Gehhilfe, Servierkraft, Entertainer

Birgit Graf im Gespräch mit Matthias Hanselmann · 25.10.2012
"Robot & Frank" - so heißt eine Komödie, die jetzt in den Kinos läuft. Frank ist an Demenz erkrankt; seine Kinder engagieren statt Pflegedienst einen Roboter. Was im Film so lustig daherkommt, könnte schon bald Realität werden, meint Gabi Graf vom Fraunhofer Institut in Stuttgart.
Matthias Hanselmann: Frank ist ein älterer Herr mit demenzähnlichen Erscheinungen, Robot ist ein Roboter im Retro-Design, sieht also aus, wie wir uns in den 60ern oder 70ern vorgestellt haben – eher wie Neil Armstrong bei der Mondlandung. Die beiden sind die Hauptdarsteller im Film "Robot & Frank".

Ich habe mit Birgit Graf gesprochen, sie ist Teamleiterin der Abteilung Roboter und Assistenzsysteme am Fraunhofer-Institut in Stuttgart und täglich mit der Entwicklung von Robotern aller Art beschäftigt. Frau Graf hat den Film schon gesehen, und deshalb wollte ich natürlich zunächst wissen, wie sie ihn findet.

Birgit Graf: Ja, ich fand ihn sehr spannend, weil er eben wirklich auch zeigt, wie Roboter sinnvoll in Zukunft eingesetzt werden können.

Hanselmann: Ich hätte da jetzt kritischere Worte erwartet, ehrlich gesagt. Der "Berliner Tagesspiegel", der schreibt, bis zum Pflegeroboter sei es nur noch ein kleiner Schritt. Stimmt das denn?

Graf: Ich sehe das nicht als Pflegeroboter. Also letztendlich, woran die Entwicklung zurzeit arbeitet, woran auch wir arbeiten, sind Haushaltsroboter, die den Menschen im alltäglichen Leben zur Hand gehen, die eben bei Haushaltstätigkeiten unterstützen, die dort eben wirklich Entlastung bieten, auch die Abhängigkeit von Dritten verringern und so den Menschen eben mehr Selbstständigkeit bieten. Und ich denke mal, das ist auf alle Fälle eine sinnvolle Sache.

Hanselmann: Wie weit sind Sie denn da im Moment, also was können Ihre kleinen Kerlchen oder Systeme bereits alles übernehmen?

Graf: Es gibt natürlich verschiedene Entwicklungslinien, und zum einen gibt es eben die kommerziell erhältlichen Haushaltsroboter wie Staubsauger, Rasenmäher, Fensterputzer – das sind natürlich alles sehr einfache, sehr spezialisierte Geräte, die aber dafür eben auch schon, sage ich mal, zu Preisen erhältlich sind, die sich auch der Einzelne leisten kann.

Wir arbeiten auch schon seit Längerem an einem komplexeren Haushaltsassistenten, den wir "Care-o-Bot" genannt haben. Die erste Generation haben wir da vor 15 Jahren aufgebaut und beschäftigen uns seitdem damit, das ganze eben weiterzuentwickeln, auszubauen.

Inzwischen sind wir bei einem System angekommen, das eben – ja, sage ich mal – auch schon sehr produktnah gestaltet ist, das ist ein mobiler Roboter, der auf Rädern sich bewegt, mit einem Roboterarm ausgestattet ist, und der zum Beispiel eben auch schon so einfache Tätigkeiten im Haushalt erledigen kann, also zum Beispiel Hol- und Bringdienste durchführen, Gegenstände im Haus transportieren, Getränke an den Tisch bringen und ähnliches.

Hanselmann: Da läuft also tatsächlich so ein menschenähnliches Wesen dann durch die Wohnung?

Graf: Es läuft nicht, und es ist auch nicht menschenähnlich. Und das ist eigentlich auch ein ganz wichtiger Punkt, …

Hanselmann: Weil Sie sagen, ein Arm und so …

Graf: … der Roboter fährt auf Rädern, und wir haben im Prinzip das Äußere auch explizit nicht menschenähnlich gestaltet, weil wir einfach klarstellen wollen, wir wollen hier nicht den Menschen nachbilden, wir wollen auch nicht Menschen ersetzen, sondern wir wollen dem Menschen zuhause einfach wirklich ein – sage ich mal – hochwertigeres Haushaltsgerät zur Verfügung stellen – Waschmaschine, Mikrowelle und Ähnliches, daran haben wir uns schon gewöhnt, das sind im Prinzip technische Geräte, auf die wir nicht mehr verzichten wollen, und ich denke mal, die Roboter sind einfach die nächste Generation von Haushaltsgeräten, die uns hier eine entsprechende Entlastung bieten, aber es sind weiterhin Geräte, die vom Menschen gesteuert werden, die jetzt, sage ich mal, auch nicht selbstständig Entscheidung treffen und den Menschen entsprechend bevormunden, sondern es ist wirklich einfach eine Hilfe, die wir für uns so nützen, wie wir es nützen wollen.

