Die zeichnende Ein-Frau-Fabrik

Von Anette Selg · 03.10.2013
Im Internet veröffentlicht sie ihr Comic-Tagebuch, sie zeichnet Sach-Comics und Comic-Romane und macht Live-Zeichnungen zu Musik. Die Schweizerin Kati Rickenbach bewegt sich als freischaffende Illustratorin zwischen Brot-Jobs und künstlerischer Herausforderung.
In der Eglistraße in Zürich. Die Comic-Zeichnerin Kati Rickenbach führt durch das "Strapazin"-Atelier: eine große, unrenovierte Fabriketage im ersten Hinterhof. Überall im Raum stehen Schreibtische, Monitore, Staffeleien und Bücherregale. Benannt ist das Atelier nach dem deutschsprachigen Comic-Heft Strapazin, das bereits seit über 25 Jahren existiert.

"Die Gründer des Strapazins sind eben noch immer hier im Atelier. Der deutsch-schweizer Comic-Verlag Edition Moderne ist hier, der is da hinten, wo die vielen Bücher sind. Hier trifft dann wirklich die kleine deutsch-schweizer Comic-Szene zusammen. Ein Biotop, genau, das ist das richtige Wort, das Strapazin-Atelier ist ein Biotop."

Seit über fünf Jahren hat Kati Rickenbach hier ihren Arbeitsplatz. Davor hat die lebhafte Frau mit den kinnlangen braunen Haaren in Luzern Illustration studiert.

"Während des Studiums war Comic-Zeichnen für mich persönlich ein Thema, nicht aber in der Schule. Man hat es dort nicht gelernt. Es war dann wirklich erst, als ich dieses Austauschsemester gemacht hab in Hamburg, dass ich dort eben bei einer Comic-Dozentin, bei der Professorin Anke Feuchtenberger, studieren konnte, dass ich da auch andere Leute kennengelernt hab, die so mit der gleichen Leidenschaft auch Comics zeichnen. Ich hatte da auch Glück, dass ich da reingerutscht bin."

Zwei autobiografische Comic-Erzählungen hat Kati Rickenbach bereits veröffentlicht. Zurzeit arbeitet die 33-Jährige an einem Sach-Comic zum Thema "Stillen".

"Es gibt in der Schweiz diese Stiftung zur Förderung des Stillens, und die hatten diese Idee. Ursprünglich wollten sie eine 30-seitige Broschüre machen, um das Thema mal anders anzugehen. Das Stillen ist ja einerseits ein sehr rationales Thema, es gibt verschiedene wissenschaftliche Vorgänge, es gibt Sachen, die man erklären muss. Andererseits ist es aber auch wahnsinnig emotional und individuell. Und ja, ich hab die Aufgabe, dieses zu verbinden. Das ist jetzt auf 100 Seiten angewachsen, und ich hab eben das große Glück, dass meine Auftraggeber da dahinterstehen, finden die au' super. Jetzt machen wir einfach ein Buch daraus."

Kati Rickenbach geht zu einer Stellwand im hinteren Teil des Ateliers. Sie hängt voller Schwarz-Weiß-Zeichnungen: Menschen und Kulissen mit klaren Umrisslinien, in Rickenbachs schnellem entschiedenem Strich. Mit dem Thema Stillen ist die Mutter einer eineinhalbjährigen Tochter bestens vertraut.

"Schau, hier hab ich alles aufgehängt. Und hier gibt es zum Beispiel so eine Szene, wo die Hauptfigur, die hat so eine Brustentzündung … Was ist das? Milchstau, genau. Und dann trifft sie sich mit der Stillberaterin, die zeigt ihr eben, dass man das lösen kann, wenn man so ganz exotisch stillt. Auf jeden Fall hab ich dann einen Traum eingebaut, wo sie erwacht und einfach so Riesenbrüste hat, oder?"

Für Kati Rickenbach bietet sich der Comic nicht nur für alle möglichen Inhalte an, er kann auch auf unterschiedlichste Weise präsentiert werden. Zum Beispiel beim Live-Zeichnen.

"Also man is da auf einer Bühne und zeichnet eigentlich live zu Lesung oder zu Musik, und das wird dann übertragen auf eine große Leinwand für das Publikum."

In Rumänien hat die Schweizerin vor einiger Zeit zu der Komposition "Tierkreis" von Karlheinz Stockhausen live gezeichnet und wurde dabei von einem ganzen Orchester begleitet.

"Tierkreiszeichen, eben. Es ging ja um diese astrologische Zeichen. Alle haben natürlich erwartet, dass ich, wenn der Krebs kommt, einen Krebs zeichne. Hab ich aber überhaupt nich gemacht. Ich hab zwar gewisse Figuren eingebaut – also es sind zum Beispiel Zwillinge vorgekommen oder ein Mann, der einen Fisch tätowiert hat –aber das war eine freie Geschichte. Die hab ich mir beim Hören der Musik ausgedacht. Und das is sehr gut angekommen, also die Leute waren total baff. Weil sie das überhaupt nicht erwartet haben."

Live-Zeichnen, Comic-Romane, Sach-Comics, daneben Zeitungs-Strips und ab und an ein Stipendium. Kati Rickenbach kann mittlerweile vom Zeichnen leben.

"Ich bin wirklich so ne Ein-Frau-Fabrik. Ich sag auch immer, wenn ich so Workshops gebe, Comics machen ist eigentlich wie einen Film zu drehen, mit dem Vorteil, dass du eben alles bist. Du bist Produzentin, du bist Regisseurin, du bist alle deine Schauspieler, Kamera. Du kannst alle Szenen einbauen, du kannst eine Welt erfinden, du bist total frei. Du kannst die Farben machen, du kannst wirklich alles bestimmen – und das ist eigentlich toll."

Arbeiten von Kati Rickenbach im Internet
Mehr zum Thema