Eine Lange Nacht über die Gruppe 47

Das Wirtschaftswunder der Literatur

Heinrich Böll, Ilse Aichinger und Günther Eich 1952 während der Tagung der Gruppe 47 (v.lks).
Heinrich Böll, Ilse Aichinger und Günther Eich 1952 während der Tagung der Gruppe 47 (v.lks). © picture alliance / dpa
Von Helmut Böttiger · 21.10.2017
Die Gruppe 47 ist ein Mythos geworden. Autoren wie Günter Grass oder Hans Magnus Enzensberger wurden durch sie berühmt und bestimmten die gesellschaftspolitische Diskussion.
Als sich am 6./7. September 1947 ein kleines Häuflein versprengter Schriftsteller bei der Surrealistin Ilse Schneider-Lengyel am bayrischen Bannwaldsee traf, war von dieser zukünftigen Bedeutung aber nichts zu ahnen. Alle waren noch relativ jung und unbekannt.
Das literarische Milieu in Westdeutschland wurde von älteren Kulturfunktionären beherrscht, die schon in der NS-Zeit aktiv gewesen waren und sich jetzt als ´innere Emigranten` gerierten. Die Gruppe 47 wurde anfangs zwar ignoriert, aber sie entwickelte sich mit Autoren wie Günter Eich oder Heinrich Böll zu einer atmosphärischen Opposition in der Adenauer-Ära. Dichter wie Ingeborg Bachmann und Paul Celan wurden hier entdeckt. Man suchte Kontakt zu DDR-Schriftstellern. Und mit der fulminanten Lesung aus der ´Blechtrommel` von Günter Grass 1958 begann die Gruppe 47 dann, den bundesdeutschen Literaturbetrieb zu beherrschen.
Aus einem Werkstattgespräch unter Kollegen entwickelte sich schlagartig ein literarischer Jahrmarkt. An ihren inneren Widersprüchen zerbrach die Gruppe. Der junge Peter Handke und die Studentenbewegung trugen während der letzten Tagungen 1966 und 1967 ihren Teil dazu bei. Die Lange Nacht über die Gruppe 47 verdichtet auf spannende Weise die Kulturgeschichte der ehemaligen Bundesrepublik mit vielen O-Tönen und Zeitzeugen.
Im Tagungsraum der Pulvermühle in Waischenfeld am 05.10.1967 sitzen die beiden Berliner Klaus Röhler und Hans Werner Richter, der Vorsitzende der Gruppe 47. Völlig ungestört will die Gruppe 47 bei ihrer Tagung 67 sein. In der "Pulvermühle" bei Waischfeld in Oberfranken will das deutsche Dichter-Syndikat vom 05. bis 09.10.1967 unter Auschluss der Öffentlichkeit gemeinsame Probleme besprechen und neue Werke hören. 
Im Tagungsraum der Pulvermühle in Waischenfeld am 05.10.1967 sitzen die beiden Berliner Klaus Röhler und Hans Werner Richter, der Vorsitzende der Gruppe 47.© picture-alliance / Karl Schnörrer
Als Gruppe 47 werden die Teilnehmer an den deutschsprachigen Schriftstellertreffen bezeichnet, zu denen Hans Werner Richter von 1947 bis 1967 einlud. Mehr bei Wikipedia
In der Gruppe 47 fliegen oft die Fetzen.
Die Spontandiskussionen nach den Lesungen unbekannter Texte sind legendär. Wer zu den Tagungen der Gruppe 47 zugelassen ist, weiß, dass er im bundesdeutschen Literaturbetrieb etwas gilt. Einmal im Jahr kommt diese Gruppe für ein Wochenende zu ihrem Jahrestreffen zusammen, und dieses Wochenende ist ein Hochamt für die gesamte deutschsprachige Gegenwartsliteratur. Während heute fast an jedem Wochenende und in jeder Universitätsstadt über das Jahr verteilt diverse Literaturfestivals und Events stattfinden, konzentriert sich das bis 1967 alles auf ein einziges Wochenende. Die Gruppe 47 ist die Macht.
