Freiheit für das Horn von Afrika

Von Frank Räther · 27.06.2007
Das kleine Dschibuti erlangte vor 30 Jahren seine Unabhängigkeit. Die Franzosen hatten das Wüstenland mehr als ein Jahrhundert zuvor kolonialisiert, als sie in der Nähe den Suezkanal bauten. Dschibuti war die letzte afrikanische Kolonie, von der sich Frankreich trennte.
Ganz so hatte sich Ahmed Hassan den Unabhängigkeitstag seines Heimatlandes Dschibuti nicht vorgestellt:

"An diesem Tag, dem 27. Juni 1977, war ich in Dschibuti im Hospital. Denn ich hatte eine Kugel im Bauch. Aber ich war sehr, sehr glücklich. Ich hörte den ganzen Tag bis in die späte Nacht des Unabhängigkeitstages die ganze Zeremonie im Radio neben meinem Bett."

Der damals 22-jährige Ahmed Hassan war der für Außenpolitik zuständige Sekretär der Befreiungsbewegung FLCS und Sprecher der Verhandlungsdelegation in Paris, die den Franzosen nach langem Widerstand die Unabhängigkeit des kleinen Landes an der Ostküste Afrikas abtrotzte. Dieser Kampf war nicht nur ein politischer, sondern auch ein militärischer - und Ahmed Hassan einer der bewaffneten Widerstandskämpfer. Ebenso wie sein Chef, der Generalsekretär der FLCS, Aden Robleh Awaleh.

"Wir waren beide verwundet. Ich lag auch an diesem Tag im Hospital. Ich habe seitdem nur noch eine Niere."

Doch dies, so meint er, sei nichts gegen die Freiheit, die mit der Unabhängigkeit kam.

"Wir wollten absolut unsere Unabhängigkeit von Frankreich. Durch militärische Aktionen, politische Aktionen und Diplomatie, wir gingen zur UNO, zur Arabischen Liga. Am Ende waren wir erfolgreich. Wir erreichten unsere Freiheit durch Kampf und waren das letzte Land, das in Afrika unabhängig wurde."

Aden Robleh Awaleh erinnert sich an die harten Auseinandersetzungen mit den Franzosen, die 1861 das kleine Gebiet links und rechts der Tadjoura-Bucht in Besitz genommen hatten und es Französische Somaliküste nannten. Das Gebiet ist mit 23.000 Quadratkilometern nur so groß wie Mecklenburg-Vorpommern und besteht vor allem aus vulkanischer Wüste. Aber es liegt am Ausgang des Roten Meeres, dem damaligen britischen Flottenstützpunkt Aden gegenüber und hat somit eine beträchtliche strategische Bedeutung. Diese wichtige Bastion zur Kontrolle des nahegelegenen Suez-Kanals wollte Paris auch nicht aufgeben, als ein Land nach dem anderen in Afrika seine Unabhängigkeit erhielt. Aden Robleh, der bei den Verhandlungen mit Frankreich damals dabei war, erinnert sich an das immer wieder von Paris vorgebrachte Argument, dass das Gebiet ohne Bodenschätze als Staat nicht lebensfähig sei:

"Frankreich wollte nicht gehen, sondern für immer bleiben. Wir sind ein kleines Land, sagten sie. Und da die Afar und Issa sich bekämpfen, wird es nie Stabilität geben."

Es kam in der Folge dann auch zu Auseinandersetzungen zwischen den im Norden lebenden Afar, die eine Hälfte der Bevölkerung ausmachen, und den Issa im Süden. Hassan Gouled, der erste Präsident des unabhängigen Dschibuti, war Issa und regierte sehr bald recht autokratisch. Das gefiel den Afar nicht, die aus den Regierungsämtern gedrückt wurden. Sie bildeten illegale Oppositionsparteien und später auch eine bewaffnete Widerstandsfront, die fast die Hälfte des Landes kontrollierte. Auch Aden Robleh, der in der ersten Regierung noch sechs Jahre lang Handelsminister war und zu Gouleds Stamm der Issa gehört, überwarf sich mit diesem, floh 1986 ins Exil und konnte erst 1992 zurückkommen, als Gouled einlenken und eine Mehrparteiendemokratie zulassen musste.

Dadurch hat sich die Lage in Dschibuti stabilisiert. Aden Robleh ist seitdem Führer der an der Regierung beteiligten Nationaldemokratischen Partei und Parlamentsmitglied.

"Wir sind sehr zufrieden. Unsere Demokratie funktioniert."

Auch Ahmed Hassan, der inzwischen Vizepräsident der Nationalversammlung von Dschibuti ist, zieht eine positive Bilanz:

"Mit vielen Aufs und Abs haben wir in den 30 Jahren gezeigt, dass wir uns unabhängig entwickeln können. Wir haben das höchste Bruttoinlandsprodukt Ostafrikas und sind politisch stabil."

Dschibuti nutzt seine strategisch gute Lage zwischen Afrika und Arabien, hat Hafen und Flugplatz ausgebaut. Diese werden auch von den Streitkräften Frankreichs und der USA genutzt, die dort mehrere tausend Soldaten stationiert haben. Auch die Deutsche Marine operiert von Dschibuti aus während der UNO-Aktionen in der Region. Das bringt genauso Geld in die Staatskasse wie der über Dschibuti laufende Handel zwischen den Golfstaaten und Ostafrika. Das Land mit stabiler und konvertierbarer Währung baut gegenwärtig seinen Bankensektor aus. Dienstleistungen machen inzwischen 80 Prozent der Wirtschaftskraft aus, während die Viehzucht nur 4 Prozent bringt, obwohl hier 4 Fünftel der Bevölkerung aktiv sind.

"Wir sind nicht groß, aber in Frieden,"

meint Ahmed Hassan. Und das ist am Horn von Afrika mit seinen ständigen und blutigen Kriegen sehr viel.