Filmdebüt "Get Out" von Jordan Peele

Die Rückkehr der Sklaverei als Horrorfilm

Jordan Peele, Regisseur von "Get Out", gewann 2016 einen Emmy für die TV-Comedy-Serie "Key and Peele"
Jordan Peele, Regisseur von "Get Out", gewann 2016 einen Emmy für die TV-Comedy-Serie "Key and Peele" © EPA / Mike Nelson
Marcus Stiglegger im Gespräch mit Susanne Burg · 29.04.2017
"Get Out" von Regisseur Jordan Peele ist bisher der Überraschungserfolg des Jahres in den USA. Eine Frau verbringt mit ihrem schwarzen Freund ein Wochenende auf dem Land. In dem Film werde auf "schleichende Weise die Rückkehr der Sklaverei thematisiert", sagt der Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger.
Ein kleiner Debütfilm war in den USA bislang der Überraschungserfolg des Jahres: Gerade mal 4,5 Millionen Dollar hat "Get Out" gekostet, mittlerweile hat er einen Umsatz von mehr als 170 Millionen Dollar gemacht und wird überall gefeiert. Am Donnerstag nun kommt der Horrorfilm auch bei uns in die Kinos.
"Get Out" ist – wie gesagt – ein Debütfilm, von einem Mann allerdings, der in den USA als Comedian durchaus einen Namen hat: Jordan Peele. Die Ausgangslage ist folgende: Eine junge Frau verbringt mit ihrem schwarzen Freund ein Wochenende erstmals bei den Eltern auf dem Land. Die älteren Herrschaften erweisen sich erst einmal als aufmerksame Gastgeber:
"Also wie lange läuft das schon, diese Sache? - Vier Monate. - Fünf Monate eigentlich. - Sie hat Recht, ich hab Unrecht. - Guter Mann, gewöhnen Sie sich an diese Worte!"
Susanne Burg: Beim herzlichen Empfang bleibt es dann nicht, bizarre Zwischenfälle lassen den Besuch zu einem Alptraum werden. Über diesen Film, den Kritiker schon als Phänomen beschrieben haben, will ich jetzt mit dem Berliner Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger sprechen. Beim Branchentreffen CinemaCon in Las Vegas hat "Get Out" den Preis als bester Regisseur des Jahres bekommen. Und in der Dankesrede war die Rede davon, dass Jordan Peele "Publikum und Kritiker auf der ganzen Welt mit seinem originellen Regiedebüt gefesselt und in seinen Bann gezogen, ja hypnotisiert" hat. Herr Stiglegger, waren Sie auch hypnotisiert, als Sie den Film jetzt gesehen haben?

"Film, der für Amerika eine größere Bedeutung hat"

Marcus Stiglegger: Also, man muss schon sagen, dass "Get Out" ein extrem gut und inspiriert inszenierter Film ist, der auf formaler Ebene, musikalisch z.B., extrem einprägsam ist und schauspielerisch überzeugt. Es ist ein spannender Film, irgendwo zwischen Thriller, Mystery und Horror, kann man sagen. Aber es ist vermutlich ein Film, der für Amerika eine größere Bedeutung hat, gesellschaftspolitisch gesehen, als er möglicherweise in Deutschland oder in Europa haben wird, weil er sehr spezifisch amerikanische Konflikte zwischen dem, was man in Amerika als Class und Race eigentlich bezeichnet, thematisiert.
Susanne Burg: Die Los Angeles Times sagt, es sei der "mutigste, provokanteste Umgang mit dem Thema Rasse seit Jahren". Wobei man Race ja schon gar nicht so gut übersetzen kann ins Deutsche. Wie thematisiert der Film Hautfarbe?

Marcus Stiglegger: Es ist im Grunde so, dass er auf eine schleichende Weise die Rückkehr der Sklaverei thematisiert. Indem… Da muss man natürlich ein bisschen was preisgeben… Indem die bereits damals ausgebeuteten Körper wieder zu Opfern werden und wieder zu gewissermaßen… dienlich gemacht werden. Dieses Mal auf eine andere Weise, aber es ist auf jeden Fall die Rückkehr der Sklaverei. Und das ist natürlich sehr kritisch. Das ist ein gesellschaftskritisches Modell. Denn gerade in dem aktuellen Rechtsruck der amerikanischen Politik hat man ja eine Rückkehr rassistischer Strukturen, die in den Südstaaten, wo ich auch eine Zeitlang gelehrt habe, nie wirklich verschwunden sind. Subtil sind diese Sachen ständig präsent. Und deswegen macht der Film das sehr geschickt. Indem er quasi ein metaphorisches Modell schafft, das die Rückkehr, die faktische Rückkehr der Sklaverei in ein Horrorfilmgerüst packt.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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