Als sich am 6. und 7. September 1947 ein Dutzend versprengter Jungautoren am Bannwaldsee bei Füssen im Allgäu versammelt, ist von alldem nichts zu ahnen. Es sind Namen, die man heute kaum noch kennt. Man tagt im Haus der Lyrikerin Ilse Schneider-Lengyel, und außerdem sind anwesend: Walter und Isolde Kolbenhoff, Walter Maria Guggenheimer, Heinz Ulrich, Friedrich Minssen, Freia von Wühlisch, Franz Wischnewski sowie ein Herr Holtmann, der als Mitarbeiter des Pallas-Verlags geführt wird. Geläufiger sind die Namen des Lyrikers Wolfgang Bächler, des Prosaisten Wolfdietrich Schnurre und des späteren dtv-Verlegers Heinz Friedrich mit seiner Frau Maria. Die Einladung zu diesem Treffen spricht Hans Werner Richter aus, der spiritus rector der Gruppe. Richter ist in amerikanischer Kriegsgefangenschaft gewesen und hat zusammen mit Alfred Andersch in München die Zeitschrift "Der Ruf" herausgegeben, mit dem Untertitel: "Unabhängige Blätter der jungen Generation". Die Zeitschrift ist dann wegen allzu sozialistischer Tendenzen verboten worden. Richter, in der Weimarer Republik anfangs für die Kommunistische Partei aktiv, plädiert nun für einen demokratischen Sozialismus sowie für die Neutralität Gesamtdeutschlands. Er will mit ehemaligen Mitarbeitern des "Ruf" eine neue Zeitschrift gründen, eine literarische. Die politischen Aktivitäten verlagern sich jetzt auf ein anderes Gleis. Dass man sich am Bannwaldsee, an einem abgelegenen Ort trifft, ist Programm: Es sollen ohne Störung von außen neueste Texte gelesen und diskutiert werden, als Selbstverständigung. Hans Werner Richter will alles offen halten und beileibe keinen Verein oder eine Institution gründen. Von Anfang bis Ende definiert er die Gruppe so wie hier im Jahr 1955.
Der Name Gruppe ist durch Zufall entstanden
Hans Werner Richter: " Der Name Gruppe ist durch Zufall entstanden. Es ist ein Freundeskreis, der sich 1947 gebildet hat und in den acht Jahren natürlich wieder sich sehr verschoben hat, weil immer neue Schriftsteller hinzukommen, wieder andere abgehen. Es ist keine Organisation. Es gibt keine Mitglieder. Es gibt keinen Präsidenten. Es gibt eben entsprechend keine Statuten und keine Beiträge."
Auf dem Höhepunkt des Erfolgs, 1962, pointiert dies Richter:
Hans Werner Richter: "Was die Gruppe 47 ist? Das ist sehr schwer zu beantworten. Ich sage immer: ein Freundeskreis. Und Sie wissen, dass Enzensberger gesagt hat, jeder hätte immer nur drei Freunde in der Gruppe 47. Und sie sind sicher auch nicht alle mit mir befreundet. Aber ich glaube, dass ich mit allen befreundet bin."
Es geht in den ersten Jahren nach dem Krieg erst einmal um eine Selbstverständigung. Richter will ein Forum für die Generation der jüngsten Kriegsteilnehmer schaffen. Der Krieg sitzt allen noch in den Knochen. Heinz Friedrich etwa hat schwer verwundet den Kessel von Königsberg überlebt, und wie er teilen die meisten das Gefühl, unschuldig in die Kriegsmaschinerie hineingeraten zu sein. Sie wollen nicht zurückblicken, sie wollen bei Null anfangen. Sie wollen etwas Neues.
Hans Werner Richter
Das Hans Werner Richter-Haus. Das alte Bansiner Feuerwehrhaus wurde im Jahr 2000 zu einem kleinen Literaturhaus mit Bibliothek und Ausstellungsräumen umgebaut. Mit diesem Gebäude ehrt die Gemeinde ihren wohl berühmtesten Sohn, den Schriftsteller Hans Werner Richter.

