Die nette Urlaubsbekanntschaft

Von Walter Filz · 07.07.2006
Köln-Bonn, Konrad-Adenauer-Flughafen. Wer per Jet anreist, der erfährt es am schnellsten. Gleich am Rollband der Gepäckausgabe kann man es lesen, in eleganten Lettern in die gläserne Wand graviert: Das kölsche Grundgesetz. Und seine hochdeutsche Übersetzung. Zehn Paragraphen, die - in prägnanten Sätzen - die Denk- und Lebenshaltung des Kölners charakterisieren.
Die Kofferwartezeit sollte der Besucher nutzen, um zumindest die ersten drei zu memorieren: Et is wie et is - es ist so, wie es eben ist. - Et kütt wie et kütt. - Es kommt so, wie es eben kommt. Und: Et hätt noch immer jot jejange - Es ist bisher noch immer gut gegangen. Zusammengefasst: Es lässt sich nichts ändern und bisher ist uns dabei nichts passiert. Grundoptimismus und Grundfatalismus prägen also die Kölner Verfassung. Die geistige Verfassung. Hinzu kommt eine - sagen wir - gewisse Sturheit, Neuerungen gegenüber: Siehe Paragraph sechs des Grundgesetzes: "Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet" - Kennen wir nicht, benötigen wir nicht, weg damit. Diese bockige Borniertheit neuen Dingen gegenüber wird allerdings charmant ausgeglichen durch die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Menschen. Gut für Besucher, die einer gewissen Spendierfreudigkeit begegnen werden, grundgesetzlich festgehalten in Paragraph 10: "Trink einen mit." - Drenk doch eine met. - Dieser freundlichen Aufforderung sollte der Köln-Reisende Folge leisten. Sie ist stets hintergedankenfrei gemeint. Und bezieht sich stets auf das ortsübliche Getränk. Kölsch.

Kölner: "Komm drenk eine met."

Und Kölsch wiederum ist einer von fünf wichtigen K-Begriffen, um die das Leben der Stadt kreist: Karneval, Kirche, Kultur, Klüngel. Jetzt aber erst mal erstens: Kölsch.

Kölner: "Kölsch haben wir für Lück gebraut, die gän enz e Bier trinke, das heißt: das haben wir für Leute gebraut, die gerne Bier trinken. Alte kölsche Tradition, obergärig. Das besondere dadran is, dat es so bekömmlich is. Jetzt verstehen sie vielleicht auch, woher dat schöne Liedchen ist: ich möch zu Fuß no Kölle gon."

Kölsch-Werbung: "Noch n Gläschen für mich. Prost. Kölsch, weil's schmeckt und so bekömmlich ist."

Gläschen. Der Diminutiv ist wichtig. Er weist auf ein verkleinertes Bewusstsein für die Gefahren des Alkohols, einen verkleinerten Begriff von den entstehenden Kosten und - natürlich - auf die verkleinerten Gläser. 0,2 Liter ist traditonelles Ausschank-Maß. Werden 0,3, serviert, befindet man sich in einer Touristenfalle, einer Diskothek oder in der Außengastronomie. Alles keine klassichen Kölschtrinkorte. Die nächste traditionell akzeptierte Behältnisgröße ist dann fünf Liter - und also ein kleines Fass, genannt Pittermänchen, das an vielen Kiosken, genannt Büdchen, rund um die Uhr zu haben ist, um zuhause im kleinsten Kreis - also zu zweit - verköstigt zu werden. Einladungen zum Kölsch sind als Einladung zum Gespräch aufzufassen. Gespräche mit Kölnern sind einfach zu führen.

Nichts ist verbindlich. Nichts ist endgültig. Was gestern gesagt wurde, ist heute vergessen. Was heute gesagt wird, interessiert morgen keinen. Der Besucher halte sich stets den berühmten Satz Konrad Adenauers vor Augen, der da lautete: Was schert mich mein Geschwätz von gestern - und rechne daher damit von Kölnern Sätze wie diesen zu hören.


Kölner: "Meinen Sie, dat hätte ich noch im Kopp, dat ich Ihnen wat gesagt habe?"

Oder diesen Kölner: "Sie sagen einfach, ich hätte dat und dat gesagt, dat kann ich doch jetzt nicht nachprüfen."

Oder diesen Kölner: "Also ich behaupte, so wat würd ich niemals sagen."

Oder diesen Kölner: "Ich hab doch kein Interesse ihnen wat Falsches zu sagen."

Oder diesen Kölner: ""Ich han dat auch nit nötig, Ihnen wat falsches zu sagen."

Oder diesen Kölner: "Dat kann ich doch jetzt nit wissen. Jedenfalls sage ich Ihnen nie wat nit stimmt."

