Forschung

Insel mit höchster Sicherheitsstufe

Die Insel Riems (Mecklenburg-Vorpommern) im Südwesten des Greifswalder Boddens mit dem Forschungskomplex (M) und Hauptsitz des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) für Tierseuchenforschung, aufgenommen am 12.08.2013.
Insel Riems: Hier wird an hochgefährlichen Viren geforscht. © picture alliance / dpa
Von Britta Kuntoff |
Demnächst wird auf Riems mit hochgefährlichen Viren an Tieren gearbeitet - die neuen Hochsicherheitslabore sind gerade fertig geworden. Wer hier arbeitet, tut dies unter extremen Sicherheitsvorkehrungen.
Thomas Mettenleiter: "Ja es ist einfach so, dass nicht nur Personen im Reiseverkehr, sondern auch Waren, natürlich in sehr kurzer Zeit praktisch an jedem Ort der Erde sein können. Und das geht schon einher auch mit einer Verbreitung von Erregern, die wir früher immer so als exotisch bezeichnet haben. Ich sage in der Zwischenzeit, das Wort gibt es eigentlich für uns in der Infektiologie gar nicht mehr, denn was heute noch als Exot gilt, das kann dann morgen schon bei uns im Land sein. Also, wir müssen alles ernst nehmen, was egal wo auf der Erde auftaucht."
Professor Thomas Mettenleiter leitet das Friedrich-Löffler-Institut, eine Forschungseinrichtung mit elf Instituten an fünf Standorten und rund 900 Beschäftigten. Der Namensgeber des Instituts, der Mediziner und Bakteriologe Friedrich Löffler, gründete 1910 die erste virologische Forschungseinrichtung auf der Insel Riems unweit von Greifswald.
Und dort befindet sich auch heute noch der Hauptsitz des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit. Es ist von einem hohen Zaun umgeben, Wachpersonal steht am Eingang. Ein schmaler Damm bildet die einzige Verbindung zwischen Festland und Insel.
"Es ist doch so: Eine Insel bietet eben doch noch einen zusätzlichen Sicherheitsbereich. Und ich fühle mich sehr viel wohler und schlafe sehr viel ruhiger, wissend, dass mein Institut sich auf einer Insel befindet und nicht inmitten eines Großtierstalls."
Die Insel muss zu den schönsten Arbeitsplätzen Deutschlands gehören
Ruhig liegt der Greifswalder Bodden, Schilf säumt sein Ufer, Kormorane ziehen am wolkenlosen Himmel, irgendwo tuckert leise ein Fischerboot. Caspar-David-Friedrich-Land. Für Biologen, Tiermediziner und Laboranten muss die Insel Riems mit ihrer rauen Landschaft sicher zu den schönsten Arbeitsplätzen Deutschlands gehören.
Auch wenn manch einer böse von der „Seucheninsel" spricht. Finden sich hier doch Erreger der Maul- und Klauenseuche - kurz MKS genannt -, der Blauzungenkrankheit, Viren der Vogelgrippe und BSE-Prionen. Bald kommen noch gefährlichere Erreger dazu: Viren der Sicherheitsstufe 4. Hoch ansteckend und Auslöser von Krankheiten, gegen die es weder eine Impfung noch eine Therapie gibt und deren Verlauf für Mensch und Tier tödlich ist.

"Nipah- und Hendra-Virus. Nipah in Ostasien, Hendra ist eine Infektion, die von fruchtfressenden Fledermäusen ausgeht und dann auf Pferde übertragen wird, aber dann auch auf den Menschen gehen kann und tödlich verläuft. Und dann natürlich die klassischen Erreger der Schutzstufe 4, die vielleicht die meisten kennen, das ist Ebola-Virus, das ist so Szenario von Outbreak oder Contagion, oder Marburgvirus. Das sind diese Erreger."
Das Friedrich-Löffler-Institut ist eine Einrichtung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Der Bund hat jetzt mehr als 300 Millionen Euro investiert, um auf Riems ein in Europa einzigartiges Hochsicherheitslabor zu bauen.
"Das ist schon ein Zeichen, das sagt schon, welche Bedeutung die Tiergesundheit insgesamt und Infektionskrankheiten im Speziellen im tierischen Bereich natürlich haben."
