Emmerich: "Der Film ist mir persönlich sehr wichtig"

Moderation: Nana Brink · 18.10.2007
Für Filmemacher Roland Emmerich war "Trade - Willkommen in Amerika" auch aus persönlicher Sicht sehr wichtig. Er hoffe, damit etwas bewegen zu können. Regisseur Marco Kreuzpaintner verwies darauf, dass weltweit rund zwölf Millionen Menschen in der Sklaverei lebten.
Nana Brink: Marco Kreuzpaintner, "Trade – Willkommen in Amerika" ist Ihre erste Hollywoodproduktion. Warum ausgerechnet so ein brisanter Stoff, Menschenhandel? Es ist schwere Kost.

Marco Kreuzpaintner: Ja. Es ist ja nicht so, dass man als Filmemacher hergeht und sagt, so, jetzt mach ich mal einen Film über Menschenhandel, sondern in dem Fall war es ja so, dass ein Drehbuch bereits da war, und als Regisseur interessiert einen ja nur, wenn man ein Drehbuch liest, interessiert mich das erst mal, kann ich da was dazu erzählen und ist das spannend, interessiert das? Welche Bilder kommen in einem hoch? Natürlich sucht man dann immer so in sich auch, was kann ich jetzt dazu bringen. In dem Fall war es einfach, es sind junge Schauspieler, das fand ich gut, weil ich glaube, mit seinen Figuren sollte man immer so ein bisschen wachsen. Der Lateinamerika-Bezug, den fand ich gut. Ich war viel in Brasilien unterwegs vorher. Mexiko und Brasilien sind jetzt zwei unterschiedliche Länder, aber unterscheiden sich jetzt sagen wir mal so von der Familienstruktur nicht so besonders. Es ist auch eine patriarchisch dominierte Familienstruktur, wo oftmals die Väter nicht mehr da sind, die Mütter eine große Rolle spielen. Ich kannte so ein bisschen das Milieu. Es geht ja alles zurück auf einen Artikel in der "New York Times" von einem berühmten amerikanischen Investigations-Journalisten, Peter Landesmann heißt der. Und ich fand das verstörend, aber ich fand es auch aufregend und ich fand die Geschichte einfach unglaublich bewegend.

Brink: Roland Emmerich, warum haben Sie denn diesen Stoff abgegeben? Sie haben ja eigenes Geld auch reingesteckt, das heißt, Sie waren sehr fasziniert, sehr begeistert von dem Stoff, und dann haben Sie ihn aus der Hand gegeben?

Roland Emmerich: Ja, das ist immer schwierig, bei dem Stoff ganz besonders. Ich habe halt irgendwann mal diesen Artikel gekauft, der mich tief bewegt hat, und habe aber an diesem Drehbuch gearbeitet, und es war einfach ein gutes Drehbuch. Aber ich hatte schon zwei oder drei Jahre an einem anderen Drehbuch gearbeitet, was mich auch fasziniert hat. Und es war halt einfach so, manchmal, wie der Zufall das so will, wir haben plötzlich die Finanzierung zusammenbekommen von Sony Pictures, und die haben gesagt, wir wollen den Film sofort machen. Da war ich dann halt in der Zwickmühle, weil ich wusste, dass das ein aktuelles Thema ist, und ich wollte nicht, dass dieser Film jetzt rumliegt für eineinhalb Jahre. Und dadurch, dass er so eine emotionale Reaktion hatte auf das Drehbuch und ich seinen Film "Sommersturm" wirklich sehr, sehr mochte, habe ich gedacht, das passt doch total. Und ich habe auch schon irgendwie ganz bewusst gedacht, das muss ein deutscher Regisseur und muss ein europäischer Regisseur sein.

Brink: Sie haben selber Geld in diesen Film investiert, der ist ja nicht Mainstream. Ist das nicht ein Risiko, wenn man sich auf diesem Markt, US-Filmmarkt bewegt?

