"Es muss gehandelt werden auf internationaler Ebene"

Artur Runge-Metzger im Gespräch mit Marcus Pindur · 09.06.2011
Der Leiter der internationalen Klimaverhandlungen der EU-Kommission, Artur Runge-Metzger, zeigt sich besorgt angesichts des globalen Anstiegs der CO2-Emissionen. Er sieht vor allem die Schwellenländer in der Verantwortung.
Marcus Pindur: Das Klima könnte mehr leiden, als den Klimaschützern lieb ist. Die neue UN-Klimavereinbarung soll ja das Kyotoprotokoll ablösen, das 2012, also im nächsten Jahr ausläuft. Ob bis dahin allerdings eine Einigung auf dem Tisch liegt, das ist mehr als unklar. Derzeit wird in Bonn verhandelt, diese Bonner Konferenz bereitet den Klimagipfel in Durban vor, und ich begrüße jetzt Artur Runge-Metzger. Er ist der Leiter der Verhandlungsdelegation der Europäischen Kommission für die Klimaschutzverhandlungen. Guten Morgen, Herr Runge-Metzger!

Artur Runge-Metzger: Guten Morgen!

Pindur: Vor zwei Jahren hieß es ja, die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise mit dem Einbruch der industriellen Produktion würde das Klima entlasten. Das war aber offensichtlich nur vorübergehend der Fall. Die UN-Klimasekretärin sagt jetzt schon, ein bruchloser Übergang zu einem neuen Klimaschutzabkommen könne gar nicht mehr erreicht werden, viele andere sagen, die Klimaziele insgesamt können nicht mehr erreicht werden. Glauben Sie denn noch daran?

Runge-Metzger: Ich glaube noch daran, dass wir die Klimaziele erreichen können. Was den bruchlosen Übergang anbetrifft, glaube ich auch, dass wir im Grunde genommen de facto einen bruchlosen Übergang kriegen, auch wenn wir ihn, sagen wir mal de jure nicht hinbekommen könnten.

Pindur: Was heißt das?

Runge-Metzger: Das heißt, wenn Sie sich zum Beispiel Europa anschauen: Wir haben unser Klima- und Energiepaket schon vor einigen Jahren verabschiedet, und das setzt Ziele fest bis zum Jahr 2020. Damit gibt es keinen Bruch im Jahre 2013. Hinzu kommt, dass wir in Cancún Angebote, Verpflichtungen von vielen Staaten vorgelegt bekommen haben, die bis zum Jahre 2020 gelten werden. Die sind natürlich nicht in einem legal verbindlichen Abkommen, aber politisch sind sie verbindlich, unseres Erachtens.

Pindur: Von der Internationalen Energieagentur hieß es jetzt aber am Anfang der Woche, die CO2-Emissionen seien weltweit auf ein Rekordhoch gestiegen und auf ein Niveau, das eigentlich erst 2020 erreicht werden solle. Die Regierungen hätten weltweit am Klimaschutz das Interesse verloren. Denken Sie auch, dass das der Fall ist?

Runge-Metzger: Wir sehen natürlich mit großer Besorgnis, dass die CO2-Emissionen global weiter ansteigen. Ich meine, das ist vor dem Hintergrund, dass die europäischen Emissionen seit 1990 kontinuierlich runtergegangen sind. Die Staaten außerhalb von Europa haben da eine große Verantwortung, insbesondere die Schwellenländer, die in den vergangenen Jahren wirtschaftlich ordentlich zugelegt haben. Und da sind eigentlich die Knackpunkte, wo man ansetzen muss, um diesen Anstieg zu begrenzen und später dann auch umzukehren.

Pindur: Der Konflikt mit den Schwellenländern, der ist ja schon ziemlich alt. Die sagen, pro Kopf habt ihr einen viel, viel höheren Energie- und CO2-Ausstoß als wir, ihr macht schon seit hundert Jahren Industriepolitik, wir ziehen da gerade erst nach. Was kann man denn den Schwellenländern anbieten, China und Indien zum Beispiel, damit sie mehr Entgegenkommen zeigen?

Runge-Metzger: Ich meine, es ist in unser aller Interesse, die Emissionen zu begrenzen und zu reduzieren, global, weil die Auswirkungen des Klimawandels natürlich alle unsere Nationen betreffen. Und ich glaube, das hat auch zu dem Wandel in der Haltung der Schwellenländer beigetragen, die jetzt tatsächlich angefangen haben, Klimaprogramme aufzusetzen. Aber das dauert natürlich ein Weilchen, bis die auch tatsächlich Wirkung zeigen. Wenn man sich den chinesischen Fünfjahresplan anschaut, da ist ganz klar eine Klimapolitik mit integriert, aber die greift natürlich heute noch nicht, die greift erst in den nächsten Jahren.

Pindur: Indien zum Beispiel setzt auf Atomkraftwerke, es baut das größte Atomkraftwerk der Welt, Deutschland setzt eben auf erneuerbare Energien, aber die sind natürlich jetzt noch nicht verfügbar. Der Chefökonom der Internationalen Energieagentur sagt, der deutsche Atomausstieg wird erst mal zwangsläufig unsere CO2-Bilanz hochtreiben. Das stärkt ja nicht gerade unsere Verhandlungsposition?

Runge-Metzger: Das muss man sehen, inwieweit Deutschland diesen Übergang bewältigen wird und was anstelle der Atomkraft treten wird. Es gibt als Alternativen die regenerativen, die alternativen Energien, aber es gibt natürlich auch die Möglichkeit der Verklappung von CO2 aus Kohlekraftwerken, weil man da schneller voranschreitet. Dann kann das die Klimabilanz entlasten. Zudem die Möglichkeit, Projekte zur Reduktion von Emissionen in anderen Bereichen durchzuführen, um einen Ausgleich zu schaffen. Es gibt da mehrere Ansatzpunkte, um dieses Problem in den Griff zu bekommen.

Pindur: An mehreren Ansatzpunkten geht die Internationale Energieagentur ja auch vor. Sie hält einen Energiemix für sinnvoll, der schließt aber auch die Kernenergie ein. Ist das eine unverhohlene Kritik an Deutschland?

Runge-Metzger: Ich glaube, dass die Prognosen der Internationalen Energieagentur die Souveränität der einzelnen Staaten beachtet, was den Energiemix anbetrifft. Und es gibt viele Staaten auch in Europa, die der Kernenergie auch positiv gegenüberstehen, wie Frankreich, aber auch Polen und andere Staaten, die das auch in Zukunft weiter ausbauen wollen. Ich glaube, das liegt diesen Prognosen zugrunde.

Pindur: Zum Schluss noch die Frage: Ist eine Begrenzung der Erderwärmung auf einen Anstieg um zwei Grad, wie es mal avisiert worden ist, überhaupt noch möglich angesichts dieser gestiegenen CO2-Werte?

Runge-Metzger: Das ist langfristig sicherlich noch möglich, aber es kann durchaus sein, dass wir auch mal zeitweise die zwei Grad überschreiten werden. Aber es ist richtig, dass das Fenster der Möglichkeiten sich allmählich schließt. Es muss gehandelt werden auf internationaler Ebene und es müssen Fortschritte gemacht werden bei den internationalen Klimaverhandlungen, das ist ganz klar.

Pindur: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Runge-Metzger: Bitte schön!

Pindur: Artur Runge-Metzger, Leiter der Verhandlungsdelegation der Europäischen Kommission für die Klimaschutzverhandlungen.
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