Der Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Mettenleiter, aufgenommen am 19.02.2014 auf der Insel Riems (Mecklenburg-Vorpommern).
Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts.© picture alliance / ZB
Denn das Wissen über Tierkrankheiten ist auch für die Gesundheit des Menschen enorm wichtig, betont Thomas Mettenleiter.
"Zoonose ist eine Infektion, die vom Tier auf den Menschen, aber auch von Menschen auf das Tier übergehen kann. Da gibt es eine ganze Menge von Erregern. Man sagt, etwa zwei Drittel der Infektionskrankheiten des Menschen kommen aus dem tierischen Bereich. Und bei den neu auftauchenden Infektionen sind es annähernd 75 Prozent, das heißt, da gibt es doch eine sehr enge Interaktion."
Eine Interaktion, die Epidemien und Pandemien auslösen kann.
"Man kann einem Virus erst mal nicht ansehen, ob er gefährlich ist oder nicht, sondern man muss ihn erst entsprechend beobachten und testen. Gefährlicher Erreger wär' sicherlich das, was wir zum Beispiel in der Influenza 1918/19 gesehen haben, also eine sehr leichte Übertragbarkeit, Tröpfcheninfektion und dann doch eine hohe Fähigkeit, den Organismus zu schädigen. Das war glücklicherweise bei der Schweinegrippe H1N1 jetzt nicht so drastisch ausgeprägt, aber wenn man sich überlegt, wir haben jetzt gerade 2014, also 100 Jahre Ausbruch des 1. Weltkriegs und dass die Pandemie von 1918/19 wahrscheinlich deutlich mehr Opfer gefordert hat als der gesamte Erste Weltkrieg, dann sieht man schon, welche Gefährdungssituationen auftauchen können."
Auf Riems sollen die tödlichen Erreger direkt am Tier untersucht werden
Auch das Hamburger Bernhard-Nocht-Institut und das Marburger Institut für Virologie arbeiten in Deutschland mit extrem gefährlichen Viren. Doch während dort die Erreger isoliert in Hochsicherheitslaboren erforscht werden, bereiten sich die Virologen auf Riems darauf vor, die Wirkungen der tödlichen Erreger direkt am Tier zu untersuchen.
"Das gibt es weltweit nur im Moment an zwei anderen Stellen, in Australien in unserem Schwesterinstitut in Geelong in der Nähe von Melbourne und in Winnipeg in Kanada. Da werden wir dann also weltweit die Nummer drei sein und in Europa das einzige Institut, das also solche Möglichkeiten haben wird."
Modernste Technik, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. Die viralen Bedrohungen kommen näher. Auch wenn es bisher in Europa nur einen Erreger gibt, der unter die höchste Sicherheitsstufe fällt und der bereits auf dem Balkan aufgetreten ist: das Krim-Kongo-Hämorrhagische-Fieber, das durch Zecken übertragen wird. Der Krankheitsverlauf beginnt mit Fieber und Schüttelfrost, dann folgen Darm- und Hautblutungen, später erbrechen die Infizierten Blut. Die Hälfte aller am Virus erkrankten Menschen stirbt an multiplen Organversagen.
"Darüber hinaus ist es so, dass zur Gruppe der so genannten „Emerging Infections", also neu auftauchende Infektionen, auch virale Erreger der Schutzstufe 4 gehören. Nipah-Virus in Südostasien, Hendra-Virus in Australien, und auch so was kann natürlich bei uns mehr oder weniger jeder Zeit passieren. Und wir müssen einfach gerüstet sein."
Das Büro von Thomas Mettenleiter befindet sich im historischen Teil des Gebäudes der Forschungsanstalt. Von dort aus gelangt man durch Sicherheitsschleusen direkt in den neu gebauten Laborbereich, der wiederum in Schutzstufen unterteilt ist. Die Schutzstufen richten sich nach der Gefährlichkeit der Viren, mit denen dort gearbeitet wird und bestimmen über die Ausrüstung und die Arbeitsabläufe, die es bei der Forschung mit den Erregern zu befolgen gilt. Hochsicherheitslabore sich hoch technisiert.
Die Insel Riems (Mecklenburg-Vorpommern) im Südwesten des Greifswalder Boddens mit dem Forschungskomplex des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) für Tierseuchenforschung, aufgenommen am 12.08.2013.
