Die schönsten Fotos der Monroe

Rezensiert von Astrid Kuhlmey |
Heute wäre sie 80 Jahre alt geworden, und man kann sich die Feuilletonseiten gut vorstellen: Fotos der jungen und der inzwischen alten Frau. Vielleicht geliftet oder in Ehren ergraut und freundliche faltig möglicherweise vom Leben mit Drogen und Tabletten gezeichnet.
Diese Bilder gibt es nicht, denn die Frau über die es zu reden gilt, ist mit 36 Jahren gestorben: Marilyn Monroe - eine der wirklichen Ikonen Hollywoods, auch eine Chiffre für dieses Leben als ein Star in der Weltmetropole des Films der 50er Jahre.

Heute wäre sie 80 geworden und wir werden uns immer an die diese leichtsinnige, schöne, helle Frau erinnern. Nicht zuletzt wegen der hinreißenden Fotos, die ein junger Deutscher 1962 in einer legendären Fotosession von ihr gemacht hat.


Sie liegen in großer Vollständigkeit seit 1982 - seit dem 20. Todestag von Marilyn Monroe - in einem schwergewichtigen und üppigen Bildband bei Schirmer und Mosel vor. Nun zum 80. Geburtstag wurde der Band noch um einige Fotos erweitert und neu herausgebracht

Der Fotograf Bert Stern war damals 33 Jahre alt, hatte sich durch eine wirkungsvolle Werbekampagne für Smirnoff Wodka einen Namen gemacht. Darüber hinaus als Mode- und Prominentenfotograf. Kurze Zeit vor der Begegnung mit der Monroe hatte er Liz Taylor in Rom bei den Filmarbeiten zu Kleopatra begleitet.

Er war jung verheiratet mit einer begabten und erfolgreichen Balletttänzerin, Vater eines kleinen Kindes und auf dem steilen Weg zum Erfolg. Denn wer für Vogue fotografierte, war in der ersten Riege der Fotografen.

Sein Traum, seine fixe Idee geradezu war es, die Monroe zu fotografieren - und der Himmel dieser Träume wären Nacktfotos gewesen. Das kam nun nicht aus der schwülen Fantasie eines jüngeren Mannes, sondern ging eher auf den sinnlichen Blick des Fotografen zurück: dieses helle, blonde Geschöpf ohne Staffage …

Doch Bert Stern holte sich aus diesen Wahnträumen schnell zurück. Der Star Marilyn hatte viele Exzesse hinter sich, drei gescheiterte Ehen, die letzte mit dem Dramatiker Arthur Miller, der auch das Drehbuch zu ihre letzten Film "Misfits - nicht gesellschaftsfähig" geschrieben hatte.

Sie pumpte sich in den Jahren vor ihrem frühen Tod im Sommer 1962 mit Pillen und Alkohol voll, glitt von einer Depression in die nächste, fühlte sich verraten und verfolgt. Ihre Affären mit John .F Kennedy und dessen jüngerem Bruder hatten böse Schlagzeilen gemacht, die Regisseure und Produzenten mieden sie - und doch war sie noch ein von der Öffentlichkeit umworbener Star.

Nachdem der junge Fotograf Bert Stern die Idee hatte, eine größere Fotostrecke mit Marilyn Monroe zu machen, schlug die Vogue gleich ein und versprach ihm acht große Seiten in der prominenten Modezeitschrift. Es wurde telefoniert, gefragt, verhandelt. Und Marilyn sagte zu. Stern konnte sein Glück gar nicht fassen.

Das ist nun keine Spekulation, denn der Fotoband ist von einem sehr persönlichen Text des Fotografen begleitet. Darin beschreibt er diesen Höhepunkt seiner Laufbahn sehr witzig und sensibel – auch mit Sinn von Selbstironie.

Zunächst mal war er selig: wovon alle Männer der Welt träumen - er hatte es erreicht. Sie würde ihm, seiner Kamera gehören. Doch dann schlichen sich auch Zweifel ein: Sie war ja ein wenig mopplig geworden , schließlich schon über die Mitte der Dreißiger hinaus - damals für eine Filmgöttin doch schon nicht mehr so taufrisch. Sicher würde sie schwierig und kapriziös sein, mit Presseleuten und Bodygards anreisen – und ihre Unzuverlässigkeit hatte Schlagzeilen gemacht.

