Probleme lösen wie Elon Musk?

Demokratie und Gutsherrenart vertragen sich nicht

Ein Mann im Frack hat die Arme nach oben gestreckt.
Bekannte Pose von Elon Musk. Ein Milliardär mit scheinbar unerschütterlichem Ego. © IMAGO/MediaPunch
Ein Kommentar von Timo Rieg · 17.05.2022
Ob Tesla oder Twitter – wenn Elon Musk etwas will, wird das schnell umgesetzt. Demokratische Prozesse sind für ihn dabei nur hinderlich. Die Musk-Methode nun in puncto Waffenlieferung an die Ukraine zu fordern, hält Journalist Timo Rieg für verantwortungslos.
Was für ein Theater mit deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine: Zögern des Bundeskanzlers, forsche Forderungen der Außenministerin, offene Briefe für und wider, eine sich überschlagende mediale Kommentierung – und ein Ende des Disputs ist nicht in Sicht. Dabei geht es doch um Leben oder Tod.

Wenn doch nur Elon Musk das in die Hand nähme, es wäre ratzfatz erledigt. Wir erinnern uns: Der ukrainische Digitalminister Mychajlo Fedorow bat den reichsten Menschen der Welt per Twitter um Hilfe bei der Internetversorgung. Denn Musk betreibt unter dem Namen "Starlink" ein eigenes Satellitenimperium, mit dem auch entlegene Erdwinkel ans globale Computernetz angeschlossen werden können. Nur zehn Stunden nach dieser Bitte antwortete Musk: "Starlink service is now active in Ukraine. More terminals en route." Also: Erledigt.
Als kurz darauf die russische Armee mit Cyberangriffen die neu geschaffene Internetverbindung störte, dauerte es gerade mal einen Tag, und die Firma von Elon Musk hatte eine neue Software aufgespielt, Starlink funktionierte wieder. So schnell kann's gehen, ohne unnötige Bürokratie, ohne viel Palaver.

Ist die Demokratie zu langsam?

Der Vorwurf, Demokratie sei zu langsam fürs echte Leben, ist nicht neu. Mit Firmenpatriarchen als Vorbild wurde schon manche öffentliche Dienstleistung in die Welt der Bonuszahlungen verschoben: von Krankenhäusern bis zur Bundesbahn. In der Corona-Pandemie galt manchem gar der chinesische Totalitarismus als Vorbild zur Seuchenbekämpfung; der Schriftsteller Thomas Brussig goss die Verachtung für den großen Tratsch in den Slogan "Mehr Diktatur wagen".
Sollte daher vielleicht auch die Bundeswehr privatisiert werden, damit sie endlich einsatzfähig wird und dort, wo sie nicht selbst schießen darf, das Schießen anderer zackig supporten kann? Sollten wir den ganzen Laden einfach an Elon Musk verkaufen?
Wobei, auch der Mann gibt sich gerade etwas zögerlich. Erst heißt es, er kaufe in üblicher Knall-auf-Fall-Manier Twitter, für 44 Milliarden Dollar; nun will er doch noch mal ein paar Betriebskennzahlen nachprüfen. Was ein wenig danach klingt, als habe er vorher nicht genügend das Pro und Contra eines Kaufs abgewogen.  

Dabei ist der Twitter-Kauf ja kein großes Ding, teuer natürlich, aber sonst nicht anders, als wenn wir uns eine neue Hose leisten: unser Geld, unser Privatvergnügen. Ob wir mit der neuen Buxe dann der letzte Schrei oder die größte Peinlichkeit sind, betrifft alleine uns.

Bei Waffenlieferungen geht es um Leben und Tod

Mit Waffenlieferungen ist das etwas anders. Die badet nicht alleine der Bundeskanzler aus oder die Verteidigungsministerin oder ein Alleinaktionär der Bundeswehr. Da rollen auf alle Fälle Köpfe, nur weiß niemand vorher, wessen. Es geht um Leben und Tod – von vielen Menschen. Dazu hat ein jeder seine Meinung, Gefühle von Angst, Wut, Hoffnung, Entsetzen.
Wären wir alle Angestellte des Bundeskanzlers in dessen eigener Firma, dann könnte er mal eben morgens unter der Dusche entscheiden, mit wem er welches Geschäft zu welchen Konditionen macht. Es wäre zwar trotzdem doof, wenn er den Karren gegen die Wand fährt, aber so läuft das kapitalistische Spiel eben, man lässt sich darauf ein, wenn man mitmacht.
Mit der Politik ist das doch ein wenig anders. Denn von der sind wir alle betroffen, und wir können nicht mal eben die Firma wechseln. Da wird viel zu oft und schnell nach einem "Ende der Debatte" gerufen.

Zwei konträre Ethiken stehen sich gegenüber

Es geht um Krieg oder Kriegsdienstverweigerung, da stehen sich zwei konträre Ethiken gegenüber. Dieser Konflikt ist nicht mit Mehrheitsentscheid und nicht mit einem "Basta" von ganz oben beizulegen. Waffen liefern oder nicht liefern, die Konsequenzen müssen in jedem Fall alle tragen, in Deutschland, in der Ukraine und direkt oder indirekt sicher weit darüber hinaus.
Da ist es keine vertrödelte Zeit, die Gegenpositionen wirklich zu verstehen. Genau jetzt, wo wir nicht mehr in der Theorie, sondern der Praxis des Krieges sind. Und es am Ende nicht um Zahlen in einem Geschäftsbericht geht. Sondern darum, wer lebt und wer tot ist.

Timo Rieg ist Buchautor und Journalist. Seine zuletzt erschienenen Bücher sind „Demokratie für Deutschland“ und der Tucholsky-Remake „Deutschland, Deutschland über alles“. Zum Thema „Bürgerbeteiligung per Los“ bietet Timo Rieg zudem eine Website mit Podcast an.

Porträtaufnahme des Autors Timo Rieg
© privat
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