Luftansicht des Friedrich-Löffler-Instituts© picture alliance / dpa
"Das ist zum Beispiel so, dass die Abluft doppelt gefiltert werden muss über Hochleistungsschwebstofffilter, dass das Abwasser dekontaminiert werden muss, natürlich auch die Tierkörper entsprechend dekontaminiert. Es gibt auch Vorschriften, wie das zu gehen hat mit den Schutzanzügen, welche Dekontamination da notwendig ist, dass aus solchen Bereichen natürlich keine Erreger in irgendeiner Art und Weise entkommen dürfen."
Schritte.
Wer zu einem Labor mit hoher Sicherheitsstufe möchte, muss zuerst die Bereiche der niedrigeren Stufen passieren. Unmittelbar vor dem Labortrakt hat Dr. Martin Beer sein Büro. Er ist der Leiter des Instituts für Virusdiagnostik. Vor ihm auf dem Tisch liegen die Formulare, die jeder Besucher ausfüllen muss.

Martin Beer: "Dann würd' ich sagen, setzen wir uns gleich schnell her und ich mach die Belehrung."
Denn betreten darf den Labortrakt nur, wer über die richtigen Verhaltensweisen aufgeklärt wurde.
"Wir betreten den Sicherheitsbereich S2, Sicherheitsstufe 2, dort wird mit Erregern gearbeitet, die nicht sehr gefährlich sind. Es ist aber so, da wir mit Tierseuchenerregern arbeiten, auch in der Sicherheitsstufe 2 ist der wichtigste Punkt, dass man eine Quarantänezeit einhalten muss. Das heißt, man darf für 48 Stunden dann keinen direkten Kontakt mehr haben zu Klauentieren, Nutzgeflügel und Nutzfischen. Das heißt, Sie können jetzt nicht ins Labor mitgehen und nachher ihre Hühner Zuhause füttern, das geht nicht. Ihr Kanarienvogel ist kein Problem, der Goldfisch auch nicht, aber Schaf, Ziege, Rind, etc."
Für die höheren Sicherheitsbereiche gelten noch längere Quarantänezeiten, erklärt der Forscher.
"Also dort, wo wir mit Maul- und Klauenseuche arbeiten, das wäre die Sicherheitsstufe 3+, dort ist man für sieben Tage gesperrt, das heißt, wenn die Mitarbeiter mal mit ihren Kindern in den Zoo wollen, dann müssen sie schon erst eine Woche Urlaub haben, bevor das geht."
Daran ändert auch die vorgeschriebene gründliche Hygiene nichts.
"Mitarbeiter hier sind immer perfekt geduscht und gereinigt"
"In der Stufe 3+ ist es so, dass man dort beim Verlassen sogar eine Zwangsdusche in Anführungsstrichen hat, das heißt, man geht nackt durch die Schleuse und zieht sich auf der anderen Seite an. Wenn man wieder rausgeht, geht man durch eine Edelstahl-Duschschleuse. Also die Mitarbeiter, die in den Bereichen arbeiten, sind immer perfekt gereinigt und geduscht."
Labore müssen steril sein. Mitgebrachtes Essen oder Getränke sind streng verboten, sonst könnten mit den Lebensmitteln Keime in die Untersuchungsräume geraten.
"Ja, unterschrieben haben Sie es ja, genau, ja. Steht alles noch mal drin. Dann würde ich sagen, gehen wir über die Personenschleuse in den Laborbereich."
An der schweren Eisentür warnt ein großes gelbes Dreieck mit vier schwarzen ineinandergreifenden Kreisen: Das Biohazard-Symbol zeigt an, dass wir nun einen Bereich mit biogefährlichen Substanzen betreten. Nur mit einem elektronischen Chip lässt sich die Tür-Sperre lösen und der schwere Bügelgriff umlegen. Eine von vielen Sicherheitsvorkehrungen, die verhindern helfen sollen, dass gefährliche Krankheitserreger in die Hände von Unbefugten gelangen.
Warnschild für Biohazard
Warnschild für Biohazard© picture alliance/dpa
"Damit ich in bestimmte Bereiche komme, muss ich diesen Chip natürlich besitzen, und auf diesen Chip ist auch gespeichert, welche Zugangsberechtigung ich habe, und dann komm ich eben in bestimmte Bereiche nur rein, wenn ich auch die entsprechende Berechtigung auf dem Chip gespeichert habe."