Und schließlich diesen Kölner: "Dann haben wir uns irgendwie falsch verstanden."

So sind Missverständnisse leicht geklärt, so lassen sich zur Missverständnisklärungsfeier weitere Kölsch bestellen - bzw. nicht, denn sie werden in traditionellen Kölner Kneipen unbestellt nachserviert, sobald das letzte Glas halb leer ist. Der Kölnbesucher tut gut daran, das Kölsch zu loben. Und er tut noch besser, wenn er Düsseldorfer Altbier als ungenießbar bezeichnet. Zwar werden beide Biere ganz ähnlich gebraut und beide Städte liegen nur 30 Kilometer voneinander entfernt.

Dennoch handelt es sich - zumindest dem je beengten Selbstverständnis nach - um völlig andere Kulturkreise. Hier - also in Köln - möchten sich die Einwohner als weltoffene und welterfahrene Handelsbürger - immerhin war Köln Hansestadt – verstehen. Und Düsseldorf - ehemals Provinz-Residenzstadt und immer noch Regierungssitz – verstanden wissen als Ort emotional verkrampfter engstirniger Edelherrschaften bzw. Beamter.

Kölner: "Die sind e bisschen fürnehmer, die sprechen jetzt auch Hochdeutsch - allen Ernstes."

Und allen Ernstes bricht man in Köln diesen Grundwiderspruch auf alle Lebensdetails herunter. Der Besucher merke sich daher: Kölsch gilt als süffig-blond. Alt-Bier als migränig-dunkel. Der Kölner Karnevalsruf Alaaf klingt hellvokalig offen. Das Düsseldorfer Helau dagegen düster-schwermütig. Und wenn Köln dem Kölner als Rom des Nordens gilt - vor allem sommers, wenn das Kneipenleben auf die Straßen überschwappt und sich der gebildetere - eingebildetere - Einheimische daran erinnert, daß sich schon Petrarca 1335 auf Domstadtreise nach Italien zurückversetzt fühlte -, dann gilt Düsseldorf bestenfalls als Reykjavik des Südens. Weshalb die zahlreichen Beamten-Witwen bis weit in den Frühsommer hinein noch ihre Pelze über Düsseldorfs Flaniermeile, die Königsallee, tragen. In Köln trägt man bei jedem Wetter nur gesundes Selbstbewusstsein.

Kölner: "So is dat uns so bliev dat. - Dat is esu."

Und das sollte der Besucher akzeptieren. Abschätzige und beleidigende Bemerkungen über die Nachbarstadt gehören zur Kölner Mundartpflege. Der Name Düsseldorf ist dabei stets mit einem missbilligenden Seufzer und einer konsternierten Dehnung auf der ersten Silbe auszusprechen: "Düüsseldorf" - wobei ein verzweifeltes Augenrollen und ein leichter Kopfschlenker in ungefähr rheinabwärts nördlich weisende Richtung die Verachtung dramatisch akzentuiert. Auf diese Weise sichert sich der Besucher Kölns viel Sympathie und weitere Einladungen zu weiteren Kölsch. Einzige Maßnahme den ständigen Nachfluss zu stoppen: Bierdeckel aufs Glas legen. - Dann sollte man aber auch schnellstens zahlen und nicht das Vertrauen des Kölners mißbrauen, indem man ihn mit heiklen Themen behelligt. Vor allem vermeide man - auch nach dem zwanzigsten Glas - die von Ortsunkundigen gern gestellte Frage, was denn der Kölner Klüngel sei.

Kölner: "Wat heeß hier kölsche Klüngel? - "Weeßt du dann wat de kölsche Klüngel is?" - "Klüngel, is wööt ich saage..." "Der kölsche Klüngel? Hm . Hammer nix mit am Hütchen, ne Jakob." - "Klüngel jitt et überall." - "In der Zeitrung, da steht so viel vom kölschen Klüngel,m aber ob dat wahr is. Geklüngelt wird üvverall, nit nur bei uns."

Klüngel, ein Wort, das sich mit dem bundesdeutsch geläufigen Begriff "Filz" nur unzureichend übersetzen lässt, Klüngel ist in Köln eine freundschaftsdienstliche Mischung aus Vetternwirtschaft, Nachbarschaftshilfe und Quersubvention. Meist im Bereich geringfügiger Dienstleistungen und kleiner Handwerksleistungen. Wobei - wie schon beim Kölsch - "klein" eine Frage der subjektiven Portionierung ist. Ein Gläschen plus ein Gläschen plus noch ein paar Gläschen ergeben am Ende auch einen Vollrausch, so wie ein Sümmchen plus ein Sümmchen plus noch ein paar Sümmchen einen dicken Korruptionsskandal ergeben. Nur stellt er sich dem Kölner in seiner kleinteiligen Perspektive nicht so dar. Hat man morgens einen Kater, sagt man: das war wohl ein Bier zuviel, da hätte man wohl besser aufgepasst.

