Ein Vergnügungstempel par excellence

Rezensiert von Astrid Kuhlmey · 15.08.2006
Der Admiralspalast ist mit Blick auf seine unterschiedliche Nutzung in den fast 100 Jahren seines Bestehens, in seiner architektonischen Ausdrucksweise und seinem kulturhistorischen Hintergrund viel mehr als ein Lokalereignis. An diesem Ort ist vor allem abzulesen, wie der kulturelle Zeitgeist im Unterhaltungsgewerbe immer auch soziale und politische Realität widerspiegelt.
Schon die Wahl des Ortes für den Bau des Admiralspalastes ist symbolisch für deutsche Geschichte. 1871 Reichseinigung, Gründerzeit, wirtschaftlicher Aufschwung, Ausbau von nötigen Verkehrswegen. 1882 wird beispielsweise der Bahnhof Friedrichstraße eröffnet. Das wiederum hat zur Folge, dass sich dort im Umfeld Hotels etablieren und ein lebendiges Vergnügungsviertel entsteht (Circus Busch, Theater am Schiffbauerdamm, Komische Oper). Schließlich wird in sensationell kurzer Bauzeit auch der Admiralspalast errichtet und im April 1911 eröffnet.

Also man sieht ganz genau, wie die Dinge zusammenhängen. Und der Autor wird diese Querverbindungen immer wieder auf höchst unterhaltsame und kenntnisreiche Weise gerecht. Der Admiralspalast war für seine Zeit eine Sensation und wäre es heute noch.

Ein Vergnügungstempel par excellence: Unter einem Dach Café, Lichtspieltheater, Kegelbahn, Eisarena und ein Bad, jeweils für Damen und Herren, später dann auch noch ein Kabarett. Und das alles muss man sich nun luxuriös, großstädtisch und elegant vorstellen. Alle Räume zeichnen sich durch ein besonderes Dekor aus, die Fassaden werden schon als erster Anziehungspunkt regelrecht inszeniert und von renommierten Bildhauern gestaltet.

Das Buch beschreibt das nicht nur mit Worten, sondern illustriert es mit reichhaltigem Bildmaterial, das auch immer sehr genau mit dem Text korrespondiert.

Autor Jost Lehne bleibt bei seinen anschaulichen Schilderungen und kultursoziologischen Analysen auch nach dem Eröffnungshype immer detailliert und bereitet sogar Fakten, die dem Laien eventuell dröge erscheinen mögen, die laufenden bauliche Veränderungen beispielsweise, spannend auf. Und Umbauten hat der Admiralspalast mitunter in Jahresabstand erlebt und das war damals nichts Besonderes.

So wurde mit Beginn des Ersten Weltkrieges die Eisarena geschlossen, in der Weimarer Republik wurde der Theaterraum zunächst auf Revuetauglichkeit umgebaut, später für die Operette flott gemacht und während des Dritten Reiches technisch hoch aufgerüstet, um aus dem privaten Vergnügungstempel ein repräsentatives staatliches Theater mit Führerloge zu machen.

In der DDR gab es dann eine Loge für Wilhelm Pieck, den ersten Präsidenten der DDR. Dem Autor gelingt es durchweg, die Fakten nicht nur gut zu vermitteln, sondern darüber hinaus auch, anhand der unterschiedlichen politischen Regime, den Wandel von Unterhaltungskunst und Repräsentationsformen zu schildern.

Er behauptet nie, er belegt immer. So, wenn er die Perfektionierung der berühmten Tiller Girls, die Schnelligkeit der Revueform mit den sozialen Forderungen der 20er Jahre vergleicht, die idyllischere Operettenseligkeit mit den Wünschen eines Publikums, das von der Weltwirtschaftskrise gebeutelt war oder schließlich, großer Sprung: Stalinfeiern und SED-Gründung nach dem Krieg in den Resten des Admiralspalastes, der nach allerlei Zwischennutzungen 1955 mit der "Fledermaus" zum Metropoltheater wurde, das bis zum Schluss 1997 Operette und Musical spielte. Dass es nach der Wende zu allerlei Schlitzohrigkeiten der Investoren kam, ist bei diesem Haus nicht verwunderlich.

Die letzte Inszenierung war Lehárs "Land des Lächelns", und nun wird Brechts "Dreigroschenoper" hoffentlich zur Wiederbelebung des Ortes beitragen, nach Lektüre des lesenswerten Buches von Jost Lehne möchte man das von Herzen wünschen.

Jost Lehne: Admiralspalast. Die Geschichte eines Berliner "Gebrauchs"-Theaters
be.bra Verlag, Berlin 2006, 224 Seiten, 19,90 Euro