Schweres Schließgeräusch der Tür
"Dann ist man im System registriert."
Tür fällt ins Schloss.
"Die Elektronik der Türschlösser, die weiss dann auch, in welchen Bereichen man schon war - da gibt es auch intern Quarantänezeit – das heißt, wenn ich im MKS-Bereich war, dann komm ich auch nicht mehr in einen Stall niedriger Sicherheitsstufe für diese Zeit. Das heißt, es kann auch nicht fehlerhaft einer irgendwohin laufen."

Dreißig weiße Laborkittel hängen in der fünf Mal drei Meter großen Personenschleuse.
Elke Reinking: "Hier würde ich Sie dann bitten, diesen Einmalkittel anzulegen."
Institutsmitarbeiterin Elke Reinking hat die Schutzkleidung schon bereitgelegt.
"Ich denke, die Größe müsste hinkommen. Und diese Überzieher für die Schuhe anzulegen."
Der Gebäudekomplex ist 250 Meter lang und umfasst drei Ebenen. 89 Labore aller Sicherheitsstufen sind hier untergebracht.
Martin Beer: "Auf der einen Seite haben wir Labore mit Fenstern, das sind Dauerarbeitsplätze, und auf der anderen Seite haben wir Räume, die wir als Geräte- oder Funktionsraum bezeichnen, und da sind dann die PCR-Maschinen, Sequenzer, was auch immer. Und so ist die Struktur eigentlich im gesamten Gebäude. Gehen wir mal in ein Labor rein."
Edelstahltische, technisches Gerät, Mikroskope, Pipetten.
Edelstahltische, hochtechnisches Gerät, Mikroskope und Glasschränke, Pipetten. Nichts weist darauf hin, dass hier mit besonders gefährlichem Material gearbeitet wird. Auch den Menschen, die hier arbeiten, merkt man nichts an. Nur das ständige Rauschen der Lüftung irritiert.
"Genau, da hört man auch schon, das ist eine gerichtete Luftführung."
Alle Arbeiten mit infektiösen Erregern müssen auf einer Sicherheitswerkbank durchgeführt werden, einem anderthalb Meter langen Tisch, über dem eine Abzugshaube hängt. Ein virendichter Filter, ein HEPA-Filter, führt die Luft nach außen ab. Damit keine Erreger entweichen können, sind die Räume des Labortrakts ab Sicherheitsstufe 3 zusätzlich durch ein kompliziertes Unterdrucksystem geschützt.
"Wenn irgendwo ein Leck wäre oder irgendetwas würde geöffnet, dann kann nur Luft einströmen, es kann aber nie Luft nach außen strömen. Unser Gebäude ist geprüft worden, man muss so eine Dichtigkeitsprüfung machen, und wahrscheinlich haben wir das dichteste Gebäude der Welt. Das ist also extrem dicht und damit ist diese Luftführung, dieser Unterdruck, auch sehr effizient. Dann können wir mal in einen Raum gehen, wo es etwas lauter ist. Da laufen unsere modernen Sequenziermaschinen."
Das ist computergestützte Technologie, mit der man hofft, Viren verstehen und so dann besser bekämpfen zu können.
"Was wir damit machen ist, zum einen, Viren ganz genau charakterisieren, weil ich plötzlich jedes einzelne Bestandteil dieses Virusgenoms, tausend, zehntausendfach mir ankucken kann oder wir können in Proben einfach das gesamte genetische Material uns ansehen und mit einer Datenbank abgleichen."
Mit der sogenannten Metagenom-Analyse können Forscher Viren nachweisen und entdecken, ohne dass sie zu Beginn ihrer Arbeit wissen müssen, nach welchen Erregern sie überhaupt suchen.
"Und das ist etwas, was in allen Bereichen im Moment im Grunde die Biologie im Moment revolutioniert, ob das die Sequenzierung eines Tumors ist, die Sequenzierung von Humangenomen, oder eben das Suchen von neuen, pathogenen neuen Erregern - also das ist eine Revolution. Diese Geräte, diese Kapazität, die wächst so schnell, dass sie selbst das Fortschreiten der Computertechnologie weit in den Schatten stellt."
