EU-Politiker fordert besseren Patentschutz

Moderation: Frank Capellan · 26.07.2006
Nach Ansicht des Europaparlamentariers Jorgo Chatzimarkakis nutzt China bei der Entwicklung neuer Technologien gezielt Gesetzeslücken im deutschen Patenrecht aus. Die aggressive Strategie der Chinesen bestehe darin, die Entwicklung von Technologien in Europa zu beobachten und selbst frühzeitig Patente dafür anzumelden, sagte der FDP-Politiker. Er forderte daher weltweite faire Patentregeln.
Capellan: Das Thema ist ein Dauerbrenner. Vor ein paar Wochen erst berieten die EU und die Vereinigten Staaten darüber, wie und ob man gemeinsam gegen Produktpiraten vorgehen kann, die Waren, Marken nachproduzieren und zu Billigpreisen auf den Markt werfen. Es geht dabei aber nicht nur um nachgemachte Bulgari-Handtaschen oder unechte Rolexuhren.

Es geht längst auch um das Abkupfern von Hochtechnologie. Bekanntestes Beispiel: die deutsche Magnetschwebebahn Transrapid. Die wurde zwar nach China verkauft und fährt inzwischen zwischen Flughafen und City in Shanghai. Die Verlängerung aber wollen die Chinesen lieber selber bauen. Das Knowhow dafür haben sie ja nun.

Die Europäische Union sucht immer noch nach Wegen, Hightech made in Europe besser zu schützen, bisher ohne großen Erfolg. Darüber möchte ich nun mit Jorgo Chatzimarkakis sprechen. Er ist FDP-Abgeordneter im Europäischen Parlament und unter anderem Mitglied im Ausschuss für Internationalen Handel. Guten Morgen!

Jorgo Chatzimarkakis: Guten Morgen, Herr Capellan!

Capellan: Liegt denn die größte Herausforderung wirklich in China?

Chatzimarkakis: Na, zunächst einmal gibt es ja auch schon Herausforderungen in der Vergangenheit. Zum Beispiel haben die Amerikaner ein ganz anderes Patentverständnis als wir Europäer. Wir nennen das ein nicht robustes Patent. Dort werden also Mausklicks, bestimmte Kombinationen von Mausklicks werden bereits als Patent angemeldet und das gefährdet natürlich auch schon europäische Unternehmen, die dann auf dem amerikanischen Markt mit Milliardenklagen zu rechnen haben.

Capellan: Erklären Sie mal kurz, Mausklicks, was haben wir uns darunter vorzustellen?

Chatzimarkakis: Ein robustes Patent, wie wir es in Europa verstehen, da stecken dann bestimmte Algorithmen dahinter, bestimmte Formeln, bestimmte Verbindungen, wirklich technische Neuheiten und technische, komplizierte Verbindungen, während in den USA man zum Beispiel das Einrichten eines Korbes auf dem Monitor in einem Softwareprogramm, bereits das Einrichten eines Korbes, in dem man dann einkaufen kann, man klickt dann einfach den Korb an, bereits das als Patent angemeldet werden kann. Das ist bei uns in Europa unmöglich.

Capellan: Bräuchten wir das?

Chatzimarkakis: Wir brauchen das nicht. Wir hatten vor kurzer Zeit im Europäischen Parlament eine heftige Debatte über das so genannte Softwarepatent, wo wir solche Möglichkeiten eben ausschließen wollten. Wir wollten dort regeln, dass man nur eine Software in Verbindung mit einer physischen Anwendung patentieren kann, zum Beispiel, dass der Airbag im Auto aufgrund eines Softwareprogramms auch aufgeht, physisch aufgeht. Das hätten wir in Europa, diesen Weg wären wir gegangen. Wir sind ihn nicht gegangen. Wir haben im Moment gar keine Regelung, weil es da doch ideologische Auseinandersetzungen gab, aber wir brauchen das nicht.

Wir in Europa sind eigentlich stolz auf die Robustheit unserer Patente und da droht genau die neue Gefahr, denn die Chinesen haben unser Patentrecht unser Europäisches, kontinentales, insbesondere das deutsche Patentrecht kopiert. Der Chef der Patentbehörde in China hat in Deutschland studiert, spricht fließend Deutsch und hat sich eben dieses deutsche, robuste Patent zur Grundlage genommen.

Capellan: Und was bedeutet das nun? Also die Chinesen, ich sage das mal etwas lapidar, etwas laps, die melden geklautes Knowhow ihrerseits als Patent an?