Mehr bei Wikipedia von Hans Werner Richter von Hellmuth Karasek.

Die Hans Werner Richtung Stiftung: Als einzige Institution im deutschsprachigen Raum lädt die Hans Werner Richter-Stiftung alljährlich junge Autorinnen und Autoren aus den deutschsprachigen Ländern, deutsch schreibende Schriftsteller ausländischer Herkunft sowie Autorinnen und Autoren aus den Anrainerstaaten der Ostsee zu internationalen Autorentreffen ein.
Der deutsche Schriftsteller Günter Eich lehnt an einem Regal und blättert in einem Buch. Aufnahme von 1953. 
Der deutsche Schriftsteller Günter Eich lehnt an einem Regal und blättert in einem Buch. Aufnahme von 1953. © picture-alliance / dpa
Günter Eich und die Gruppe 47
1951 soll zum ersten Mal der "Hörspielpreis der Kriegsblinden" verliehen werden, der bedeutendste deutsche Hörspielpreis. Die Auszeichnung geht nicht an Günter Eich, sondern an Erwin Wickerts "Darfst du die Stunde rufen". Die Jury schreibt auch eine Begründung:

Ein Hörspiel von einer so glänzenden, bannenden formalen Kraft wie Günter Eichs "Träume" entzieht sich aller helfenden, weisenden Aussage. In quälenden Visionen wird die Angst dargestellt, wie sie den Menschen von heute begleitet, ohne dass Eich dazu ein Wort des Trostes oder des Auswegs sagt. So widersprach dieses Hörspiel der eigentlichen Zielsetzung des Hörspielpreises und fand nicht die nötige Zustimmung der Preisrichter.

Günter Eich selbst weiß um derlei Probleme.

Günter Eich: "Es sind ja im eigentlichen Sinne auch keine Träume, also Träume sehen ja ganz anders aus, es ist eine Stilbezeichnung, dieses Wort "Traum"."

Günter Eich ist zu diesem Zeitpunkt 41 Jahre alt und im Zweiten Weltkrieg Fahrer und Funker gewesen, ab 1944 in der Luftverteidigung, dann ein paar Monate in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Das ist bei der Ausstrahlung der "Träume" alles noch präsent, aber es scheint einer anderen Epoche anzugehören. Das bundesdeutsche "Wirtschaftswunder" hat gerade begonnen. Die Deutschen arbeiten mit einem ungeheueren Energieaufwand an der Verdrängung der unmittelbaren Vergangenheit. Die "Träume" stoßen sie äußerst schmerzhaft auf ihr Unbewusstes. Fast magisch wirken die Verse, die Eich für eine spätere Neuproduktion im Südwestfunk 1954 schreibt und an den Schluss stellt:

Wacht auf, denn eure Träume sind schlecht!
Bleibt wach, weil das Entsetzliche näher kommt.
Tut das Unnütze, singt die Lieder, die man aus eurem Mund nicht erwartet!
Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt!

Günter Eich hat jedoch eine Vorleben. Er ist älter als der Durchschnitt der Gründungsmitglieder der Gruppe 47, er hat bereits eine Geschichte als Autor in der Zeit des Nationalsozialismus. Wie er damit umgeht, zeigt, dass es gar keine Stunde Null geben kann. Eich hat in der Weimarer Republik als programmatisch unpolitischer Naturlyriker begonnen und versucht, sich nach 1933 herauszuhalten, aber in seinen vielen vermeintlich gesellschaftsfernen Radiostücken geht er immer mal wieder auch Kompromisse ein. Nach 1945 zieht er die Konsequenz daraus, dass die Nationalsozialisten eine unpolitische, eine massenwirksame Unterhaltungskunst forderten und dass er dabei mitgemacht hat.

Dass er sich während der Zeit des Nationalsozialismus von der Macht instrumentalisieren ließ, treibt Eich offenkundig um. Hans Werner Richter versucht, den um einiges älteren Eich in die Gruppe 47 mit einzubinden.
Der Schriftsteller Heinrich Böll in seiner Kölner Wohnung im Dezember 1977.
Der Schriftsteller Heinrich Böll in seiner Kölner Wohnung im Dezember 1977.© picture-alliance / dpa
Heinrich Böll und die Gruppe 47
Böll ist völlig unbekannt und Mitte 30, als ihn 1951 die Einladung zu einem Treffen der Gruppe 47 ereilt.

