Gedenken an polnische NS-Opfer

Erinnerung als Grundlage für Versöhnung und Dialog

Mehrere Schüler stehen in Berlin an der Gedenkstätte für die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma.
2012 wurde in Berlin das Denkmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma eingeweiht - nun wird über ein Denkmal für polnische NS-Opfer nachgedacht. © Kay Nietfeld/dpa
Von Krzysztof Ruchniewicz / Wroclaw · 14.03.2018
In Berlin wird seit kurzem über die Errichtung einer weiteren Erinnerungsstätte diskutiert - für polnische NS-Opfer. In Polen selbst ist der Plan bislang verhalten aufgenommen worden. Der Breslauer Historiker Krzysztof Ruchniewicz findet ihn trotzdem gut.
Es stimmt: Nach 1945 wurden Denkmäler für die NS-Opfer aus den besetzten Ländern nur ungern im geteilten Deutschland errichtet. Eine gewisse Ausnahme bildet das 1972 in Berlin Friedrichshain enthüllte Denkmal für den "polnischen Soldaten und deutschen Antifaschisten". Es war jedoch nicht mit dem Gedenken an die NS-Opfer verbunden, sondern mit dem Kampf bzw. Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Heute ist dieses Denkmal längst ein verstaubtes Relikt der DDR-Geschichtspolitik. Mitte November 2017 wurde von einer zivilgesellschaftlichen Initiative jedoch der Bau eines Denkmals für die polnischen NS-Opfer im Zentrum Berlins vorgeschlagen. Die Idee als solche schreibt frühere Vorschläge fort. Die Diskussion darüber ist im Gange. Der größte Einwand: Das Denkmal für die Opfer des Holocaust schließe den Großteil der polnischen Opfer ein. Hinzu kommt der Zweifel: Muss man Opfer anderer Nationen dann nicht ebenfalls mit einem eigenen Denkmal würdigen? Meiner Meinung nach spiegeln diese Stimmen nicht den spezifischen Charakter des Problems wider.

Ziel war die Liquidierung der polischen Eliten

Der deutsche Angriff auf Polen 1939 unterschied sich von früheren Kriegen. Es war vom ersten Tag an ein Vernichtungskrieg. Ziel war es, die polnischen Eliten zu liquidieren und den Rest der Gesellschaft unterzuordnen. Das Symbol der Barbarei ist das Städtchen Wieluń, das fast vollständig aus der Luft zerstört wurde. Die nächsten Monate waren geprägt von vorsätzlicher Vernichtung. Die umfangreichen Umsiedlungsaktionen, die den ganzen Krieg über andauerten, haben damals begonnen. Millionen polnischer Staatsbürger wurden nicht nur zur Zwangsarbeit geschickt, sondern auch in Konzentrationslager gebracht.

Die polnischen Gebiete waren Labor für die Verbrechen

Trotz des Widerstandes gelang es den Deutschen, zahlreiche Razzien durchzuführen und Morde an Zivilisten zu begehen. Der Aufstand im Ghetto 1943, ein verzweifelter Kampf der polnischen Juden, und der Warschauer Aufstand 1944 wurden gewaltsam unterdrückt. Über 150.000 Zivilisten wurden während des Warschauer Aufstandes ermordet. Als Folge des deutschen Terrors kamen fast sechs Millionen polnische Staatsbürger ums Leben, darunter etwa 3 Millionen Juden. Von Anfang an waren die polnischen Gebiete ein Labor für die Verbrechen gegen Juden und Slawen; diese "Erfahrungen" kamen dann nach der deutschen Invasion der UdSSR zur Anwendung.

Der 2. Weltkrieg und die Rolle im deutsch-polnischen Verhältnis

Verluste aus deutscher Hand waren nicht die einzigen. Zwei Wochen nach dem deutschen Angriff schloss sich die UdSSR dem Krieg an, und eine bis Juni 1941 andauernde Politik der Vernichtung und Unterdrückung in Ostpolen begann. Der Ort Katyn wurde zum Symbol des Verbrechens. Es lohnt sich, an die problematische Rolle der UdSSR während des Krieges zu erinnern, insbesondere an die Jahre der Zusammenarbeit zwischen Hitler und Stalin in den Jahren 1939–1941. Die Errichtung des Polen-Denkmals ist für die deutsch-polnischen Beziehungen notwendig, weil der 2. Weltkrieg, weiterhin eine wichtige Rolle in diesem Verhältnis spielt. Das Objekt sollte jedoch zwei Dinge zum Ausdruck bringen: Gedenken und Erinnern. Nach 1945, inmitten tiefer Spaltungen und Feindschaft, gab es in Polen und Deutschland Menschen, die trotz allem versuchten, Dialog zu führen und Versöhnung herzustellen. Dieser Aspekt sollte überdies im öffentlichen Raum präsent sein.

Bis heute gibt es in Deutschland keine Orte, die solchen Menschen gewidmet sind. Es geht aber nicht nur um die Erinnerung an Verbrechen und Opfer, sondern auch um die Erinnerung an Zeichen, die Hoffnung geben und den Glauben stärken, dass die friedliche und freundschaftliche Existenz der Nachbarstaaten möglich ist. Trotz der Last der Geschichte sind wir nicht zum Konflikt verurteilt.

Krzysztof Ruchniewicz ist ein polnischer Historiker. Er arbeitet an der Universität Wrocław und ist Direktor des dortigen Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien.

© picture alliance / dpa / Lukasz Wolak / Zentrum für Deutschland- und Europastudien
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