Diesel-Versuche mit Affen

Eigentor der Autokonzerne

Rauch strömt aus dem Auspuff eines Autos
Vor zweieinhalb Jahren wurde der Dieselskandal enthüllt. © Imago
Von Gerhard Schröder · 03.02.2018
Abgastests mit kleinen Affen: Deutsche Autokonzerne haben Primaten in amerikanischen Forschungslabors giftigen Dieselabgasen ausgesetzt, um zu beweisen, wie harmlos Stickoxide sind. Aber der eigentliche Skandal gerät darüber fast in den Hintergrund, meint Gerhard Schröder.
Es ist unglaublich. Seit über zehn Jahren unterziehen die großen Autohersteller die gesamte Bevölkerung einem groß angelegten Freilandversuch. Und kaum einen scheint das zu stören. Seit über zehn Jahren täuschen und tricksen die PS-Konzerne bei der Dieselabgasreinigung, mit dem Effekt, dass die Fahrzeuge viel mehr Stickoxide in die Luft blasen als eigentlich erlaubt ist. Sauber sind die Fahrzeuge nur im Prüflabor, nicht aber auf der Straße.

Die Regierung hält ihre schützenden Hände über die Konzerne

Die Bundesregierung weiß das seit Langem, seit der Enthüllung des Dieselskandals durch die US-Regierung vor zweieinhalb Jahren ist es offiziell. Doch die Regierung tut nichts. Im Gegenteil: Sie hält weiterhin ihre schützenden Hände über die Autokonzerne. Das ist der eigentliche Skandal.
Union und SPD, man muss es so klar sagen, sind die Gewinne von VW, Audi, Mercedes und BMW offenbar wichtiger als die Gesundheit der Bevölkerung.
Wenn es nicht so wäre, hätte sie längst reagiert. Wie das geht, hat die US-Regierung vor zweieinhalb Jahren vorgemacht. VW wurde zu milliardenschweren Strafen und Entschädigungszahlungen an die Verbraucher verdonnert, Manager wurden verhaftet, Fahrzeuge stillgelegt. In Deutschland dagegen passierte fast nichts. Verzögern, beschwichtigen, verschleiern, so lautet die Devise bis heute.
Die einzige nennenswerte Maßnahme, zu der sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt durchringen konnte, war ein weitgehend wirkungsloses Software-Update für manipulierte VW-Fahrzeuge, das den Schadstoffausstoß kaum minderte. Und die übrigen Hersteller kamen völlig ungeschoren davon, obwohl die zum Teil noch dreister täuschten und tricksten. Die zwangsläufige Folge: Die Luft in den deutschen Städten ist schlechter als es für die Gesundheit der Menschen gut ist. Schlechter auch, als die Gesetze es erlauben.

Dieselgipfel fast im Monatsrhythmus - ohne Ergebnisse

Das Umweltbundesamt hat in dieser Woche erneut darauf hingewiesen. An jeder zweiten Messstelle in Deutschland wurden im vergangenen Jahr die Grenzwerte für Stickstoffdioxid regelmäßig überschritten. Betroffen sind vor allem die Metropolregionen, in 70 deutschen Großstädten ist die Luft schlechter als erlaubt. Und das ist keine Bagatelle. Nach Angaben der EU-Umweltagentur sterben allein in Deutschland jedes Jahr über 12.000 Menschen an den überhöhten Stickoxid-Emissionen. Nachrüstungen sind notwendig.
Geht jetzt endlich ein Ruck durch die Bundesregierung? Immerhin lädt sie seit dem vergangenen Sommer die Spitzen von Bund, Ländern, Gemeinden und Autoindustrie fast im Monatsrhythmus zum Dieselgipfel ein. Nennenswerte Ergebnisse: Fehlanzeige. Das empört nicht nur die Bewohner in den Städten, die unter den Abgasen leiden. Auch die EU-Kommission will sich das nicht länger bieten lassen, und hat mit rechtlichen Konsequenzen gedroht, wenn die Bundesregierung nicht endlich handelt. Es ist auch längst klar, was getan werden müsste.
Man muss die Innenstädte von den dreckigen Dieselfahrzeugen befreien, die täglich die Luft verpesten. Zwei Maßnahmen stehen dafür zur Verfügung. Nachrüstungen und Fahrverbote. Die für alle Beteiligten – Industrie, Regierung und Autofahrer – eleganteste und kostengünstigste Lösung wären Nachrüstungen. Dass das geht, haben Techniker längst an Prototypen nachgewiesen.

Es gäbe einen Königsweg - der ist den Autobauern aber zu teuer

Sie haben moderne SCR-Katalysatoren in ältere Dieselfahrzeuge eingebaut, mit überraschendem Erfolg: Die Stickoxidemissionen sanken um über 90 Prozent. Heißt im Klartext: Aus alten Dreckschleudern wurden saubere Dieselautos, die mühelos die gesetzlichen Grenzwerte einhielten. Die Kosten werden auf 1000 bis 2500 Euro pro Fahrzeug geschätzt.
Das wäre der Königsweg, um die Luft in den Städten schnell zu verbessern. Bislang aber wehrt sich die Autoindustrie dagegen, weil sie zusätzliche Kosten fürchtet. Und die Bundesregierung hat nicht den Mumm, die Dieselnachrüstung durchzusetzen. Deshalb kommt Plan B ins Spiel: Fahrverbote. Das Bundesverwaltungsgericht wird den Weg dafür vermutlich am 22. Februar frei machen.
Verlierer wären dann die Autofahrer, die mit ihren Fahrzeugen nicht mehr in die Innenstädte fahren können. Aber auch die Bundesregierung wäre blamiert, weil sie das nicht verhindern konnte. Den größten Schaden aber hätte die Autoindustrie, die aus Dummheit und Kurzsichtigkeit ihrer vielgepriesenen Dieseltechnologie endgültig das Grab geschaufelt hätte.
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