 blickt aus seiner Staats-Limousine
Emmanuel Macron beim französischen Nationalfeiertag am 14. Juni 2017 © Picture Alliance / Dpa / Denis Allard
Von Gesine Palmer |
Macron, Lindner, Kurz. Vielerorts macht der Generationenwechsel in der Politik Hoffnung auf bessere Verhältnisse. Aber ist das wirklich ein Fortschritt? Das fragt die Autorin und Religionsphilosophin Gesine Palmer.
Alte Männer mit Macht sind böse. Junge Männer sind gut. Alte Männer sind starrsinnig und herrschsüchtig. Junge Männer werden uns retten. Es gibt sie für jeden politischen Geschmack: Obama, Macron, Lindner, Kurz, Joe Kennedy III – die Inhalte, für die sie werben, sind durchaus unterschiedlich, der im engeren Sinne politische Stil ebenfalls, aber etwas ist allen diesen Typen gemeinsam: Schlank und elastisch springen sie auf die Bühnen der Weltpolitik. Immer sagen sie alles genau so, wie man es zu sagen hat, oder noch einen kleinen Tick besser – und wenn sie unter ihren Maßanzügen T-Shirts tragen, dann steht darauf wahrscheinlich irgendetwas wie "ich bin die Summe meines Trainings".

Die Herrschaft der Älteren so alt ist wie die Welt

Die groben Klötze und Keile der klassischen Generationenkonflikte überlassen die neuen Smarten entspannt den Bad Guys: Soll doch der nordkoreanische Diktator den amerikanischen Präsidenten in die Geriatrie schicken, soll doch Trump mit seinen großen Waffenarsenalen den kleinen Raketenfuchtler in die Schranken weisen – die wirklich coolen Typen besetzen solange die wichtigen Positionen. Sie wissen, dass nicht nur die Herrschaft der Älteren so alt ist wie die Welt – in Sparta hieß ein entscheidendes Gremium "Gerousia", und seine selbstverständlich ausschließlich männlichen Mitglieder, die "Geronten", durften alles, nur nicht unter 60 sein – sondern auch die Kritik daran. Kein Geringerer als Aristoteles, der Super-Coach des welterobernden, bereits mit 33 Jahren umgekommenen Alexander, kritisierte eben diese "Gerousia" als kindisch.

Die jungen Smarten besetzen eine Position nach der anderen

Neu ist also nicht der Wettstreit der Generationen. Relativ neu ist was "zwischeneingekommen" ist: Frauen, die eine Zeit lang nicht mehr nur als Belohnung dem Sieger winken, sondern selbst mitgestalten wollen im Gemeinwesen. Das schien die Verhältnisse etwas zu verändern: Nun warfen junge Männer den ebenfalls jungen Frauen vor, durch Opferquotierungen voranzukommen oder sich mit Schönheit bei den "Silberrücken" einzuschleimen, junge Frauen warfen alten Männern vor, sie zu gering zu schätzen und zu missbrauchen, und die ganz wenigen alten Frauen, die es geschafft hatten, fanden die jungen Frauen weinerlich und machten sich lieber mal zum Kindermädchen junger Männer, die es ja heute so schwer haben, sei es als von guten Schülerinnen abgehängte Problembuben, sei es als permanent verdächtigte Geflüchtete.
Und während sich nun also alle Guten darüber einig waren, dass der narzisstische Dauerappetit alter Männer auf Bewunderung und sexuelle Dienste junger Frauen oder junger Männer widerlich sei, besetzten die jungen Smarten eine Position nach der anderen. Podien, Preise, Stellen – wo immer es geht, sind es wieder öfter nur Männer, die sie unter sich aufteilen.

Der junge Mann entspricht dem Ich-Ideal des mächtigen Förderers

Wie konnte das passieren? Der Gegensatz zwischen älteren und jüngeren Männern in Machtpositionen wird vielleicht wie eh und je überschätzt, und der Lärm, den das Spektakel macht, lässt vergessen, dass es sich nur um Nebengeräusche einer ganz altbackenen Filiation handelt: Der erfolgreiche junge Mann, egal was seine Botschaft im übrigen sein mag, ist immer der, der dem juvenilen Ich-Ideal des mächtigen Förderers am ehesten entspricht. Die Skrupellosigkeit, mit der er seine Ziehväter und –mütter nach erfolgreichem Aufstieg abserviert, ist bei diesem Modell eingepreist. Die guten alten Weisen beider Geschlechter nehmen das vielleicht milde lächelnd hin und freuen sich auf ihren Ruhestand. Aber den jüngeren Frauen, die selbst noch was werden wollen, sei Aufmerksamkeit ans Herz gelegt.

Gesine Palmer, geboren 1960 in Schleswig-Holstein, studierte Pädagogik, evangelische Theologie, Judaistik und allgemeine Religionsgeschichte in Lüneburg, Hamburg, Jerusalem und Berlin. Nach mehrjähriger wissenschaftlicher Lehr- und Forschungstätigkeit gründete die Religionsphilosophin 2007 das "Büro für besondere Texte".

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