Böll beschreibt wie kein anderer das Trauma des Krieges und die Doppelmoral in der Zeit des "Wirtschaftswunders". Er lebt in dieser Zeit an der Armutsgrenze und schlägt sich mit seiner Frau und drei Kindern mit wechselnden Jobs durch. Seine ersten Buchveröffentlichungen erfolgen 1949 und 1950, doch bereits seit 1946 hat er manisch geschrieben, um seine Kriegserfahrungen zu verarbeiten, nur das Wenigste davon kann er in einigen Zeitungen unterbringen. Allein im Jahr 1947 füllt Böll 700 Manuskriptseiten, ohne dass er als Autor überhaupt wahrgenommen wird. Im Sommer 1950 stellt ihn das Statistische Amt Köln zur Zählung der Gebäude und Wohnungen als Aushilfe an. Im August schreibt er als Leiter eines "Volkszählungsbüros" mit einer Amtsstube in Merheim an seinen Freund Ernst-Adolf Kunz, wieviel Exemplare von seinem ersten Buch "Der Zug war pünktlich" seit seinem Erscheinen im Jahr 1949 verkauft worden sind: 145 Stück. Die Kriegserfahrung und die deutsche Schuld stehen in all seinen Texten im Mittelpunkt. Von den Gründern der Gruppe 47 unterscheiden ihn vor allem seine katholische Prägung und sein Insistieren auf moralischen Fragen. In seinen frühen Erzählungen, die zum Teil erst nach seinem Tod 1985 veröffentlicht werden, thematisiert er im Gegensatz zu fast allen Gegenwartsautoren unmissverständlich den deutschen Massenmord an den Juden. Auch in seinem Debüt taucht er auf.

Die Atmosphäre der Tagung in Bad Dürkheim wird sehr schön deutlich, wenn sich Joachim Kaiser, einer der späteren Großkritiker in der Gruppe, daran erinnert, wie Gruppenchef Hans Werner Richter Heinrich Böll zuerst wahrnimmt:

"Er sah den Böll und kannte ihn natürlich nicht, und der suchte da so rum, und der dachte dann nanu, das scheint ja hier ein Handwerker zu sein, der sah so aus wie so ein Elektriker, der was reparieren will. Also die hatten ja alle nichts anzuziehen! Verstehen Sie, ich ließ mir extra, als ich zur Gruppe 47 das erste Mal fuhr, ich verdiente ja schon ganz gut bei den Frankfurter Heften weil ich so fleißig war, und ich ging also in Frankfurt zu einem Schneider und ließ mir einen schönen Anzug machen, so einen Freskoanzug und so, und fuhr da elegant hin. Und das war vollkommen idiotisch, das hätte man nicht zu tun brauchen. Denn die liefen dort alle so rum wie Autoren eben rumlaufen, die nichts verdienen und denen es auch egal ist, wie sie aussehen."

