Fleischfarben mit Gummihaut

Von Michael Engel · 24.05.2012
Immer besser werden die von Menschenhand gebauten Roboter, immer komplexer und feinmotorischer ihre Bewegungen. Möglicherweise lassen sich Roboter einst sogar zu sozialen Wesen weiterentwicken, so der Eindruck von einem Roboter-Treffen in Wolfsburg.
Er ist Sänger, Schauspieler und Philosoph. Er rezitiert Shakespeares Hamlet "Sein oder Nichtsein" und das ist hier tatsächlich die Frage: Denn der Liebhaber der schönen Künste ist ein Roboter, wohnhaft im Wolfsburger Wissenschaftsmuseum "Phaeno". Vor kurzem bekam er Besuch von seinen Verwandten aus aller Welt. Nicht nur, um ihn aus seiner Einsamkeit zu reißen, sondern vor allem für die Besucher des Museums. Beim sogenannten "Roboterfestival" konnten sie bestaunen, was moderne Roboter zu bieten haben und wohl auch noch bieten werden. Michael Engel war mit dabei.

Das ist "Robo Thespian". Der Name kommt von "Thespis" – einem griechischen Tragödiendichter 533 vor Christus. "Thespian" steht auf zwei Beinen – quasi "in Augenhöhe" zum Menschen - und wenn er den metallischen Mund öffnet, kommt sogar Gesang heraus. Ein gänzlich anderes – quasi bewegliches Kommunikationskonzept - verfolgen japanische Wissenschaftler mit "Telenoid". Dahinter verbirgt sich ein Roboter in Gestalt einer handlichen Puppe, fleischfarben mit Gummihaut. Wer sie auf den Arm nimmt, kann sich mit ihr richtig unterhalten. Cora Müller im Gespräch mit Telenoid:

"Cora: Hallo, ich bin Cora Müller und wie heißt Du?

Telenoid: Ich heiße Telenoid-Baby Katja!

Cora: Und wozu wurdest Du gebaut?

Telenoid: In Zukunft soll ich einmal in Altersheimen oder für autistische Kinder eingesetzt werden. Mal sehen. So etwas in der Art.

Cora: Kannst Du mir sagen wie die Zukunft aussehen wird?

Telenoid: Ich denke mal, Menschen wird es immer geben. Ich hoffe doch.

Cora: Vielen Dank Telenoid."

Nein, intelligent ist "Telenoid" namens Katja nun doch nicht. Die Puppe, die beim Sprechen ihren Mund bewegt und mit den Augen blinzelt, wird von Katja Newes gesteuert. Die Museumsmitarbeiterin hört im Headset heimlich mit und ist um schlaue Antworten nie verlegen. Auf dem Monitor schaut sie dann in die erstaunten Gesichter der Besucher, denn die Puppe hat auch eine Kamera "an Bord".

"Weil sie selten registrieren, wo man eigentlich sitzt, und dass man sie beobachtet dabei. Und dann schaut man sich die Gesichter einfach so an und fragt dann einfach nach dem Namen und kommt dann vielleicht in ein Gespräch hinein."

Tatächlich könnten Roboter wie "Telenoid" eines Tages als Gesprächspartner dienen – in Krankenhäusern oder Altenheimen zum Beispiel – doch diese Zukunft ist noch weit entfernt. Dr. Kohei Ogawa aus Japan arbeitet daran.

"Wir denken da schon an die nächste Generation", sagt der Wissenschaftler. Beim Telefonieren zum Beispiel kann man heute nur die Stimme hören, bei "Skype" sieht man noch ein Gesicht auf dem Bildschirm. Wir aber wollen die Kommunikation auch physisch erfahrbar machen. "Telenoid" könnte dann jede Person sein. Älter, jünger, männlich oder weiblich. So könnte zum Beispiel der freundliche Schaffner auf Gleis 8 bald ein Telenoid sein, der alle Zug- und Flugverbindungen sogar weltweit aus dem effeff abspult. Oder die Auskunft im Supermarkt oder der Museumsführer.

"Herzlich willkommen im "Phaeno" - in unserer spannenden Experimentierlandschaft. Sie können mir folgen, und ich zeige Ihnen in einer kleinen Tour, was es heute Spannendes bei unserem Roboterfestival zu sehen gibt. Folgen Sie mir","

sagt "Oskar" - ein "Museumsroboter" – entwickelt im Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, Stuttgart. Das eineinhalb Meter hohe Gebilde sieht einem überdimensionalen Ei durchaus ähnlich, nur, dass es auf Rollen fährt und Tonkonserven abspulen kann, sagt Felix Messmer aus Stuttgart:

""Der Roboter wurde vorab von uns an die Umgebung gewöhnt. Und dann haben wir ihm verschiedene Positionen "eingelernt", wo dann die entsprechenden Exponate zu finden sind, und spielen dann an den entsprechenden Positionen "Soundfiles" – Sprachausgaben ab und zeigen Bildschirmpräsentationen zu den Exponaten an.

Nein, sorgen machen müssen sich Museumsmitarbeiter, Schaffner, Banker und auch die Pflegekräfte nicht. "Roboter" – so beschwichtigt der junge Informatiker – "entlasten die Menschen nur von den schweren Arbeiten". Gleichwohl werden sie massiv unsere Lebens- und Arbeitswelt verändern, ergänzt Phaeno-Geschäftsführer Wolfgang Guthardt. Der Doktor der Philosophie wünscht sich noch viele Roboterfestivals in Wolfsburg.

"Ich finde, das ist ein sehr ernstes Thema, und wenn man herausgreift zum Beispiel, dass Sozialwesen möglicherweise eines Tages in Roboterform geschaffen werden müssen, um die Einsamkeit alter Menschen, die unser Sozialsystem vielleicht nicht mehr unterhalten kann, bringen, dann sind das schauerliche Dinge. Aber auf der anderen Seite ist ja unser Thema wiederum der technische Fortschritt. Insofern wollen wir es auch nicht nur düster zeichnen, es liegt eben die Wahrheit in der Mitte."

1921 kreierte der tschechische Schriftsteller Carel Capek den Begriff "Roboter" – abgeleitet von "robot", was soviel wie Arbeit bedeutet. Bei Capek tauchten die Roboter in der Gestalt von technischen Sklaven auf – künstlichen Menschen, die als billige und rechtlose Arbeiter eingesetzt wurden. Die ganze Aktion nimmt – zumindest in der Literatur - kein gutes Ende: Im weiteren Verlauf des Theaterstücks rebellieren die Androiden und vernichten die Menschheit.
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