Emmerich: Ja klar ist das ein Risiko, aber zum Glück habe ich ja nicht den ganzen Film finanzieren müssen, ich musste ja nur noch ein bisschen dazugeben. Aber ich will da gar nicht irgendwie so großen Wind drumrum machen, weil das ist ein wichtiger Film, der ist mir persönlich sehr wichtig. Und ich glaube, mit Filmen kann man halt doch mehr bewegen, als wenn man jetzt sagen wir mal eine Dokumentation macht. Da habe ich mir so gedacht und gesagt, ich bin Filmemacher und ich sollte irgendwie etwas tun mit meinem Job, um irgendetwas zu bewirken.

Brink: War es schwer, mit diesem Stoff umzugehen in Amerika, mit diesem Stoff, der ja ein bisschen auch am amerikanischen Selbstbewusstsein rührt? Er geht ja tief in die amerikanische Mittelklasse hinein, Menschenhandel, die Täter sitzen hinter schönen Gardinen in Mittelstandshäusern.

Emmerich: Ja, ist sehr schwierig. Ich meine, wir haben das gemerkt, als wir den Film finanziert haben. Im Prinzip will Amerika so einen Film gar nicht haben, also Hollywood. Das war so ein bisschen das Problem bei der Finanzierung, deswegen musste ich eigenes Geld reintun. Aber ich bin auch irgendwie richtig stolz drauf, dass wir das geschafft haben, weil viele Leute hätten halt irgendwie aufgegeben, einfach aufgegeben, weil es so schwierig ist. Und jetzt bin ich wirklich stolz, dass wir es gemacht haben.

Brink: Der Film ist ja schon angelaufen in den USA. Was sind die Reaktionen? Gab es Gegenwind, Proteste?

Emmerich: Oh ja, es gab genau die gleiche Kontroverse, die es damals gab, als der Artikel rausgekommen ist. Es ist ja in Amerika immer erst mal alles … die Fakten werden infrage gestellt, das ist immer so eine ganz einfache Methode eigentlich. Es wird erst mal so versucht zu sagen, das stimmt ja alles gar nicht. Und in dem Falle war das sehr seltsam, weil wir waren unterstützt worden von der UN, wir haben die Premiere in der UN gemacht. Wir haben viele Organisationen wie auch hier in Deutschland hinter uns gehabt, die natürlich alle gewusst haben, dass die Dinge, die wir beschreiben, noch sehr viel schlimmer sind. Und es tut ein bisschen weh, wenn man dann so "excused" wird, dass man irgendwie ein Thema "exploited".

Brink: Also ausbeutet.

Emmerich: Ausbeutet, ja. Und ich denke mir halt so, warum sagen die das nicht über diese ganzen brutalen Horrorfilme, die sind wirklich ausbeutend.

Brink: Was hat Sie an dem Thema dann doch noch, als Sie sich näher damit beschäftigt haben, was hat Sie dann letztendlich so gefangen, dass es doch so eine unendliche Zahl ist? Man ist ja ein bisschen erschüttert, als man dann die Zahl am Ende des Films liest, über eine Million.

Kreuzpaintner: Es sind ja sogar noch mehr, das ist ja nur die jährliche Anzahl. Man geht ja momentan davon aus, dass zwölf Millionen Menschen in der Sklaverei sind weltweit. Es sind mehr Menschen, als jemals in der Geschichte der Menschheit zuvor, die amerikanische Sklaverei mit eingenommen. Was aber unerhört war und ganz außergewöhnlich, und da haben wir ja öfters drüber gesprochen auch, ist die Tatsache, dass Leute übers Internet versteigert werden. Das fand ich unerhört, wirklich, davon hatte ich keine Ahnung, dass es das gibt. Aber eigentlich ja klar, es gibt im Internet nichts, was es nicht gibt, und irgendwie bringt das Internet mit die schlimmsten Seiten eigentlich der Menschen raus.