Böll wird innerhalb kurzer Zeit nach seinem Auftritt bei der Gruppe 47 einem größeren Publikum bekannt: der Roman "Wo warst Du, Adam?", noch im eher entlegenen Middelhauve-Verlag erschienen, erhält sehr gute Kritiken, Böll bekommt Angebote von mehreren Verlagen. Bei Kiepenheuer&Witsch kommt dann im Frühjahr 1953 der Roman "Und sagte kein einziges Wort" heraus. Hier erklingt der moralisch aufrechte, unverwechselbare Böll-Ton am reinsten. Der Autor schafft damit den Durchbruch: Herausragende Kritiken gehen auch mit einem Verkaufserfolg einher.
Undatierte Aufnahme des deutschen Schriftstellers Alfred Andersch. 
Alfred Andersch© picture-alliance / dpa
Alfred Andersch und die Gruppe 47
Neben Eich und Böll sorgt in dieser Zeit noch ein Dritter bei der Gruppe 47 für Aufsehen, es ist deren Mitinitiator Alfred Andersch. Wie Günter Eich hat er die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland verbracht, und wie Eich versucht er als einer von wenigen, nach 1945 Konsequenzen aus seinen Erfahrungen während der Diktatur zu ziehen. Das geht bei Andersch aber in weitaus schwierigeren und vertrackteren Schritten vor sich. Im November 1947, auf der zweiten Tagung der Gruppe 47, hält er einen Vortrag über die "Deutsche Literatur in der Entscheidung". Er spricht über den Stil der Zukunft. Und es ist bezeichnend, wie hin und hergerissen Andersch zu diesem Zeitpunkt ist. Ästhetisch hat er überhaupt nichts gemein mit seinem Kompagnon Hans Werner Richter, mit dem er die Zeitschrift "Der Ruf" gestaltet hat und der von der Reportage kommt. Große Exilschriftsteller wie Heinrich Mann, Arnold Zweig oder Alfred Döblin greift Andersch wegen ihrer "realistischen Tendenzkunst" an, die zu oberflächlich sei. Vor allem aber verblüfft dieser frühe, erste programmatische Text von Andersch dadurch, wie gut die sogenannte "innere Emigration" wegkommt. "Eine Art subjektiver Ehrlichkeit" gesteht er selbst Autoren wie Hans Grimm, Emil Strauß oder Erwin Guido Kolbenheyer zu, die sich eng an die nationalsozialistische Ideologie angedockt hatten. Bei jemandem, der gegen Ende der Weimarer Republik Funktionär im Kommunistischen Jugendverband gewesen ist, wirkt das merkwürdig.

Dass Andersch offensiv Sympathien für eine "innere Emigration" zeigt, liegt wohl an seiner eigenen Haltung in der Zeit des Nationalsozialismus. Als junger Kommunist wurde er nach Hitlers Machtergreifung 1933 ins KZ Dachau gebracht, und die dortigen Erfahrungen prägten ihn tief. Er verzweifelte an den Positionen der KPD, und er verzweifelte angesichts der Gewalt im Konzentrationslager. Als er mit Glück – sein Vater war ein Parteigänger Hitlers – aus dem KZ entlassen wurde, wandte er sich von politischer Tätigkeit ab.

Alfred Andersch: "Dann habe ich aber während dieser Zeit angefangen zu schreiben, und habe Erzählerisches, Beschreibendes geschrieben, typische spätpubertäre und rein ästhetische Versuche, sich der Literatur zu nähern, die einfach ausgelöst waren dadurch, dass man sich der eigentlichen Realität des Staates und der Gesellschaft, in der man lebte, nicht nähern wollte."
Aufstieg und Ende der Gruppe 47
Sie entstand 1947, 1967 hörte sie auf zu existieren, ohne je aus der deutschen Literatur zu verschwinden: die legendenumwobene "Gruppe 47" Heinz Ludwig Arnold in: Aus Politik und Zeitgeschehen, 2007
Die Teilnehmer der Gruppe 47

Liste der Teilnehmer
Über die Gruppe 47 ist im letzten Jahr viel geredet worden – zuviel. DIE ZEIT/Feuilleton am 8.November 1963
Es gab Fisch zum Frühstück. Im DeutschlandfunkKultur: Länderreport / Archiv | Beitrag vom 11.01.2017
Günter Grass und die Gruppe 47 bei Youtube
Martin Walser über die "Gruppe 47" (Gespräch 2016) bei Youtube
Lauter schwierige Patienten - Reich-Ranicki über die Gruppe 47 bei Youtube
Der Schriftsteller Helmut Böttiger
Der Schriftsteller Helmut Böttiger© picture alliance / dpa

Buchtipp
Helmut Böttiger. Die Gruppe 47. Als die deutsche Literatur Geschichte schrieb. Deutscher Verlagsanstalt. ISBN: 978-3-421-04315-3