2011 hat das Team um Martin Beer mithilfe dieser Methode das Schmallenberg-Virus entdeckt. Landwirte und Tierärzte hatten zuvor dem Friedrich-Löffler-Institut gemeldet, das Rinder und Schafe schwer geschädigte Kälber und Lämmer auf die Welt brachten. Das Institut untersuchte die Blutproben, wertete die Daten aus.
"Wir haben einen Biomathematiker, der hat dann diese E-Mail mir geschickt und gesagt, da ist nichts Besonderes drin, nur so ein paar komische Viren. Weil natürlich für den Mathematiker diese Viren nicht alle präsent sind. Ich bin fast vom Stuhl gefallen. Weil da eben auch das Wort Akabane-Virus vorkam, ein Virus, das in Deutschland, im größten Teil Europas nie vorkam, so die nächsten Länder sind Türkei oder Israel, und wir sind dann sofort ins Labor, haben uns das alles angekuckt."
Virusforschung ist Teamarbeit. Viele Arbeitsschritte sind nötig und greifen ineinander, um überhaupt ein neues Virus nachweisen zu können. Sind die Forscher einmal auf der richtigen Spur, denkt keiner mehr an Feierabend. An einer Entdeckung wie der des Schmallenberg-Virus wollen alle teilhaben.
"Da hat auch jeder dann natürlich Spaß dran, weil da ist was Neues, und dann ging's los und wir haben gesagt, so, wir brauchen mehr Proben. Dann hat jeder ja sein Spezialgebiet, dann macht der eine die PCR, die Diagnostik, um sensitiv die Genome nachzuweisen, der nächste versucht, die Antikörper nachzuweisen, und so war es, dass wir nach einer Woche die PCR fertig hatten und konnten sehen, ja, auch Fälle von früher, wo die Leute vermutet hatten, da stimmt was nicht, sind positiv."
Proben von Riems wanderen um die ganze Welt
Mehrere Versuche, das Virus auf einer Zellkultur zu isolieren, misslangen, bis sich der Erreger auf Insektenkulturen und schließlich auf Hamsterzellen gut entwickelte. Damit Wissenschaftler abgleichen konnten, ob es das Schmallenberg-Virus war, das ihre Tiere krank machte, wanderten Proben von der Insel Riems um die ganze Welt.
"Mehr als 120 Mal haben wir das weltweit verschickt, nach Amerika, nach China, weiß ich nicht wohin überall, also. Und wir haben auch die Sequenz sofort bekannt gegeben, sodass jeder bei sich gucken konnte und haben eben völlig darauf verzichtet, das sich schützen zu lassen oder was auch immer. Sondern wir haben gesagt, das kann auch ein Beispiel sein, wie sollte man mit einer Bedrohung umgehen, wir wussten ja überhaupt nicht, was kommt."
Das Schmallenberg-Virus gehört zu den vektorübertragenen Krankheiten. Das sind Infektionskrankheiten, bei denen Erreger durch Vektoren wie zum Beispiel Zecken oder Mücken übertragen werden.
"Diese vektorübertragenen Krankheiten haben zum Teil die Eigenschaft, sich rasend schnell auszubreiten. Und Schmallenberg ist quasi ein, ich sag immer, Formel-1-Virus. Also mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit ist im Grunde Gesamteuropa infiziert worden. Deutschland in 18 Monaten komplett. Sodass bis Anfang 2013, das sehen wir auch an den Aborten und den Schädigungen der Neugeborenen, im Grunde fast jeder Wiederkäuer in Deutschland infiziert worden ist."
Hier wurde ein Impfstoff gegen das Schmallenbergvirus entwickelt
Aufgrund der Forschungsarbeiten auf Riems gibt es gegen die Schmallenberg-Krankheit heute einen Impfstoff. Die Schmallenberg-Krankheit ist ein gutes Beispiel dafür, wie langsam sich der Mensch dem Rätsel Virus nähert.
Thomas Mettenleiter: "Wir kennen nur einen verschwindend kleinen Bruchteil der viralen Welt. Wir wissen in der Zwischenzeit, dass die Zahl der Viren im Ozean die Zahl der Bakterien weit übersteigt. Wenn man Viren, es ist ja als Partikel unbelebte Materie und wird erst zum Leben erweckt, wenn es dann den Organismus infizieren kann, aber wenn Viren dann als eine Art Lebensform bezeichnet, dann ist es die, die auf unseren Planeten mit Abstand am häufigsten vorkommt."
