Documenta-Performance "Auschwitz on the Beach"

"Auschwitz-Vergleiche sind immer falsch"

Rettungswesten am Strand von Lesbos
Rettungswesten am Strand von Lesbos © Socrates Baltagiannis, dpa / picture alliance
Hajo Schumacher im Gespräch mit Anke Schaefer · 21.08.2017
Eignet sich der Verweis auf den Holocaust, um auf das Flüchtlingselend aufmerksam zu machen? Die Documenta will es mit der Performance "Auschwitz on the Beach" tun. Journalist Hajo Schumacher hält das für eine billige Tabu-Verletzung, um sich ins Gespräch zu bringen.
"Auschwitz on the Beach" heißt eine Performance, die das Flüchtlingselend in den Lagern am Mittelmeer thematisiert und am 24. August auf der Documenta in Kassel gezeigt werden soll. Diese Ankündigung wurde zwiespältig aufgenommen - von vielen, wie Charlotte Knobloch, mit großem Unbehagen: Von einer "verantwortungslosen Relativierung des Holocaust" sprach die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wie weit darf Kunst gehen?

Tabubruch, um ins Feuilleton zu kommen

Unser heutiger Gast Hajo Schumacher hat eine klare Meinung dazu: "Auschwitz-Vergleiche (...) sind immer falsch." Einige, darunter auch Donald Trump und Recep Erdogan, hätten das immer noch nicht verstanden. Seine Einschätzung der Documenta-Performance:
"Genau dieser Effekt soll erzielt werden: Wenn ich eine mittelmäßige Performance mit einer mittelmäßigen Botschaft habe... was kann ich als Künstler tun, damit alle Feuilletons (...) darüber reden? Ich mache den Klassiker, nämlich die Tabu-Verletzung."
Portrait von Hajo Schumacher vor dem Mikrofon im Studio.
Hajo Schumacher im DLF Kultur.© Deutschlandradio / Malte E. Kollenberg
Und die Medien sprängen auch in diesem Fall wieder über das Stöckchen, das ihnen hingehalten würde. "Wir sprechen gar nicht über die Kunst oder was da sonst so geboten wird, sondern wir folgen unseren journalistischen Reflexen: Kaum ist irgendwo ein Nazi-Vergleich - huh! -, haben wir endlich wieder eine Nachricht!"
Man könne im Zusammenhang mit dem Flüchtlingselend von Unmenschlichkeit reden. Aber: "Es stehen keine Verbrennungsöfen auf der anderen Seite des Mittelmeers..."

Das Niveau "eines Kunst-Leistungskurses"

Hajo Schumacher sagte weiter: Wer sage, Deutschland oder die EU seien Schuld an der schlimmen Lage de Flüchtlinge, mache es sich zu einfach. Schuld seien in erster Linie politisch katastrophale Verhältnisse in Afrika. Durch den Kolonialismus seien natürlich auch die europäischen Länder verstrickt - doch dürfe man die Rolle "der Warlords und Kleptokraten" nicht verkennen. "Zu sagen: Ihr Prosecco-Schwenker in Kassel - ihr seid an allem Schuld. Das ist so billig."
Generell betonte Schumacher seine kritische Haltung gegenüber Performance-Kunst, wie man sie beispielsweise auch bei Ai Weiwei finde:
"Der hängt dann einfach ohne Ende Schwimmwesten (...) an irgendein Tor und klagt damit die Welt an. Wo ich mir auch sage: Noch billiger geht's nicht. Das ist Kunst-Leistungskurs irgendeiner Bremer Gesamtschule. Das ist einfach nur schlecht."

Die komplette Sendung mit Hajo Schumacher:
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