Ein Platz zum Leben

Von Peter Philipp · 14.05.2008
Am 14. Mai 1948, nach Ablauf des britischen Völkerbund-Mandats über Palästina, rief David Ben Gurion, Führer der zionistischen Bewegung, den jüdischen Staat aus. Er stieß auf viel Wohlwollen, bei den meisten Staaten saß der Schock über den Holocaust noch zu tief. Nur wenige übten Kritik und warnten vor den Folgen.
"Wir, die Mitglieder des Volksrates, Vertreter der jüdischen Bevölkerung von Eretz Israel und der Zionistischen Bewegung, haben uns am letzten Tag des britischen Mandats über Eretz Israel versammelt und erklären aufgrund unseres natürlichen und historischen Rechtes und auf der Grundlage des Beschlusses der UN-Vollversammlung hiermit die Schaffung eines jüdischen Staates in Eretz Israel - des Staates Israel."

Es ist Freitag, der 14. Mai 1948. Zionistenführer David Ben Gurion hat für den Nachmittag eine dringende Sitzung der jüdischen Volksvertreter in Palästina ins Tel-Aviver Museum einberufen. Dringend, weil Stunden später das britische Völkerbund-Mandat über Palästina endet und Ben Gurion Eile geboten sieht.
Der Traum von einer Rückkehr nach "Eretz Israel" - wie Palästina auf Hebräisch heißt, ist so alt wie die Verstreuung der Juden in alle Welt. Aus den Gebeten (z.B. "Nächstes Jahr in Jerusalem") wird Ende des 19. Jahrhunderts eine politische Bewegung - der Zionismus - ausgelöst durch Judenpogrome im Zarenreich und latenten Antisemitismus in Westeuropa. Der erste Staatspräsident Israels, Haim Weizmann:

"Es sollte einen Platz auf der Welt geben, wo wir leben und uns in unserer Art ausdrücken können. Und wo wir unseren Beitrag zur Zivilisation auf unsere Weise und durch unsere Kanäle leisten können. Die jüdische Geschichte war immer mit den Überresten Israels verbunden."

Weizmann hat den damaligen britischen Außenminister, Lord Balfour, zu einer Erklärung bewegt, in der dieser am 2. November 1917 den Zionisten "das Wohlwollen der britischen Regierung bei der Schaffung einer nationalen Heimstätte" in Palästina zusichert. Es tobt der Erste Weltkrieg und Palästina ist Teil des Osmanischen Reiches, als Verbündeter Deutschlands Kriegsgegner der Briten.

Nach der Niederlage der Türken überträgt der Völkerbund 1922 Großbritannien das Mandat über Palästina. Bald aber regt sich Widerstand von arabischer Seite und die Gewalt beginnt zu eskalieren. London wird des Mandats überdrüssig und man sucht nach einem Ausweg. Die Idee der Teilung Palästinas ist geboren. Am 29. November 1947 stimmt die UNO-Vollversammlung darüber ab und ihr Vorsitzender, Oswaldo Aranha, gibt das Ergebnis bekannt:

"Die Resolution des Sonderausschusses für Palästina wurde mit 33 Stimmen - bei 13 Gegenstimmen und zehn Enthaltungen - angenommen."

Die arabischen und muslimischen Staaten stimmen dagegen. Die meisten westlichen Staaten, aber auch die Sowjetunion, stimmen zu. Sie alle stehen noch unter dem Schock des Holocaust und der systematischen Judenverfolgung durch Hitler-Deutschland. Einer der wenigen, die im Westen vor den Folgen warnen, ist US-Außenminister George Marshall.

"Wir befinden uns inmitten einer sehr kritischen Situation. Wir sollten es deswegen tunlichst vermeiden, internationale Probleme auf emotionaler Grundlage zu behandeln."

Die USA unterstützen die Bemühungen zur Gründung eines jüdischen Staates. Präsident Truman lässt sich deswegen nicht beeindrucken durch die Warnung seines Außenministers und er wischt auch die Gefahr eines Krieges vom Tisch. Auf sein Geheiß erkennen die USA Israel unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung als erste offiziell an.

"All diese sogenannten Experten haben mir gesagt, dass dies - wenn es getan wird - den ganzen Nahen Osten in einen Krieg verstricken wird."

Schon damals ist Israel auf fremde Hilfe angewiesen und der Krieg, der nach der Ausrufung des Staates ausbricht, wäre ohne solche fremde Hilfe - besonders aus den USA - möglicherweise anders verlaufen. So aber gelingt es dem jungen Staat Israel, die Angriffe der arabischen Nachbarn abzuwehren und sein Staatsgebiet über das im Teilungsbeschluss vorgesehene Gebiet hinaus auszudehnen. In Frieden aber lebt es auch 60 Jahre später nicht - trotz der Friedensverträge mit Ägypten und Jordanien. Nur daran denkt an jenem 14. Mai 1948 im Tel-Aviver Museum niemand. Wahrscheinlich auch Ben Gurion nicht, dessen Schlusswort kurz und bündig ist:

"Der Staat Israel ist entstanden - die Sitzung ist beendet."