Familienfilmerin mit Humor

Von Christian Geuenich · 16.09.2008
"Friedliche Zeiten" ist der zweite Film von Neele Leana Vollmar. Es geht darin um das Ehepaar Striesow, das 1961 mit ihren drei Kindern aus der DDR in den Westen flieht und in der vermeintlichen Freiheit auf neue Probleme trifft. Familienthemen reizen die 30-jährige Kölner Regisseurin. Mit der Verfilmung von Jan Weilers Bestseller "Maria, ihm schmeckt’s nicht" bereitet sie schon den nächsten Familienkonflikt vor.
"Ich freue mich jeden Tag darüber, dass ich den Beruf habe und finde das den tollsten Beruf der ganzen Welt, weil man einfach so viele neue Menschen kennen lernt und eben auch mit Menschen arbeitet und Geschichten erzählt und es nicht so eine Routine gibt."

Neele Leana Vollmar sitzt auf der Gartenterrasse eines italienischen Restaurants in München, grüßt sehr offen, und noch ehe ich mich gesetzt habe, fragt die 30-jährige Regisseurin, was ich denn von der neuen Udo-Lindenberg-CD halte, die sie großartig findet, und dazu müsse sie sich nun wirklich mal bekennen.

Neele Vollmar - auf das Leana verzichtet sie gerne - ist schmal, hat strahlend blaue Augen, die langen blonden Haare wie zufällig zu einer Art Turban hochgesteckt. Die junge Regisseurin ist gut gelaunt und erleichtert. Ihr neuer Film "Friedliche Zeiten" ist bei der Erstaufführung am vorherigen Abend beim Publikum gut angekommen.

In der Tragikomödie geht es um das chaotische Ehepaar Striesow, das mit seinen drei Kindern in den 60ern aus der DDR in den Westen flieht. Aber auch sieben Jahre nach der Flucht ist die überdrehte, neurotische Mutter Irene Striesow voller Ängste, sehnt sich nach der vermeintlichen Sicherheit der DDR zurück und fürchtet ständig den Dritten Weltkrieg.

Irene: "Wasa, Ute, Aufstehen! Zieht euch an!"
Wasa: "Müssen wir wieder fliehen?"
Irene: "Die Russen kommen."
Wasa: "Haben die Russen auf den Knopf gedrückt?"
Ute: "Dann würden die ja nicht herkommen."
Irene: "Jetzt macht schnell, wir müssen weg!"

Weil Irene zudem panische Angst davor hat, dass ihr Mann Dieter sie betrügt und eine "Zweitfrau" hat, ist es mit den "Friedlichen Zeiten" im Westen vorbei. Ein Kleinkrieg im Wohnzimmer der Familie bricht aus. Erzählt ist die Geschichte aus der Perspektive der Kinder, die versuchen, die Erwachsenenprobleme zu verstehen.

"Es ist so, Kinder fühlen sich verantwortlich für die Eltern. Und das ist das, was mich reizt, und das ist, glaube ich, eine Sache, die jeder nachvollziehen kann und die durchaus in die heutige Zeit transportiert werden kann. Und das ist für mich das Allerwichtigste, dass man so eine Verbindung hat zum Publikum, dass Leute wissen, genau das habe ich auch mal erlebt. Zum anderen einfach die Erzählperspektive von den Kindern, die eine ganz skurrile neue Ebene eröffnen mit sehr viel Humor und Augenzwinkern."

Neele Vollmar ist als Einzelkind in Stenum, einem kleinen Ort zwischen Bremen und Oldenburg, aufgewachsen, der Vater Arzt, die Mutter Juristin. Es ist eine idyllische Kindheit in dem Erholungsort, nachmittags rast sie mit ihrem BMX-Fahrrad mit anderen Kindern durch den nahegelegenen Wald oder schaut mit ihrer Mutter Ingmar-Bergman-Filme.