Der Autor
Helmut Böttiger, geboren 1956, ist einer der renommiertesten Literaturkritiker des Landes. Nach Studium und Promotion war er als Literaturredakteur u.a. bei der Frankfurter Rundschau tätig. Seit 2002 lebt er als freier Autor und Kritiker in Berlin und veröffentlichte u.a. »Nach den Utopien. Eine Geschichte der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur« (2004) und »Celan am Meer« (2006). Er war Kurator der Ausstellung »Doppelleben. Literarische Szenen aus Nachkriegsdeutschland« (2009) und Verfasser des Begleitbuchs. 1996 erhielt er den Ernst-Robert-Curtius-Förderpreis für Essayistik, 2012 den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik. Für sein Buch »Die Gruppe 47« wurde er mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2013 ausgezeichnet.

Weitere Informationen zu Leben und Werk von Helmut Böttiger bei Wikipedia
Die letzte Tagung der Gruppe 47
Die Gruppe 47 ist links. Doch wie geht man mit den viel jüngeren Studenten um, die sich noch weitaus linker fühlen? Es ist klar, dass der Gruppenkonsens nicht mehr tragen kann. Einige jüngere Schriftsteller solidarisieren sich mit den Studenten. Martin Walser hat schon ein paar Jahre vorher gefordert, die Gruppe 47 zu sozialisieren. Die SPD, für die Hans Werner Richter und Günter Grass unermüdlich Reklame machen, ist für viele der Tagungsteilnehmer nicht mehr ernst zu nehmen. Peter Weiss hat schon ein Jahr zuvor in Princeton Günter Grass gegen sich aufgebracht, weil er sich zu einem radikalen Sozialismus ohne Wenn und Aber bekannt hat. Es ist vorbei.
Es ist kein Zufall, dass die letzte Tagung der Gruppe 47 mit dem Höhepunkt der 68er-Bewegung zusammenfällt. Danach ist der pragmatische Konsens, den Hans Werner Richter lange durchgehalten hat, nicht mehr möglich. Richter lädt für das Jahr 1968 zwar wieder nach Prag ein, in die sich damals reformierende sozialistische Tschechoslowakei, doch wegen des Einmarschs der sowjetischen Truppen in Prag muss die Tagung ausfallen, und das setzt den Schlusspunkt. Nach 1967 und 1968 differenziert sich auch die bundesdeutsche Literaturszene aus. Ein Monopol für literarische Bedeutung, wie es die Gruppe 47 dargestellt hat, kann es nach 1968 nicht mehr geben. Der Adenauerstaat ist überwunden. Die bundesdeutsche Literatur ist erwachsen geworden.
Bei der letzten Tagung in der Pulvermühle 1967 gibt es einen ganz großen letzten Auftritt. Es liest nach langer Zeit wieder einmal der alte Günter Eich, ein Gruppenmythos schon zu dieser Zeit, als die Gruppe noch glaubt, die Gegenwart zu sein. Bei seiner Lesung wird schallend gelacht, und vielleicht ahnt man dabei schon, dass man den eigenen Untergang mit belacht. Eich schließt den Bogen zu den Anfängen. Dabei geht er unmittelbar auf das Tagesgeschehen ein. Er weiß: überdauern wird nur das Gelächter – aber man weiß nicht, ob es ein heiteres oder ein schreckliches sein wird.
