Erde aus dem Terra-Preta-Klo

Urban-Gardening mit wundersam fruchtbarem Humus

Anzuchttöpfe aus Zellulose liegen auf Anzuchterde in einem Garten am 30.03.2016 in Sieversdorf in Brandenburg.
Fermentation ist das Zauberwort, wenn es darum geht, Pflanzenerde fruchtbarer zu machen. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Jürgen Stratmann · 10.03.2018
An der Tiny-House-University in Berlin werden Ideen für die Stadt von morgen erprobt. So können die Bewohner von Minihäusern die Erde für ihren Garten selbst produzieren: nach einem uralten Rezept verschwundener Völker mit der Terra-Preta-Toilette.
Tief im Innern des Amazonas-Regenwaldes schlummerte lange ein Geheimnis: Terra Preta! Tiefschwarze, wundersam fruchtbare Erde, die es dort, wo ständig wiederkehrendes Hochwasser des Amazonas jeden Boden auswäscht, verschlammt, abtötet, eigentlich gar nicht geben dürfte! Sagt der Geo-Ökologe Marko Heckel, außerdem:
"Das ist alles so feucht und warm, dass sich Humus, alles Organische sofort abbaut - und plötzlich findet man da viele Meter mächtige Schwarz-Erde-Böden!
Ich bin da über Böden gelaufen, die haben sich angefühlt wie Torf. Das geht eigentlich gar nicht! Und eines der Geheimnisse, die man da mit der Forschung rausgefunden hat, ist, dass da auf jedem Quadratmeter drei bis fünf Kilogramm Holzkohle zu finden sind – und nicht nur Holzkohle, man kann auch alle mögliche Küchenabfälle nachweisen - und menschliche Fäkalien."

Ein Rezept untergegangener Hochkulturen

Sprich: Untergegangene Hochkulturen im Amazonas-Gebiet haben sich großflächig landwirtschaftlich nutzbaren Humus gezielt selbst zusammengemischt, aus – wie gesagt - erstens: eigens dafür produzierter Holzkohle.
Ganz wichtig, denn, so Marko Heckel:
"Holzkohle bindet Wasser, bindet Nährstoffe, das Spannende ist aber: Durch Verkohlung baut sich die nicht ab. Denn jedes Stück Holzkohle ist ein chaotisch vernetztes Molekül – wie ein Diamant. Das schaffen die Mikro-Organismen nicht abzubauen."
Und zweitens besteht diese menschengemachte Wundererde aus Abfällen und Fäkalien. Beides fällt bei Bewohnern selbst kleinster Behausungen auch in modernen Großstädten an.
Und wenn so eine Behausung, wie ein auf einen Anhänger montiertes Tiny-House, das – heute hier, morgen dort, weder an die städtische Müll- noch Abwasserentsorgung angeschlossen ist – liegt es doch nahe: Aus der Not eine Tugend und im hauseigenen Terra-Preta-Kompost-Klo gute, fruchtbare, duftende Erde zu machen.
Ein Tiny-House auf dem Gelände des Bauhaus-Archivs.
Ein Tiny-House auf dem Gelände des Bauhaus-Archivs.© picture alliance / dpa / Paul Zinken

In der Tiny-House-University erprobt

Und genau das wurde in der Tiny-House-University, kurz Tiny-U, auf dem Gelände des Bauhaus-Archivs in Berlin-Tiergarten erfolgreich erprobt. Auch, weil für Tiny-House-Bewohner das, so sagt es Marko Heckel, "Aus-Scheiße-Gold-machen…" Prinzip.
Also jede Ressource optimal zu nutzen. Grundlegend sei, erklärt mir Amelie Salameh, Tiny-U-Terra-Preta-Expertin:
"Man denkt die Systeme auch ein bisschen klüger im Tiny-House: Wie nutze ich den Raum, wie kann ich ökologisch sein, und da hört es bei der Toilette nicht auf: Wie können wir das meiste aus der Toilette rausholen. Und da gibt es nichts Besseres als die Terra-Preta-Toilette."
Ich treffe Amelie Salameh in einem zehn Quadratmeter großen, 3,20 Meter hohen, hölzernen Küche-Bad-Schlafzimmer-Wohnanhänger mit Pflanzkästen auf den Fensterbänken, der darum auch "Holy-Food-House" heißt.
Amelie Salameh: "Im Sommer haben wir hier unsere Kräuter und Tomaten. Wir benutzen die Erde für unsere Pflanzen und die ist auch so reichhaltig, die ist besser als Blumenerde aus dem Baumarkt. Wir haben gemerkt, dass die Pflanzen superschnell wachsen."

