Ein Film über das Allerheiligste

Von Hannelore Heider |
Ein Blick hinter die Kulissen des Vatikans gewährt Regisseur und Schauspieler Nanni Moretti dem Publikum in diesem Papst-Film. Das Szenario ist denkbar erfrischend: Ein frisch gekürter Papst fühlt sich der Aufgabe als Kirchenoberhaupt nicht gewachsen und sucht einen Psychiater auf.
Ein Film über den Papst, das Oberhaupt der ältesten Institution der Welt - und dann dieser Untertitel! Mit "Ein Papst büxt aus" hat der deutsche Verleih aber kein Sakrileg begangen, sondern, selten gelingt es, die ganze Ambivalenz des Filmes zwischen Drama und Komödie benannt. Denn der bekennende Atheist Nanni Moretti hat einen Film über das Allerheiligste gemacht, in dem freilich ein Mensch mit seinem persönlichen Dilemma im Mittelpunkt steht.

Damit ist die befürchtete Kirchenkritik milder und doch konsequent ausgefallen. Die Bloßstellung einer längst zum Medienspektakel mutierten Weihe ist in einen tiefen, menschlichen Konflikt gebettet, der genau das beinhaltet: Der in einer köstlichen filmischen Studie zum neuen Papst geweihte Kardinal Melville (Michel Piccoli) vermag sein Amt nicht anzutreten, nicht, weil er nicht fest im Glauben wäre, sondern weil er sich als Mensch dieser Aufgabe nicht gewachsen fühlt.

Die Verantwortung für eine riesige weltweite Gemeinschaft traut er sich so wenig zu wie die Repräsentation einer ungeheueren Macht, ganz zu schweigen von den pompösen öffentlichen Auftritten. Dafür braucht Nanni Moretti keine endlosen Dialoge, er braucht nur den Schauspieler Michel Picolli. Allein die Körperhaltung drückt alles aus, er ist sich der Peinlichkeit bis zur Verkrümmung bewusst, er ist geehrt und weiß doch, das er nur Kompromiss in einem Machtpoker war. Er neidet den Kardinalskollegen ihre Erleichterung, dass es nicht sie getroffen hat.

Auf von Nanni Moretti köstlich ausgemalte Art und Weise vertreiben sie sich wie Kinder in einer Freistunde in der Schule die lange Wartezeit, bis sich Melville wieder fasst. Doch das geschieht nicht. Nach der Panikattacke wird er streng geheim einem Psychiater (Nanni Moretti) zugeführt und nach einer dieser vergeblichen Sitzungen, auf denen vom Pressesprecher des Vatikans (Jerzy Stuhr) streng überwacht, nichts Persönliches beredet werden darf, büxt er aus und läuft unerkannt durch Rom auf der Suche nach dem erträumten Leben als Schauspieler.

Im Vatikan patrouilliert derweil ein junger Mann der Schweizer Garde hinter zugezogenen Vorhängen als Schattenriss-Papst, um die wartenden Massen vor dem Petersdom zu beruhigen. Eine unerhörte Situation und Nanni Moretti balanciert die menschliche Tragik und herrlich verspielte Elemente gekonnt aus. Auch die Weigerung des Vatikans, ihre heiligen Hallen für Dreharbeiten zur Verfügung zu stellen, tut der Opulenz der Inszenierung in zum großen Teil nachgebauten Drehorten keinen Abbruch. Der Zuschauer hat das Gefühl, endlich doch einmal hinter die Kulissen eines Konklave schauen zu können, was den Reiz des intelligenten Kinospaßes mit einem grandiosen Michel Piccoli noch erhöht.

Italien/Frankreich 2011. Originaltitel: Habemus Papam. Regie: Nanni Moretti. Darsteller: Michel Piccoli, Nanni Moretti, Margherita Buy, Jerzy Stuhr, Renato Scarpa. 110 Minuten.

Filmhomepage "Habemus Papam"