Günter Eich: "Ich glaube, meine Sammlung historischer Gummiknüppel aus Ost und West war die einzige ihrer Art. Jetzt habe ich sie an einen schwedischen Interessenten en bloc abgestoßen, gerade noch rechtzeitig, wie ich glaube, vor den Notstandsgesetzen. Man kann solche Gegenstände nicht immer im legalen Handel erwerben. Allmählich wäre ich in Schwierigkeiten gekommen.
Meine Sammlung war nicht vollständig – wie sollte sie auch – hatte aber Höhepunkte, hatte Stücke voller Poesie. Ihr kennt die Muscheln, in denen man das Rauschen des Meeres hört. Mein Stück 77 München muss man allerdings etwas höher ansetzen als am Ohr, aber die Wirkung einiger auch leichter Schläge ist ganz ähnlich. Man hört noch heute ein Stück Schwabinger Bohème. Wasserwerfer, Einsatz der Berittenen, die Oberstimme aus dem Funkwagen, und die Akklamation nordmünchner Heimatdichter, - ein verspätetes Schwabinger Glück, woran doch sonst die Vergänglichkeit nagt und einen mit Wehmut erfüllt. An einem andern Modell, 67 Berlin, finden sich unter einem guten Fixativ Mädchenhaar und Mädchenhaut, wie sie beide so oft besungen werden.
Manchen Abend habe ich sinnend inmitten meiner Sammlung verbracht, träumend und mit schweifenden Gedanken zwischen Marquis de Sade und Paul Lincke.
Das freilich ist nun alles vorbei. Jetzt sammle ich Einwegflaschen und bin damit jeder Änderung des Grundgesetzes gewachsen.
Auch die Autoren Hans Magnus Enzensberger und Hans Christoph Buch waren in Waischenfeld dabei
Auch die Autoren Hans Magnus Enzensberger und Hans Christoph Buch waren in Waischenfeld dabei© picture alliance / dpa / Nicolas Armer
"Veteranentreffen" der Gruppe 47" im Oktober 2017
Vor 50 Jahren wurde im fränkischen Waischenfeld Literaturgeschichte geschrieben, als sich im Gasthof "Pulvermühle" die legendäre Autorenvereinigung Gruppe 47 zum letzten Mal traf.
Daran erinnerte ein Literaturfestival, zu dem mehrere Mitglieder der Gruppe eingeladen waren - darunter Hans Magnus Enzensberger, Friedrich Christian Delius und Jürgen Becker, der damals den letzten Preis der Gruppe gewonnen hatte.
Delius lobt "Veteranentreffen"
Gruppe 47. Jubiläum Pulvermühle
Gruppe 47 - Erinnerungstreffen in Waischenfeld - Nachhören bei KULTUR HEUTE im Deutschlandfunk
Aktuelle Buchveröffentlichung von Helmut Böttiger: Wir sagen uns Dunkles. Die Liebesgeschichte zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2017, ISBN 978-3-421-04631-4