Für die Session hatte er eine Suite in einem wunderschönen Hotel in LA in den Hügeln gemietet. Für die Räume hatte er unterschiedlich farbiges Papier für die Hintergründe vorbereitet, das Licht für alle Nuancen vorbereitet, ebenso einen Raum für Kleidung, Make-up und Schmuck - und er hatte Musik vorbereitet, um Stimmungen zu schaffen und Bewegungen des Stars zu animieren. Und - etwas durfte nicht fehlen - Dom Perignon - Champagner.

Und dann begann alles, wie es beginnen muss mit Marilyn - sie kam fünf Stunden nach dem vereinbarten Zeitpunkt. Und wie kam sie? Ohne Bodygard, ohne Pressetross und war völlig unkompliziert. Auf seine Frage; wie viel Zeit haben wir? antwortete sie: Alle Zeit, die Sie brauchen.

Bert Stern schreibt so nett in seinem Text: In diesen Minuten hatte ich Frau und Kind, meine hoffnungsvolle Karriere in New York vergessen. Ich war nur noch verliebt. Man darf das aber nicht zu ernst nehmen - das schreibt er durchaus mit einem Augenzwinkern. Die Beziehung entwickelt sich hoch professionell und entstanden sind die wohl schönsten Fotos der Monroe - eine Auswahl brachte die Vogue 1962 als Nachruf auf die blonde Göttin.

Zahlreiche Fotos sind auf Bitten Sterns fast ohne Make-up gemacht wurden. Ein kleiner Liedstrich war in dem hellen Gesicht das einzige, das an Make-up erinnerte. Die superstoffblonden Haare sind unterschiedliche frisiert: hoch getürmt, klassisch nach hinten gekämmt, in Pagenkopfmanier frisiert - unter Kappen oder Hüten versteckt. Die Kleider und Mäntel im Stil der frühen 60ger Jahre - klar und ohne viel Schnickschnack, die Roben schwarz. Sie betonen die helle Aura dieser wunderschönen Frau, die sich dann wirklich von Stern zu Fotos ohne Kleider bewegen lässt. Es werden aber keine Nacktfotos. Sie lässt ihren Körper hinter Netzen und Schleiern nur ahnen, schafft damit eine umwerfende Erotik.

Und das sage ich hier aus meinem weiblichen Blick zum ersten Mal ohne Abstrich. Ich fand ja die Monroe oft so künstlich, bar jeden Geheimnisses. Doch diese Fotos belehren einen eines Besseren. Da posiert im besten Sinne des Wortes kein Dummchen. Da zeigt sich eine durchaus erfahrene Frau, die eine Sinnlichkeit ausstrahlt, wie sie in unserer ans übersexualisierten Zeichen brüllenden Welt kaum noch erlebt wird. Dieses: Seht her, ich bin eine Frau, ich genieße meine Schönheit und Sinnlichkeit, ich verstecke sie nicht und ich weiß, dass es auch nur ein Teil meiner Persönlichkeit ist, diese Ausstrahlung ist atemberaubend.

Nach dieser für das gesamte Team beglückenden Session machte sich Bert Stern an die Arbeit im Labor. Marilyn bekam alle Kontaktabzüge zu sehen. Doch der Fotograf hörte nichts mehr von ihr. Er wurde unruhig, nervös, konnte sich nicht vorstellen, warum sie keine Reaktion zeigte. Schließlich rief er seine Auftraggeber bei der Vogue an. Auch die warteten auf die Reaktion der Monroe. Schließlich kamen die Abzüge zurück - viele hatte sie mit Nagellack durchkreuzt oder mit spitzen Gegenständen zerkratzt. Keines der schwarz- weißen Bilder. Ohne Kommentar. Wenige Wochen später war sie tot.


Bert Stern: Marilyn Monroe – The Complete Last Sitting
Übersetzt von Annie Gottlieb
Schirmer/Mosel, München, Neuauflage 2006
464 Seiten