"Er hat ja eigentlich auch immer Familienthemen, zwischenmenschliche Sachen. Er ist einfach immer sehr nah an den Menschen dran, und das sind einfach so Psychogramme von Figuren. Und das reizt mich auch und interessiert mich auch."

Im Gegensatz zu ihren Filmen, die sich häufig um den Krisenherd Familie drehen, versteht sich Neele Vollmar sehr gut mit ihren Eltern.

"Wir sind so ein sehr, sehr enges Dreier-Team, meine Eltern und ich, und wir haben ein sehr enges Verhältnis und ein sehr einzigartiges, glaube ich. Und ich werde auch oft gefragt, ob ich komische Familienverhältnisse habe, weil ich natürlich sehr viel aus den Kreisen erzähle, aber wir haben ein unglaublich tolles Verhältnis, und ich habe super Eltern."

Schon während der Schulzeit weiß Neele Vollmar, dass sie später einmal in den Filmbereich gehen möchte. Nach dem Abitur lernt sie in der Kamerawerkstatt in Hamburg alles über Blenden, Objektive und Filmmaterial, arbeitet danach zwei Jahre als Regieassistentin und beginnt schließlich ein Regiestudium an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg.

"Diese Zeit als Regieassistentin war so zum Erfahrungen sammeln ganz, ganz toll und wichtig. Aber es war dann irgendwann so, dass ich dachte, so, jetzt will ich selber loslegen. Und dann war ich eben in Ludwigsburg diese vier Jahre, was eine sehr, sehr schöne und intensive Zeit war. Und eigentlich mein gesamter Freundeskreis und meine engsten Mitmenschen sind jetzt alles Ludwigsburger."

Ihr melancholisch-heiterer Abschlussfilm "Urlaub vom Leben" handelt von einem Familienvater in der Midlife Crisis, der jeden Tag so tut, als würde er zur Arbeit gehen, obwohl er eine Woche Sonderurlaub zwangsverordnet bekommen hat. Produziert wurde der Film von ihrer damaligen Kommilitonin Caroline Daube, mit der sie vor drei Jahren in München die Royal Pony Film gegründet hat.

"Wir haben uns kennen gelernt und lieben gelernt und sind ein so gutes Team, dass wir gesagt haben, wir müssen unser Leben lang Filme zusammen machen und haben deswegen die Firma gegründet. Und es ist eine große Freundschaft geworden. Und wir planen ganz viele neue Sachen und sind, glaube ich, eine gute Kombination."

Trotzdem ist Neele Vollmar nach dem Studium nach Köln gezogen - der Liebe wegen, ihr Freund promoviert in Düsseldorf als Biologe. Um näher bei ihrer Produktionsfirma zu sein, ziehen die beiden nun nach München - und das, obwohl sie eigentlich ein Fan von Nordsee, Wind und Regen ist.

"Die Nordsee ist meine größte Beruhigung. Wenn es mir mal nicht gut geht, dann muss ich immer an die Nordsee fahren, einmal aufs Meer schauen und dann ist auch alles wieder gut."

Momentan bereitet die Regisseurin mit der Verfilmung von Jan Weilers Bestseller "Maria, ihm schmeckt’s nicht" schon den nächsten Familienkonflikt vor, diesmal einen deutsch-italienischen. Obwohl sie sich manchmal ein freies Wochenende wünscht, spricht sie voller Euphorie von ihrem Beruf, ihrer Leidenschaft.

In jedem ihrer Projekte sei so viel Lebenszeit, Herzblut und Liebe drin, sagt sie. Neben der Nordsee hat Neele Leana Vollmar noch eine weitere Leidenschaft, die ihr hilft, sich in stressigen Phasen zu erden.

"Ich esse total gerne. Mein Freund ist ein großartiger Hobbykoch. Hobbykoch klingt so schlimm, das ist ein furchtbares Wort, aber der kocht sehr toll und leidenschaftlich gerne, und so einfach abends zusammen in der Küche sitzen, ein Glas Wein trinken und unglaublich lecker essen, finde ich total super."