Denken in der Kreislaufwirtschaft

Kräuter und Tomaten, gewachsen – um es noch mal deutlich zu sagen – in Erde aus dem "Holy-Foods-House-Klo" – sie nennen es:
"In Kreislaufwirtschaft denken. Da ist der Gedanke dabei: Wenn ich was produziere, wie hole ich das wieder zurück. Da ist auch der Recycling-Gedanke dabei."
Da gehe es letztlich auch um Freiheit.
Amelie Salameh: "Wir stellen uns überall hin. Wir sind komplett autark. Mit unseren Kreislaufsystemen."
Kreislaufsystem und Recycling? Da mag man denken: Irgendwo hört es auch auf, und klar:
"Viele Leute finden, es ist so eklig, gerade Jüngere."
Ist es aber tatsächlich nicht, zumindest die Toilette selbst sieht erst mal wie eine gewöhnliche Campingtoilette aus.
Amelie Salameh: "Mit einem Standard-Toiletten-Sitz und wie du vielleicht auch siehst, das stinkt auch gar nicht."
Was man nicht sieht:
"Wir haben eine Trocken-Trenn-Toilette, wo die Fäkalien vom Urin getrennt werden, in zwei unterschiedliche Behälter kommt das dann rein. Den Urin kann man als Dünger benutzen, dann kann man die Fäkalien fermentieren, und dieser Fermentierungsprozess ist sehr wichtig. Denn dadurch wird es sehr viel reichhaltiger."
Fermentieren ist das Zauberwort, was erklärt, warum die ganze Sache nicht fault und stinkt: Der ganze Shit wird, nach erledigtem Geschäft, nach indianischem Terra-Preta-Rezept zunächst mit Holzspänen und- Holzkohle abgedeckt.
Amelie Salameh: "Das einfach drüber, und das war es dann auch schon."
«Loolaboo - The terra preta toilet» von Sabine Schober, Triften Design Studio (2012) und Ralf Otterpohl, Institut für Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz, TU Hamburg, wird am 25.11.2016 in der Ausstellung «Scham. 100 Gründe rot zu werden» im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden (Sachsen) gezeigt...
Terra-Preta-Klo als Ausstellungsobjekt: "Loolaboo - The terra preta toilet" von Sabine Schober im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden© picture alliance/dpa/Arno Burgi

Die Fermentierung in Gang bringen

Und wenn der Toilettenbehälter irgendwann voll ist– man kann einfach irgendeinen Eimer mit Deckel nehmen - wird die ganze Pracht dann mit sogenannten effektiven Mikro-Organismen - kurz "EM" geimpft und luftdicht verschlossen.
Marko Heckel: "Und dann kommt die Fermentierung in Gang!
Marko Heckel verkauft mit seiner Firma Tria-Terra solche EM-Fermentierungs-Starter-Kulturen. Könne aber jeder auch selber machen, EM sei das gleiche wie:
"Sauerkrautsaft. Wir machen aus Scheiße Sauerkraut."
Das Gemisch hat sich dann nach zwei Monaten in begehrte Terra Preta verwandelt – in die man dann…
Marko Heckel: "In Blumentöpfen oder Bäckerkisten gleich Früchte und Gemüse usw. reinsetzt."
Und durch damit bepflanzte Tiny Houses könnte man dann, so wie Amazonas-Völker sich einst karge Böden als neuen Lebensraum erschlossen, jeden Parkplatz in eine Anbaufläche verwandeln.
Amelie Salameh: "Ja genau. Man kann seinen eigenen Garten immer mit sich tragen."
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