Hanselmann: Sie sagen, Sie gestalten Ihre Roboter bewusst nicht menschenähnlich. Hat das ethische Gründe?

Graf: Es hat zum einen den Grund, dass die Erwartungen an den Roboter einfach viel höher sind, wenn er menschenähnlich ist, weil man denkt, dass er alles kann, was ein Mensch kann, und diese Erwartungen können heutzutage einfach nicht erfüllt werden, der zweite Punkt hat eben auch wirklich mit der Vorstellung zu tun, die wir von Robotern heutzutage haben, die eben auch aus Film und Fernsehen geprägt sind. Auch in "Robot & Frank" ist der Roboter im Prinzip, sage ich mal, in der Lage, selbstständig Entscheidungen zu treffen, den Menschen entsprechend zu beeinflussen, und das ist tatsächlich was, was in der Praxis zurzeit auch nicht die Akzeptanz findet, und was wir letztendlich auch durch das Äußere des Roboters entsprechend darstellen wollen. Das heißt, der Roboter soll eben auch durch sein Äußeres zeigen, dass er ein Gerät ist, was vom Menschen gesteuert wird, und nicht, sage ich mal, dem Menschen nachempfunden ist.

Hanselmann: Sie haben es angesprochen, der Roboter im Film "Robot & Frank" ist darauf programmiert, das Wohlbefinden seines Klienten zu optimieren. Was glauben Sie, wird in dieser Hinsicht in Zukunft irgendetwas kommen? Roboter, die Gefühle entwickeln, Trauer oder Wut? Ist das alles Science Fiction und wird das auch Science Fiction bleiben, oder ändert sich da was?

Graf: Der wichtigste Punkt, oder eben, was auch kurzfristig angegangen wird, sind die funktionalen Aspekte, das heißt eben wirklich bei Haushaltstätigkeiten und ähnlichem zu unterstützen. Es gibt auch schon sogenannte emotionale Roboter, die in der Therapie eingesetzt werden. Da gibt es zum Beispiel so einen Roboter-Seehund, den man eben auch für demente Patienten nutzt, aber das ist ganz klar als Therapiehilfsmittel zu sehen, was eben auch nur unter der Aufsicht und der Anleitung entsprechend eingewiesener Personen, also Ergotherapeuten oder Pflegekräfte dann eingesetzt wird.

Hanselmann: Ich bin jetzt baff – was macht denn dieser emotionale Roboter?

Graf: Also der sieht im Prinzip aus wie so ein Seehund und kann sich eben auch so ein bisschen verhalten, das heißt, er klappert mit seinen Augen, heult so ein bisschen – es hat sich eben gezeigt, dass eben wirklich Personen dadurch beruhigt werden können, bei Schmerzpatienten wurde der zum Beispiel erfolgreich eingesetzt. Es kann eben auch die Kommunikation anregen, dass eben im Pflegeheim die Menschen wieder miteinander reden, weil sie was haben, wo sie drüber reden können oder Ähnliches.

Hanselmann: Also ein Tier nachzubilden scheuen Sie sich nicht, aber einen Menschen ja?

Graf: Ja, weil ein Mensch im Prinzip ja was ganz anderes ist. Ein Tier wird als Therapiehilfsmittel genutzt. Es geht letztendlich drum, wirklich über die Kommunikation dann eben auch die Kommunikation zum Menschen wieder zu finden.

Hanselmann: Man könnte aber dem alten, dementen – wie auch immer – Menschen doch einfach einen Stoffseehund in die Hand geben.

Graf: Da werden tatsächlich auch gerade Experimente durchgeführt, was das tatsächlich für einen Unterschied ausmacht. Soweit ich mich erinnern kann, sind die Reaktionen eben auf den Seehund, der sich bewegt und der sich eben auch, der Laute von sich gibt und Ähnliches, sind eben auch erfolgreicher.

Hanselmann: Jetzt bin ich mal ganz gemein und sage: So was kann man sich doch von einem künstlich gestalteten Menschen auch vorstellen, der ein Lied singt oder den Patienten unter Umständen sogar mit computergesteuerter Hand streichelt?

