Erstes Festival für Geruchskunst

Von nasser Hund bis Plastik

Diese Maschine mit dem Namen "Smeller " soll Gerüche erfahrbar machen.
Der "Smeller " soll Gerüche erfahrbar machen © osmodrama.com
Von Claudia Wheeler |
Der Traum, Geruch in der Kunst nutzbar zu machen, ist bereits alt. Mit der Eröffnung der Osmodrama, dem ersten Festival für Geruchskunst in Berlin, ist man dem einen Schritt näher gekommen. Herz des Festivals ist Wolfgang Georgsdorfs "Smeller".
Ein Zelt aus weißer Fallschirmseide ist im Kirchenraum aufgestellt, Stuhlreihen stehen hintereinander wie in einem Theater. Aus einer löchrigen Wand ragen in der Mitte dicke Rohre in den Raum hinein.
Das Licht wird gedimmt - und dann sehen wir ihn, den "Smeller": Wie eine riesige Krake mit ineinander verschlungenen Armen steht er hinter dieser löchrigen Wand. Und dann beginnt, nicht die Symphonie, sondern die Symnosie mit dem Titel "Autocomplete", eine 54-minütige Geruchsreise, komponiert von Wolfgang Georgsdorf:
"Das Wort kennen wir vom Handy oder vom Computer, von der E-Mail - das Selbstkompletierende. Das ist das, was in unserem Kopf passiert, wenn wir einen Geruch und noch einen zusammen erleben, dann fängt unser Gedächtnis und unsere Erinnerung an zu komplettieren, was da noch dazugehört. Wir suchen, und komplettieren das was, uns fehlt, während wir riechen."

"Uns fehlt ein Geräusch oder eine Orientierung"

Die Krake bläst fast geräuschlos verschiedene Geruchssequenzen in den Raum, elektronisch gesteuert, präzise, ohne dass sich die Gerüche vermischen. Sie kommen und gehen wie Bilder oder Töne, im 10-Sekunden-Takt. Wir sitzen da und riechen – ganz bewusst.
Versuchen die Gerüche zu entziffern, zu beschreiben: Nasser Lappen. Pferdestall. Kaffee ganz deutlich. Käse oder Hundescheiße? Irgendwie blumig, frisch… vielleicht Gras?
"Sie waren nicht einfach zu definieren", sagt eine Besucherin.
Wolfgang Georgsdorf:
"Uns fehlt ein Geräusch oder eine Orientierung, die uns sagt, was es ist. Uns fehlt ein Wort, das wir bräuchten, um zu sagen, wie es ist. Manchmal sagen wir, wir kennen es, wir wissen, es ist angenehm oder es ist unangenehm, wir wissen sofort, wie wir uns dazu verhalten, aber wir können es nicht nennen - obwohl es ganz vertraut ist. Wir wissen einfach nicht, wie wir es nennen sollen."

Mehr als eine technische Spielerei?

Wolfgang Georgsdorf hat gemeinsam mit dem Parfümeur Geza Schön 64 Geruchskomponenten gemischt, die sich beliebig kombinieren lassen. Von nasser Hund über brackige Pfütze bis Plastik lassen sich unzählige Gerüche erzeugen. Doch nicht alles ist möglich. Geza Schön: "Haut. Haut ist zu schwach."
Doch ist das alles mehr als nur eine technische Spielerei? Auf dem Festival Osmodrama wird auch der Film "Die andere Heimat" von Edgar Reiz gezeigt, begleitet von Gerüchen. Wollen wir einen Film oder ein Musikstück wirklich riechen. Aber Wolfgang Georgsdorf interessiert keine 1:1-Übersetzung - schließlich ist er Künstler. Wolfgang Georgsdorf:
"Wir können kontrapunktisch arbeiten - wie wir das auch in der Kunst tun. Dass wir nicht die linearen Erwartungen erfüllen. Dass wir überraschen, dass wir irritieren."
Wir brauchen also keine Angst zu haben, dass wir in ferner Zunft im Museum alle Bilder auch riechen werden. Letztlich geht es Wolfgang Georgsdorf darum, unseren Geruchssinn wieder zu beleben, und im besten Fall mit Gerüchen Geschichten zu erzählen – auch wenn er weiß, dass seine Symnosie eine große Herausforderung ist:
"Es passiert eigentlich nicht viel und trotzdem malen wir große Bilder hinter die Augen - und nicht vor die Augen. Jetzt habe ich natürlich in der ganzen Purheit dieser Symnosie darauf gesetzt, dass dies mit uns hier erleben ihre Erfahrungen machen mit dem, was eigentlich ein Ziel wäre: Nämlich nur mit Gerüchen alleine, so wie wir es nur mit Tönen alleine und nur mit Bildern alleine machen, einfach auch mit Gerüchen veranstalten. Es ist als ob wir beginnen, den Gerüchen laufen zu lernen - so wie es eine Zeit gab, als die Bilder laufen lernten."
Das Osmodrama Festival Berlin findet vom 15. Juli bis zum 18. September 2016 statt.
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