Viren können die Menschheit jederzeit vor tödliche Herausforderungen stellen. Umso wichtiger ist es, sich so gut wie möglich vorzubereiten. Dr. Anne Balkema-Buschmann ist stellvertretende Leiterin für neue und neuartige Tierseuchenerreger und eine der Wissenschaftlerinnen, die im L4-Bereich mit höchstgefährlichen Viren an Rindern oder Schafen forschen darf.

Anne Balkema-Buschmann: "Das ist also der Weg, den man auch später nimmt, wenn man das Labor betreten möchte."
Der L4-Bereich ist durch eine Drehtür aus Glas – eine Sicherheitsschleuse – über den Bereich der Sicherheitsstufe 3 betretbar. Der gesamte Bereich wird durch Kameras überwacht. Die Angst vor Terroristen ist groß. Martin Beer.
Martin Beer: "Zum Sicherheitsstufe-2-Bereich haben sehr viele Mitarbeiter natürlich Zutritt, alle die hier arbeiten, Stufe 3 wird das schon deutlich weniger. Stufe 3+ sind das nur noch ein paar Leute, wirklich die, die ausschließlich in dem Bereich arbeiten, die haben auch Zutritt. Die müssen sicherheitsüberprüft sein. Also Zuverlässigkeit ist da das Stichwort. Also ich darf natürlich nicht vorbestraft oder was auch immer sein, die Zuverlässigkeit wird ausführlich geprüft, das dauert bis zu einem halben Jahr. Und danach bekomme ich erst den Zutritt, sodass ich auch ohne Begleitung dort arbeiten darf."
Blick in ein Forschungslabor der Sicherheitsstufe L4 am Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit, aufgenommen am 16.08.2013 auf der Insel Riems
Das L4-Forschungslabor© picture alliance / dpa
Freien Zutritt aber hat keiner, egal wie lange er oder sie schon am Institut arbeitet. Auch nicht Anne Balkema-Buschmann.
"Man gibt erst einmal auch hier seinen sechsstelligen PIN-Code ein, also noch mal eine Schwelle, die es zu überwinden gilt, dann wechselt man hier die Laborkleidung, die man im 3er-Bereich anhatte, gegen die Unterkleidung, die man später unter den Sicherheitsanzug anzieht, läuft dann durch diese Dusche durch, ohne zu duschen, hat dann hier wieder die Laborwegekleidung an und erreicht dann hier diesen so genannten Skafanderraum. Das ist also der Raum, wo man jetzt diesen Sicherheitsanzug anlegt."
Die Tierärztin zeigt auf einen gelben Ganzkörper-Overall, dessen Hülle aus einem Chemikalien undurchlässigem Material besteht. Der Anzug sieht aus wie reißfestes Plastik aus einem Stück, weit geschnitten und über den Kopf reichend. Wer immer diese unbequeme Arbeitskleidung trägt, sieht die Laborwelt nur durch eine durchsichtige Kunststoff-Folie vor dem Gesicht. Das Ganze erinnert sehr an düstere Science-Fiction-Szenarien oder an Bilder nach dem Reaktorunfall in Fukushima.
"Das ist also jetzt dieser Anzug, den man im BLS4-Labor bei der Arbeit tragen muss. Der ist also im Ganzen natürlich luftdicht vernäht, sodass kein Erreger dort eindringen könnte. Man muss sich immer eine Wand suchen zum Anlehnen, sonst fällt man um beim Anziehen. Das Ding ist doch ein wenig schwer. Dann ziehen wir den an. Und wie man sieht, sind auch die Handschuhe ganz fest mit dem Ärmel verbunden, so dass da also auch nichts eintreten könnte und im Labor wird dann da drüber noch mal ein paar Handschuhe angezogen."
Die Atemluft im L4-Bereich erreicht die Wissenschaftler über ein Rohrsystem, das unter der Decke angebracht ist. Es sieht hier ein wenig aus wie im Heizungskeller eines Mietshauses.
"Und von diesen Rohren abgehend sind dann Gummischläuche, die man dann am Anzug anschließen kann."
Im Inneren des Overalls sorgen Schläuche für Verteilung der Atemluft.