Graf: Also ich denke mal, ein wichtiges Ziel, das wir da verfolgen sollten, ist es, menschliche Kontakte zu fördern und nicht zu ersetzen. Deshalb eben auch wirklich keine Arbeiten in Richtung von Robotern, die wirklich solche Aufgaben durchführen, sondern die Seehunde werden eben als Therapiehilfsmittel genutzt, das heißt, die Pflegekräfte sind weiterhin dabei. Und ich denke mal, auch für andere Anwendungsfelder ist es eben wichtig, dass eben die Kommunikation gefördert wird, das heißt, es gibt zurzeit auch sehr viele Arbeiten, die sich eben wirklich damit beschäftigen, Kommunikationsroboter zu entwickeln im Sinne von, dass die einen PC auf Rädern darstellen, das heißt, dass ich über den Roboter mit meinen Verwandten weiter den Kontakt halten kann, auch wenn die vielleicht gerade nicht in der Nähe sind. Das heißt, es geht drum, Kommunikation zu fördern und eben nicht zu reduzieren.

Hanselmann: Was man ja über Skype oder Ähnliches heute auch schon kann.

Graf: Genau, und das ist eben wirklich der Vorteil, wenn ich sage, ich stelle zum Beispiel Skype auf Räder, dann kann ich, wenn ich eben auch nicht mehr so mobil bin, muss ich nicht mühselig zu meinem PC rüber laufen, sondern im Zweifelsfall kann der PC zu mir kommen und kann es mir damit eben auch vereinfachen.

Hanselmann: Wichtig für alle Menschen, die in der Altenpflege und Artverwandtem arbeiten, ist ja die soziale Kompetenz. So was ist also – das entnehme ich Ihren Worten – wirklich nicht programmierbar, oder?

Graf: Also es gibt auch Forschungsarbeiten, eben, sage ich mal, Emotionen auf Robotern nachzubilden, es ist aber zum Beispiel bei unseren Forschungsarbeiten kein Entwicklungsziel, weil wir wirklich den Roboter als Maschine sehen, der vom Menschen genutzt wird, aber nicht den Menschen ersetzt.

Hanselmann: Können Sie sich vorstellen, dass in absehbarer Zeit eine Art Pflegeroboter auch wirklich Pflegetätigkeiten übernimmt? Keine Ahnung – Windelwechseln und Ähnliches, Spritzen setzen oder so was?

Graf: Also das sehe ich natürlich sehr kritisch. Vor allem, weil das sind zwar Tätigkeiten in der Pflege, aber die Pflege geht natürlich noch darüber hinaus. Es steht zwar nirgends explizit geschrieben, aber ein wichtiger Bestandteil der Pflege ist eben auch die Interaktion mit den Menschen, und die sollte eben auch weiterhin erhalten bleiben. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es einzelne Maschinen geben wird, die besonders, sage ich mal, bei Tätigkeiten im Intimbereich, also wenn es drum geht, auf die Toilette zu gehen oder so was, da dem Menschen Unterstützung bieten, aber das werden dann natürlich auch wieder sehr spezifisch gestaltete Geräte sein, die vom Menschen gesteuert werden, die jetzt nicht wirklich als Pflegeroboter anzusehen sind.

Hanselmann: Woran arbeiten Sie aktuell?

Graf: Es geht eben darum, auf unserem "Care-o-Bot" wirklich weitere Funktionen einzuprogrammieren. Wie gesagt, Hol-Bringdienste, damit haben wir schon gearbeitet, Kommunikationsunterstützung auch in Notfällen, zur Hand zu sein. Das ist eben auch so ein typisches Problem, wenn jemand stürzt, der hat zwar so einen Notrufknopf wahrscheinlich auf dem Nachttisch liegen, kommt aber dann gerade nicht ran, auch hier kann eben so ein mobiler Roboter die Kommunikationsschnittstelle zur Person bringen, um dann in Notsituationen schneller reagieren zu können, und dann kann man sich letztendlich natürlich sehr viel vorstellen, was so ein Haushaltsroboter noch alles können sollte.

Ich denke mal, der Film hat da auch ein paar gute Ideen gegeben. Letztendlich ist es alles, was man eben im Haushalt zu tun hat, und was man gegebenenfalls dann auch mit zunehmendem Alter nicht mehr in der Lage ist, selber zu tun. Das geht eben wirklich vom Putzen bis Wäscheversorgen, Geschirrversorgen und Ähnliches.

Hanselmann: Also der Film hat Sie durchaus auch angeregt, ja?

Graf: Ja, ich denke, man hat eine gute Vorstellung davon gegeben, wo so ein Roboter sinnvoll unterstützen könnte, da haben wir natürlich auch schon eine relativ lange Liste, aber es könnte natürlich auch die Prioritäten beeinflussen, was wir jetzt als nächstes angehen.

Hanselmann: Heute startet in den Kinos der Film "Robot & Frank", und wir haben gesprochen mit Birgit Graf. Sie ist die Teamleiterin Roboter und Assistenzsysteme am Fraunhofer-Institut in Stuttgart. Schönen Dank nach dort unten! Tschüss!

Graf: Ja, tschüss!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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