Emmerich: … weil es auch so anonym ist. Ich meine, Internet bringt eigentlich so die besten Seiten von der Gesellschaft zum Vorschein, aber auch die schlimmsten. Kontaktaufnahme ist ja eigentlich was Tolles, aber auf der anderen Seite ist es halt auch was Schlechtes, weil viele schlimmen Leute können halt noch schlimmer sein, weil sie fast nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden.

Brink: Das macht es auch wahrscheinlich so schwierig, dann darauf überhaupt eine Antwort zu finden oder was kann man denn dagegen tun?

Kreuzpaintner: Was wir heute gelernt haben von den Hilfsorganisationen, ist die Tatsache, dass natürlich auch viele Opfer gar nie als Opfer sozusagen registriert werden können. Wieso? Weil viele Kinder oder junge Frauen oder auch junge Männer, die in diesen Menschenhandel verstrickt werden oder gekidnappt werden, die gibt es auf dem Papier gar nicht, die haben noch nicht mal Geburtsurkunden. Also gerade aus den ärmeren Ländern. Das macht es unglaublich schwer. Ansonsten, was man tun kann, die Frage, wir können sie nicht beantworten, was man tun kann. Man kann erst mal nur ein Bewusstsein dafür schaffen. Und eine Sache, worauf wir ganz stolz sind, ist, dass wir es geschafft haben mit "Trade", und das ist eigentlich unglaublich, wenn man das hört, dass wir die Gesetze im Bundesstaat New York, dass wir da mitgeholfen haben, dass Bürgermeister Blumberg endlich die Gesetze ändern konnte und ein Anti-Trafficking-Gesetz in New York auf den Weg bringen konnte. Und er hat eine Pressemeldung vor zwei Wochen rausgegeben, wo er sagt, er konnte also wochenlang, monatelang keine Mehrheiten gewinnen im Senat, um dieses Ding anzugehen. Und dann hat er unseren Film "Trade" dem Senat gezeigt und hat das Gesetz durchgekriegt und war deswegen so froh, dass er das also auch öffentlich bekanntgegeben hat und den Monat September zum "anti-trafficking month" in New York erklärt hat.

Brink: Macht einen das stolz? Schon, oder?

Emmerich: Ja, klar. Ich war total stolz auf Marco, als er in der UN-Premiere eine Standing Ovations bekommen hat, das war super.

Brink: Sie haben die Rolle der Opfer angesprochen, also viele sind namenlos. In dem Film haben sie ja einen Namen, die beiden Mädchen, die verschleppt werden. Interessant fand ich, dass die beiden Mädchen Opfer sind, aber eigentlich sich nicht unbedingt als Opfer fühlen, sondern sich ja auch wehren. War Ihnen das wichtig?

Kreuzpaintner: Sehr wichtig, weil ich glaube, wenn man als Filmemacher hergeht und jetzt, also gerade als Mann noch dazu, das ist schon mit ein Aspekt, wenn man diesen Film macht, dann kann man jetzt nicht diese Frauen, die ja Opfer durch das, was ihnen geschieht, sind, kann man nicht als Filmemacher noch mal zum Opfer machen und sie ein zweites Mal ausbeuten, dadurch, dass wir uns jetzt weiden, wie sie sich dem hingeben. Sondern wir wollten starke Frauenfiguren haben und sagen, zwei Figuren, die das nicht mit sich machen lassen wollen, also wenn man da jetzt hergeht und sozusagen von außen das Ganze betrachtet und nicht die Geschichte aus der Opfersicht erzählt, dann glaube ich, wäre es schwieriger mit der Thematik. Und da war ich so froh, die Meryl Streep hat uns da so ein tolles Kompliment gemacht dazu und hat zu mir gesagt, weißt du, es gibt 999 Möglichkeiten, den Film falsch zu machen, und ihr habt die einzige gefunden, ihn richtig zu machen. Und das freut einen dann natürlich, wenn man das gerade von so einer Person hört.