Eine Jahrhundertgestalt der deutschen Wissenschaft

Wissenschaftler, Philosoph und Friedensforscher Carl Friedrich von Weizsäcker
Wissenschaftler, Philosoph und Friedensforscher Carl Friedrich von Weizsäcker © picture alliance / dpa / Roland Witschel
Von Winfried Sträter · 28.06.2012
Als Physiker machte er schnell Kariere, promovierte, habilitierte und durfte forschen - auch nach 1933. Wie Werner Heisenberg und Otto Hahn gehörte Carl Friedrich von Weizsäcker zum "Uranprojekt" Deutschlands. Nach dem Krieg konnte er dann nahezu bruchlos weiterarbeiten. Eine Wissenschaftlerkarriere mit Fragezeichen.
Ein Mann aus einer der maßgeblichen deutschen Familien. Ein Mann, hoch begabt, einer der klügsten Köpfe und fähigsten Wissenschaftler seiner Zeit: Carl Friedrich Freiherr von Weizsäcker promovierte mit 21 Jahren, im Jahr 1933. Drei Jahre später, 1936, habilitierte er, mit 24 Jahren. Deutschland war damals ein Land herausragender Wissenschaftler. Hitler war ihr Schicksal.

Was macht ein Physiker, der weiß, was er kann und dessen Ehrgeiz keine Grenzen kennt? Als Physiker, der an den großen Forschungen seiner Zeit beteiligt sein will, braucht er den Apparat und die Institutionen, die der Staat zur Verfügung stellt. Sein Vater steht in hohen diplomatischen Diensten des Hitlerreiches. Widerstand ist kein Thema in der Familie, höchstens stilistische Distanz zu dem Plebejer, der Deutschland regiert.

Weizsäcker steigt in die Kernforschung ein, am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin. Er wird als Kernforscher, der eine eigene Formel für die Energiesubstanz der Atomkerne entwickelt, berühmt. 1939 zieht Hitlerdeutschland in den Krieg. Hitlerdeutschland will die Wunderwaffe, und Weizsäcker gehört zu jenen Wissenschaftlern, die an der Atombombe arbeiten. Der Sieg der Alliierten verhindert, dass Hitlers deutsche Forscher zum Ziel kommen. Vielleicht hätten sie den Erfolg letztlich gar nicht gewollt, mutmaßt Carl Friedrich von Weizsäcker nach Kriegsende. Ist das wahr?

Weizsäcker hat nach 1945 das Glück, dass er seine Karriere bruchlos weiterführen kann. Selbstkritisch setzt er sich mit seiner eigenen Geschichte auseinander und wird zu einer prominenten Stimme der Friedensforscher und Atomkriegsgegner. Der berühmte Aufruf der Göttinger Wissenschaftler 1957 gegen die Atomrüstung war nicht zuletzt sein Werk: ein mutiger Akt des Widerstandes gegen Bundeskanzler Adenauer.

Trotzdem sind immer wieder Zweifel an seiner Aufrichtigkeit geäußert worden: Hat sich Carl Friedrich von Weizsäcker gegenüber der Öffentlichkeit offen und ehrlich damit auseinandergesetzt, wie er in finsterer Zeit seinen wissenschaftlichen Ehrgeiz auslebte? War er als Jahrhundertgestalt der deutschen Wissenschaft letztlich eine tragische oder gar zwielichtige Gestalt?

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