Chatzimarkakis: Zunächst einmal muss man sich ja freuen, dass die Chinesen anfangen eine Patentkultur zu entwickeln, dass ist zunächst einmal etwas Positives, weil man davon ausgehen kann, dass sie jetzt selber so viele eigene Erfindungen haben, die sie schützen möchten, dass sie eine eigene Patentkultur entwickeln und damit auch andere Patente, europäische Patente verstehen und auch schützen, selber schützen, also selber nicht klauen.

Das Problem ist aber ein anderes. Die Chinesen haben eine aggressive Kultur dabei entwickelt. Sie haben nicht nur ein eigenes Patent, auf der Basis unseres europäischen, sondern sie gehen auch hin und nützen unsere eigenen Gesetzeslücken aus. Ich habe gerade schon vom Softwarepatent gesprochen, das es nicht gibt. Sie gehen hin und schauen sich europäische Patente an oder die Entwicklung zu Patenten und gehen früh hin und melden ein chinesisches Patent an und zwar nur in chinesischer Sprache. Damit blockieren sie auf viele, viele Jahre den Markt.

Beim Transrapid, sie haben das Beispiel genannt, ist es ein wenig so gelaufen, dort hat man ein Europäisches Modell genommen. Im Grunde fehlen von den 32 Patenten, die der Transrapid hat, den Chinesen nur drei. Alle anderen haben sie schon in chinesische Patente leicht abgewandelt, aber dann doch umgewandelt, so dass wir mit einem neuen Produkt nicht auf den chinesischen Markt könnten.

Capellan: Wird das jetzt so weitergehen? Droht Ähnliches wie beim Transrapid jetzt möglicherweise auch beim Airbus?

Chatzimarkakis: Ja. Die Chinesen haben also eine ganz klare Strategie ausgegeben, dass die nächste Technologie, in der sie uns nachahmen wollen, in die sie einsteigen wollen, die Luft- und Raumfahrt ist. Bei der Raumfahrt haben wir sie schon beteiligt. Bei Galileo sind die Chinesen mit an Bord. Da waren wir auch ein bisschen fahrlässig und leichtsinnig, muss ich ganz klar sagen. Da haben wir sie für 0,5 Prozent der Gesamtsumme beteiligt an Galileo, dem neuen Satellitenbeobachtungssystem der Europäer.

Wir müssen halt aufpassen. Unser Europäisches Patentrecht leidet ja selber unter vielen Macken. Wir haben kein Europäisches Patent, was wir schon seit Jahren fordern, da gibt es einen Sprachenstreit. Und wenn das europäische Patentamt davon ausgeht, dass die Chinesen uns in fünf Jahren überholt haben werden, bei der der Anmeldung von Patenten, also bei der Anzahl von Patenten, wenn das europäische Patentamt Recht hat mit seiner Prognose, wovon ich ausgehe, dann müssen wir uns selber andere Strategien überlegen.

Ich selber bin ein großer Chinafreund. Mir geht es da gar nicht darum den Chinesen Böses zu wollen, nur: wir müssen faire Regeln einrichten und dazu gehört es zunächst einmal, die chinesischen Strukturen, die chinesischen Patente zu verstehen, also dass man die chinesischen Patente ins Englische zum Beispiel übersetzt, damit wir verstehen, wo haben die ihren Markt schon blockiert. Da hat die Europäische Union etwas Positives gemacht. Sie hat seit dem 1. Mai einen Patentbeauftragten in Peking installiert, das ist ein deutscher Rechtsanwalt oder Patentanwalt, der Chinesisch fließend spricht, weil er viele Jahre da gelebt hat. Christian Patloch heißt er und der kuckt sich schon mal diesen Markt genau an, das ist schon mal ein erster, erster Schritt.

Capellan: Also da wird sich sicherlich Einiges tun, das glauben Sie schon, in den nächsten Wochen und Monaten?

Chatzimarkakis: Ja, da bin ich ganz sicher, dass wir Europäer uns das ganz genau anschauen und dass sich da was tut. Wir müssen aber auch nachziehen. Wir müssen unser Europäisches Patent, wenn es denn nicht kommt, dann wenigstens abfedern. Es gibt zwei Möglichkeiten. Es gibt das so genannte Londoner Übereinkommen, wo wir anerkennen würden, dass ein Patent nicht in jede Sprache übersetzt wird.

Capellan: Herr Chatzimarkakis uns läuft die Zeit davon, also Sie glauben da wird sich einiges tun in der nächsten Zeit. Jorgo Chatzimarkakis war das, FDP-Abgeordneter im Europaparlament über Änderungen beim Europäischen Patentrecht.