Zischen "Die Luft kommt nicht nur oben in Kopfnähe raus, sondern hier am Körper und in den Armen und Beinen sind auch Öffnungen, sodass auch dort Luft ausströmt und das macht den Anzug eigentlich ziemlich angenehm, weil man hat immer eine ganz angenehme Temperatur da drin, es wird nicht zu warm und es ist aber auch nicht zu kalt."
Luftgeräusche
"Sobald hier diese Verbindung gegeben ist, strömt die Atemluft ein in den Anzug, und jetzt merke ich auch sofort, wie es an den Beinen angenehm kühl wird, weil halt überall Luft ankommt. Also jetzt könnt ich den Anzug zumachen." Luftgeräusche, undeutliches Reden.
Wer im Hochsicherheitslabor arbeitet, kommuniziert ausschließlich über Headsets.
"Sie haben jetzt gesehen, dass man tatsächlich etwas ungelenk und unbeweglich ist, wenn man so aufgepustet ist und selbst wenn man sich dann nur auf einen Stuhl setzen will, ist das schon eine größere Überlegung wert. Man muss sich also mit einer Hand irgendwo festhalten, mit der zweiten Hand den Stuhl festhalten, weil man den ja sonst mit dem aufgeblasenen Anzug vor sich herschiebt und sich dann ins Nichts setzen würde. Was natürlich in so einem Labor auf keinen Fall passieren soll. Man muss also wirklich alles, was man macht, sich vorher überlegen, was man machen will und wie man es machen will."
Jeder der vier Arbeitsplätze im L4-Bereich verfügt über eigenes Equipment, eigenes Material. Keiner der Wissenschaftler soll hier unnötige Wege laufen und damit vermeidbare Risiken eingehen.
"Das heißt, man bewegt sich dann in seiner eigenen Welt. Und man will natürlich vermeiden, dass zwei Kollegen, die gerade noch möglicherweise was in der Hand haben, zusammenstoßen, weil sie sich nicht gehört haben vorher. Von daher richten wir das so ein, dass jeder seine eigene Bucht hat, wo er seine Arbeiten in Ruhe durchführen kann."
Die Wände des L-4-Bereichs sind aus Spezialbeton gemacht, siebenfach mit Kunststoff beschichtet, auch die Fenster sind aus einem unzerstörbaren Glas gefertigt. All das, damit ja kein Virus entweichen kann. Lämpchen blinken aufgeregt an silbernen Schalttafeln. Sie zeigen die unterschiedlichen Druckverhältnisse an und werden ständig durch die technische Leitzentrale kontrolliert.
"Der technische Dienst hat hier einen Rund-um-die-Uhr-Dienst, um das ganze Gelände zu überwachen. Die Kollegen können das dann sehr gut einschätzen, wenn irgendwo eine Fehlermeldung kommt. Es gibt ja verschiedene Stufen, es gibt Fehlermeldungen, da kann die Person durchaus hier im Labor bleiben, das ist nicht kritisch, es gibt aber auch andere Fehlermeldungen, wo man schon zusehen sollte, das man seine Arbeit noch schnell beendet bzw. nur noch schnell die Flaschen zudreht und dann erst mal den Bereich verlässt."
Türenschließen, Schleuse. "Das ist jetzt einer der beiden Tierräume. So wie er jetzt vorbereitet ist, man sieht ja, dass für jedes Tier so ein Standplatz vorgesehen ist, das ist in diesem Bereich auch gar nicht anders machbar. Also da müssen die Tiere tatsächlich an einem Platz angebunden sein und hier stehen, weil sonst für die Personen, die mit den Tieren umgehen sollen, wäre es viel zu gefährlich."
Kein hier infiziertes Tier wird das Hochsicherheitslabor lebend verlassen
Kein Tier, das in diesem Stall mit einem Virus infiziert wurde, wird das Hochsicherheitslabor lebend verlassen. Tierpfleger beobachten die eingepferchten Rinder und Schafe und registrieren jede Veränderung ihrer Körper und ihres Wesens. Die Wissenschaftler entnehmen Blut- und Speichelproben und untersuchen Ausscheidungen. Für die Tiere ist es die letzte Station eines Lebens im Dienste der Forschung.
"Hier ist die Sektionshalle. Man würde also das Tier entweder im Stall euthanasieren oder hier in die Sektionshalle führen und hier einschläfern und dann hier die Sektionen durchführen. Die Dekontamination der Tierkörperteile erfolgt dann hier über diesen Digester. Das kann also dann hier direkt eingeworfen werden."