Es ist eine Liebesgeschichte, um die sich viele Legenden ranken: Ingeborg Bachmann und Paul Celan lernten sich als junge, noch unbekannte Lyriker im Frühling 1948 kennen, und ihre Beziehung, die immer wieder von Phasen des Rückzugs gezeichnet war, dauerte bis Anfang der Sechzigerjahre, als beide schon längst zu den bedeutendsten Dichtern der deutschen Nachkriegszeit zählten. Kaum jemand wusste von der Nähe der beiden, und sie hielten es auch in der Tat nie lange miteinander aus – zu unvereinbar der biografische Hintergrund, zu groß die gegenseitig zugefügten Verletzungen, zu sehr hatten sie ihr Leben der Dichtung verschrieben.

Der vielfach ausgezeichnete Kritiker Helmut Böttiger legt die bislang erste umfassende Darstellung der Beziehung Bachmanns und Celans vor. Eine faszinierende psychologische Studie zweier herausragender Dichter, die gemeinsam um Worte rangen, einander brauchten und doch nicht miteinander leben konnten.

Das Manuskript der Sendung können Sie als PDF herunterladen.

Musikliste
1. Stunde

Titel: Just a-sittin' and a-rockin'
Interpret: Duke Ellington and His Famous Orchestra
Komponist: Edward Kennedy "Duke" Ellington, Billy Strayhorn
Label: inak - Best.-Nr: CECD008
Plattentitel: Jump for joy - The genius of Duke Ellington
Titel: Blue horizon
Interpret: Hugo Siegmeth
Komponist: Sidney Bechet
Label: ACT - Best.-Nr: 9443-2
Plattentitel: Red onions - Celebrating Sidney Bechet
Titel: Perdido
Interpret: Duke Ellington
Komponist: Juan Tizol
Label: CBS - Best.-Nr: 462959-2
Plattentitel: Greatest hits
Titel: Walkin' shoes
Interpret: Gerry Mulligan Quartet
Komponist: Gerald Joseph "Gerry" Mulligan
Label: RCA Records Label - Best.-Nr: 152070-2
Plattentitel: Gerry Mulligan
Titel: C jam blues
Interpret: Ray Nance
Komponist: Duke Ellington
Label: CBS - Best.-Nr: 462959-2
Plattentitel: Greatest hits
Titel: Der wunderbare Mandarin. Pantomime in einem Akt (GA) Sz 73
Chor: City of Birmingham Symphony Chorus
Orchester: City of Birmingham Symphony Orchestra
Dirigent: Simon Rattle
Komponist: Béla Bartók
Label: EMI CLASSICS - Best.-Nr: 724355509420
Titel: Señor Blues
Interpret: Horace Silver Quintet
Komponist: Horace Silver
Label: Capitol - Best.-Nr: 474464-2
Plattentitel: Blue Note trip Jazzanova - Lookin' back
Titel: Oh, Lady be good
Interpret: Artie Shaw and His Orchestra
Komponist: George Gershwin
Label: RCA Records Label - Best.-Nr: 152057-2
Plattentitel: Artie Shaw
Titel: Rose Rouge
Interpret: St. Germain
Komponist: Ludovic Navarre
Label: Emi - Best.-Nr: 5099963622027
Plattentitel: Tourist
2. Stunde
Titel: Take five
Interpret: The Dave Brubeck Quartet
Komponist: Paul Desmond
Label: COLUMBIA - Best.-Nr: 27200446
Plattentitel: Dave Brubeck - The famous Dave Brubeck Quartet
Titel: The telecasters
Interpret: Duke Ellington Quartet
Komponist: Duke Ellington, Billy Strayhorn
Label: DOCUMENTS - Best.-Nr: 4053796001917
Plattentitel: Ellington: Suiten
Titel: Rumänische Rhapsodie Nr. 1 A-Dur, op. 11, Nr. 1
Orchester: Philharmonisches Orchester Bukarest "George Enescu"
Dirigent: Cristian Mandeal
Komponist: George Enescu
Label: Ariola Arte Nova Classics - Best.-Nr: 74321-49145-2
Titel: All Blues
Interpret und Komponist: Miles Davis
Label: COLUMBIA - Best.-Nr: CK 64935
Plattentitel: Our kind of...
Titel: Chelsea Bridge
Interpret: Gerry Mulligan
Komponist: Billy Strayhorn
Label: Verve - Best.-Nr: 543808-2
Plattentitel: Ben Webster's finest hour
Titel: Reflections in D
Interpret: Duke Ellington Quartet
Komponist: Duke Ellington, Billy Strayhorn
Label: DOCUMENTS - Best.-Nr: 4053796001917
Plattentitel: Ellington: Suiten
Titel: aus: Nachtstücke und Arien nach Gedichten von Ingeborg Bachmann für Sopran und großes Orchester, 1. Satz: Nachtstück 1
Solist: Michaela Kaune (Sopran)
Orchester: Sinfonieorchester des NDR Dirigent: Peter Ruzicka
Komponist: Hans Werner Henze
Label: Wergo - Best.-Nr: WER 6637-2
Titel: Freddie Freeloader
Interpret und Komponist: Miles Davis
Label: COLUMBIA
Best.-Nr: CK 64935
Plattentitel: Our kind of...
Titel: Le petit bal
Interpret: Miles Davis Quintet
Komponist: Miles Davis
Label: Fontana - Best.-Nr: 836305-2
Plattentitel: L'ascenseur pour l'échafaud (Fahrstuhl zum Schafott) - Original soundtrack
Titel: Oskar's Trommel
Interpret: National Philharmonic Orchestra London
Komponist: Maurice Jarre
Label: Colosseum - Best.-Nr: CL0006
Plattentitel: Die Blechtrommel - Original Filmmusik ( Soundtrack )
Titel: Abdallah's delight
Interpret: Art Blakey Percussion Ensemble
Komponist: Art Blakey
Label: COLUMBIA - Best.-Nr: 88725454832