Event für einen Bürgerschreck

Von Regina Kusch · 12.08.2007
Der Student Fritz Teufel war eine Symbolfigur der 68er-Bewegung. Im Sommer 1967 wurde er nach Demonstrationen gegen den Deutschlandbesuch des Schahs von Persien festgenommen. Anfang August erhielt er einen begrenzten Freigang. Dies nutzten seine Anhänger zu einer großen Zusammenkunft am Berliner Kurfürstendamm.
Ein großes Happening an der Berliner Gedächtniskirche hatte die "Kommune I" angekündigt, um zu feiern, dass ihr Mitglied Fritz Teufel aus der Untersuchungshaft entlassen worden war. Viele Schaulustige waren gekommen, Touristen und Einheimische, um ein weiteres Spektakel der West-Berliner Spaß-Guerilla zu erleben, ein "Love in". So etwas hatte es in der Mauerstadt bisher noch nicht gegeben. Siegward Lönnendonker, Gründer des Archivs der Außerparlamentarischen Opposition an der Freien Universität, erinnert sich:

"‚Love in’ war ja nun was ganz Frisches, was man gehört hatte von den Hippies aus Amerika. ‚Love in’ hätte bedeutet, dass man in aller Öffentlichkeit den Liebesakt vollzogen hätte. Das war eine totale Überschätzung der eigenen Möglichkeiten. Andererseits hat es dem einen gewissen leicht schlüpfrigen Anstrich gegeben, wo man sagte: Ach, du lieber Gott, da gehen wir doch mal hin. Das Ganze wurde dann mehr nur ein Freudenfest, aber gut daran war natürlich, dass Fritz Teufel dort auftrat."

Fritz Teufel, eine der Kultfiguren der Außerparlamentarischen Opposition und Gründungsmitglied der Kommune I, war Bürgerschreck und Medienliebling. Auf der Demonstration gegen den Schah von Persien am 2. Juni 1967 hatte man ihn verhaftet, weil er einen Stein gegen Polizisten geworfen haben sollte. Teufels Verteidiger, Horst Mahler, hatte über 30 Entlastungszeugen aufgefahren. Zwei Polizisten waren Zeugen der Anklage. Teufel blieb erst einmal in U-Haft.

Am 9. August, bei der Trauerfeier für den ehemaligen Reichstagspräsidenten Paul Löbe, war es zu Störungen durch protestierende Studenten gekommen, die die Freilassung Teufels forderten. Dessen Anwalt drohte mit einem Anruf bei der Europäischen Kommission zum Schutz der Menschenrechte. Teufel erhielt Haftverschonung mit der Auflage, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden. Und am 12. August 1967 also nutzten rund tausend Studenten die Gelegenheit, wieder einmal zu provozieren.

Die Springerzeitung "Die Welt", die sich auf die Kommunarden eingeschossen hatte, bedauerte geradezu, dass die Polizei gegen diese, wie sie schrieb, "Gammlertypen" nicht vorgehen konnte. In ihrem Bericht hat die Polizei darauf hingewiesen, dass die Teilnehmer dieser zweifelhaften Volksbelustigung keinerlei aggressive Handlungen an den Tag legten. Sie hielten sich an das Vorbild vom braven Soldaten Schwejk, sichtlich bemüht, die Vertreter der Staatsgewalt lächerlich zu machen. Das wiederum musste von den Ordnungshütern sozusagen mit verschränkten Armen registriert werden. Fritz Teufel und seine Freunde hatten nie vorgehabt, gewalttätig zu werden, erzählt Siegward Lönnendonker:

"Dieses Fest war ein Ulk, der allerdings auch wieder eine ernste Wendung nahm. Jetzt wurde auf einmal in einem Stahlhelm Geld gesammelt, damit die Kommune den 13. August, den Tag des Mauerbaus, besser feiern könnte. Und das hat die Berliner natürlich aufgebracht."

Kaum in Freiheit, übermittelte Fritz Teufel durch die Presse eine Botschaft an Bürgermeister Pfarrer Heinrich Albertz:

"Für die mir erwiesene Gastfreundschaft danke ich dem scheinheiligen Vater, dem Regierenden Alptraum von Berlin. Aus Dankbarkeit empfehle ich ihn als nächsten Chef für unseren Staat. Auch er ist ein Heinrich-Lübke-Format."

Fritz Teufel hielt sich nicht an die Haftverschonungsauflagen und spielte Katz und Maus mit der Polizei, bis er bei einem Auftritt im Schöneberger Rathaus im September 1967 festgenommen wurde. Schließlich wurde er im Dezember freigesprochen. Im Interview mit dem SFB kommentierte er den Richterspruch:

"’Ich würde sagen, das ist ein Urteil, das zustande gekommen ist unter dem Druck der Öffentlichkeit und deswegen, weil die Justiz zu alt ist, zu senil, zu unfähig. Sie befindet sich auf dem Rückzug.’ – ’Sie haben jetzt nicht das Gefühl, gerecht behandelt worden zu sein?’ - ’Ich würde sagen, nach 148 Tagen Untersuchungshaft ist das eine dämliche Frage.’"

Immer wieder hatte Fritz Teufel während seines Prozesses das Gericht veralbert. Als der Vorsitzende ihn einmal aufforderte, sich zu erheben, anstatt Zeitung zu lesen, antwortete er:

"Wenn es der Wahrheitsfindung dient."

Mit seinen Spaßaktionen, da ist Siegward Lönnendonker sicher, hat Fritz Teufel entschieden dazu beigetragen, die Autoritäten zu erschüttern:

"Die haben eins geschafft, dass wir, die autoritär bis in die Knochen erzogen worden waren und, das muss ich gestehen, die immer diese Angst vor der Polizei, vor dem Gericht hatten, die steckte so in uns drin, dass die auf einmal sich auflösen konnte in einem herzlichen Lachen."