Der Digester sieht aus wie ein riesiger Schnellkochtopf aus Edelstahl. Sein Tank endet in der Kelleretage unter der Sektionshalle.
"Da werden die Tierkörperteile eingeworfen, und dann wird das gefüllt mit einer hoch konzentrierten Lauge. Und darin wird das dann über viele Stunden zerkocht. Das ist wirklich eine Suppe, die da entsteht, also von den Tierkörpern ist nachher nichts mehr zu erkennen."
Kontaminierte Materialien wie Abdeck-Folien, Kunststoffbeutel oder Reinigungslappen werden bei hohen Temperaturen und mit Druck über einen grauen Kasten entsorgt, der aussieht wie ein Hybrid aus Kühlschrank und Mikrowelle.
"Bei der Sektion fällt ja auch Plastikmaterial an und Papierhandtücher und solche Dinge. Und das wird alles über diesen Autoklaven nach außen verbracht. Und dann steht man ja in der L3 oder im L3-Bereich und dort wird es noch mal autoklaviert, um den L3-Bereich zu verlassen und da kann es dann entsorgt werden."
Die Wissenschaftler durchlaufen nach ihrer Arbeit eine aufwendige Reinigungsprozedur, die in einem Raum beginnt, der komplett aus Edelstahl besteht.
"Bevor man den Bereich verlassen will oder wenn man aus dem Stallbereich in den Laborbereich wechseln möchte, muss man hier diese chemische Dusche absolvieren, das heißt, in dem Anzug duscht man. Sodass der Anzug, der ja möglicherweise von außen mit Virus kontaminiert ist, sodass der komplett dekontaminiert wird."
Jeder Kubikmillimeter des Raumes wird anschließend über neun Duschköpfe zwei Minuten lang mit Desinfektionsmittel vernebelt.
Wenn ein Loch im Anzug wäre, würde es anfangen zu blubbern."
"Dann ist eine Minute Pause, in der man sich noch mal gründlich überall abreiben kann und auch beobachten kann. Das Desinfektionsmittel schäumt ein bisschen, und wenn ein kleines Loch im Anzug wäre, würde man das dann sehen, dann würde es da an der Stelle anfangen zu blubbern. Das heißt, das ist eine gute Möglichkeit, um direkt optisch schon mal den Anzug zu kontrollieren. Und dann nach dieser einen Minute Pause kommt noch mal drei Minuten Wasser nachspülen und dann kann man die Schleuse verlassen."
Türgerräusche, Schritte. Im Nebenraum wird der Anzug, den sich Anne Balkema-Buschmann inzwischen mit einiger Mühe ausgezogen hat, zum Trocknen aufgehängt. Hätte er ein Loch, würde er sofort entsorgt werden.
"Man hängt ihn sozusagen an den Stiefeln auf, damit er in Ruhe trocknen kann und geht dann durch diese Schleuse raus und duscht dort noch mal. Dort ist also noch mal eine normale Hygiene-Dusche angeschlossen. Und zieht dann auf der anderen Seite wieder die BSL-3-Laborkleidung an, Hose, T-Shirt, Kittel."
Ohne erneute Dusche kommt auch niemand aus diesem Bereich heraus.
"Und erst dann kann man die Tür nach außen öffnen."
Die Arbeiten im L4–Bereich beginnen zunächst mit Viren der Sicherheitsstufe 2, dann der Stufe 3 – immer aber unter den Bedingungen der Stufe 4. So will man proben, jeden Schritt verinnerlichen, bis dann wirklich mit den tödlichen Erregern gearbeitet wird.
"Das ist schon eine lange Liste von Dingen, die man da bedenken muss und tja, ab und zu schreckt man dann auch abends spät noch mal auf und denkt, ah, da war noch was, das wollten wir doch noch, und dann, ja, es ist eine ganze Menge."
Inselgeräusche. Noch steht nicht fest, wann die ersten tödlichen Viren nach Riems kommen werden. Im Friedrich-Löffler-Instituts ist man jedenfalls vorbereitet. Und die Türen dieses Versuchslabors auf der eigentlich idyllischen Insel im Greifswalder Bodden bleiben ab jetzt für die Öffentlichkeit verschlossen.
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