Generation Web 2.0 und die Folgen

Gäste: Sascha Lobo, Blogger und Strategieberater, und Astrid Herbold, Journalistin und Autorin · 12.12.2009
Die Journalistin Astrid Herbold gehört zu den Internet-Skeptikern und hat ihre Kritik in "Das große Rauschen. Die Lebenslügen der digitalen Gesellschaft" formuliert. Das Internet markiert "die digitale Revolution", sagt dagegen Netz-Aktivist Sascha Lobo.
Vielen gilt es als die wichtigste Erfindung seit dem Buchdruck: das Internet. Kaum eine Technik hat die Gesellschaft auch so nachhaltig beeinflusst, wie das weltweite Netz mit seinen vielfältigen Möglichkeiten. Immerhin 43,5 Millionen der deutschen Erwachsenen sind laut der aktuellen ARD/ZDF-Online-Studie regelmäßig im Netz, bei den 14- bis 29-Jährigen sind es über 96 Prozent. Allein das soziale Netzwerk Facebook zählt weltweit über 350 Millionen Nutzer (Angaben vom 2. Dezember 09), in Deutschland sind es über sechs Millionen.

Doch was den einen als unerlässliche Segnung gilt, sehen die anderen als Fluch und Belastung. Den aktuellen Höhepunkt der Diskussion zwischen Web-Enthusiasten und Netz-Kritikern markiert das neue Buch des Journalisten und Mitherausgebers der "FAZ" Frank Schirrmacher. In "Payback" analysiert er, wie das Internet mit seiner unkontrollierten Datenflut unseren Alltag beherrscht und konstatiert: "Ich werde aufgefressen."

Auch die Journalistin Astrid Herbold gehört zu den Internet-Skeptikern und hat ihre Kritikpunkte in dem Buch "Das große Rauschen. Die Lebenslügen der digitalen Gesellschaft" zusammengefasst. Darin warnt sie vor dem zu sorglosen Umgang mit den eigenen Daten, die – einmal im Netz – nicht mehr kontrolliert werden könnten.

Sie fordert aber auch eine Diskussion über Datenklau, die Überwachung im Netz, über Themen wie Urheberschutz und die informationelle Selbstbestimmung. "Da müssen neue Regeln gefunden werden. Da muss die Gesellschaft mit sich selber ausmachen, mit welcher Art von Netz sie in Zukunft leben will." Die Literaturwissenschaftlerin teilt auch die Kritik Frank Schirrmachers, dass es eine wachsende Zahl von Menschen gebe, die unter der Datenflut und der permanenten Unterbrechung durch die neuen Kommunikationsmedien leiden und dass diese Medien ein Suchtpotenzial bergen:

"Die Frage ist doch, wie weit lassen wir diese Medien in unser Leben eindringen? Auch, dass das Handy immer mehr zur mobilen Antwortmaschine wird, bald werden Handy und Internet nicht mehr zu trennen sein ... Die Manipulationsmöglichkeiten werden größer. Das sind doch nicht nur liebe Menschen, die da etwas anbieten, das ist nicht das Schlaraffenland – das ist knallharter Kapitalismus."

Das Internet markiert "die digitale Revolution", sagt dagegen Sascha Lobo. Der 34-jährige Werbefachmann und Strategieberater gehört zu den Stars der deutschen Blogger-Szene. Er lebt im und mit dem Internet, kaum jemand vermarktet sich darin so konsequent wie er. Deshalb hat er hat sich 2002 auch selbst als Werbefigur erschaffen: Er ist "der mit dem leuchtend-roten Irokesen-Haarschnitt und dem Anzug". Seine Überzeugung:

"Das Internet halte ich in seiner Gesamtheit für sehr gesellschaftsverändernd und ich hoffe und glaube, auch für gesellschaftsverbessernd. Von der Wirkung auf die Gesellschaft muss man sich das so vorstellen, als seien Buchdruck, Fernsehen und Telefon gleichzeitig erfunden worden."

Schon jetzt habe es die Welt des Wissens und der Kommunikation nachhaltig verändert:

"Das bedeutet dass über 90 Prozent der schulpflichtigen Menschen bereits einen Account bei einem sozialen Netzwerk haben, wie SchülerVZ oder SchülerCC, oder wie immer die heißen. Sie kommunizieren, was soziale Interessen angeht, kulturelle Interessen oder Gruppeninteressen, zu einem Großteil übers Internet. Da gibt es kein Schulhofgespräch, was nicht seine Entsprechung in der digitalen Welt hat, und das verändert die Gruppen, das verändert die Ströme, wie zum Beispiel Aufmerksamkeit fließt. Und mit dem Aufmerksamkeitsstrom verändert sich auch die Medienlandschaft."

Menschen, die sich dem verweigerten, drohe die "soziale Einsiedelei". Der Autor sieht sich aber auch als "Vermittler zwischen der alten und der neuen Welt". Er möchte die viel beklagte digitale Kluft schließen helfen, dass die Nutzer lernen, mit den Chancen und den Risiken des Netzes mündig umzugehen:

"Ich bin der Meinung, dass die digitale Welt Eingang finden muss in Bildung und Ausbildung. Ich bin für ein Fach Internetkunde. Eltern können es den Kindern nicht beibringen. Das ist eine gesellschaftliche Herausforderung, in die bildungspolitisch investiert werden muss."

Generation Web 2.0 und die Folgen – Was tun gegen die digitale Kluft?
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9.05 Uhr bis 11 Uhr gemeinsam mit Astrid Herbold und Sascha Lobo. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet:
Über Sascha Lobo:

Literaturhinweis:
Astrid Herbold: "Das große Rauschen. Die Lebenslügen der digitalen Gesellschaft", Verlag Droemer Knaur 2009