Hat man geschmierte Bürgermeister, sagt man genau dasselbe: der hat es übertrieben und hätte besser aufgepasst. Dieser prinzipienfreie Relationismus ist dem Kölner nur schwer als problematisch darzulegen. Zwar hat er irgendwie durchaus eine Art Restbewusstsein dafür, daß man die Dinge auch ein wenig strenger sehen und empfinden kann, doch möchte er auf keinen Fall in dieser Hinsicht von Ortsfremden belehrt werden. Trifft man - was äußerst selten vorkommt - auf einen bekennenden Selber-Klüngler, so wird er dem Köln-Besucher gegenüber behaupten, es handele sich dabei erstens um eine schöne Tradition.

Kölner: "Der kölsche Klüngel, is jet, wat et imme gejovve hätt."

Und zweitens um eine schöne Form der Sozialkontaktpflege.

Kölner: "Dat braucht nit immer Klüngel zu sein, aber et is schon beser, wenn man einen kennt."

Womit das zweite Kölner K-Wort auch abgehandelt wäre. Kommen wir zum dritten: Kirche. - Kirche bzw. Katholizismus bzw. - noch ein K - käufliche Liebe. Hören wir dazu zunächst ein Grundsatzstatement des Kölner Theatermachers Walter Bockmayer.

Kölner: "Und da denk ich, dass das nach Köln auch sehr gehört: Kirche und Puff, so empfind ich die Stadt. Wo Katholizismus ist, ist es auch so, dass es so viele Tabus gibt. Und wo Tabus sind, entstehen natürlich auch so Sachen wie Dirnen oder Puffs oder alles, was verboten ist. Und Köln hat im Katholzismus auch ne Tradition. Wir haben ja nicht umsonst n Kardinal hier, in der Stadt. Nicht daß ich was dagegen hab, Gott bewahr mich davor."

Gott bewahre den Kölner vor Kirchenkritik. Und den Kölnbesucher vor falschen Schlussfolgerungen. Die größten Kritiker der Elche sind in der Domstadt selber welche. Das heißt: wer das Geweih bzw. das Geweihte in Zweifel zieht, der ist doch stets im Grundsatz gläubig. Und diesen Glaubensgrundsatz soll der Besucher nicht in Frage stellen. Hinnehmen und andächtig schweigen ist für Auswärtige die beste Haltung angesichts Kölns katholischer Komplikationen. Sie sind undurch- und unüberschaubar. Man mische sich nicht ein, man halte Abstand. Genau wie bei der Besichtigung des Doms, der nur mit Abstand in die Fotooptik passt. Sehr imposant, aber - man muss es zugeben - er ist die einzige wirklich einmalig besondere Sehenswürdigkeit der Stadt. Ohne Dom wäre Köln wie Dortmund. Voller reizender Bewohner zwar doch frei von jeder urbanen Sonderausstattung. Mit dem Dom, durch den Dom hat die Stadt und haben ihre Bewohner einen Orientierungspunkt, einen Fixpunkt. Etwas zu dem sie aufschauen können.

Und aufschauen lassen. Tausende Touristen umringen tagtäglich hälsereckend die hohe Kathedrale, und verschaffen den Einheimischen das Gefühl, Metropolen-Bewohner zu sein. Glückliche Metropolenbewohner. Und bescheidene, denn mehr Monumentales als den Dom braucht der Kölner nicht. Wie er in einem seiner liebsten Schlager gern bestätigt. Wir können an dieser Stelle leider nicht vermeiden, ihn zu spielen. Denn er ist höchst bezeichnend für das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein der Einheimischen.

"Stell dir für, dr Kreml stünd am Ebertplatz, stell dir für dr Louvre stünd am Ring."

Angenommen, der Kreml wäre am Ebertplatz und der Louvre am Ring.

Musik "Do wör für die zwei doch vill zu wenig Platz, dat wör doch e unvorstellbar Ding."

Das wäre wegen Platzmangels unvostellbar. Woraus folgt: Wir lassen den Dom in Köln. Denn da gehört er hin. Was soll er denn woanders. Das macht doch keinen Sinn.

Musik "Mr losse dr Dom in Kölle, denn do jehört er hin. Wat soll der dann woanders, dat macht doch keine Sinn."

Besser lässt sich das denkmalpflegerische Selbstverständnis des Kölners nicht beschreiben. Erstens: haben wir weder Platz noch Bedarf für mehr als ein Monument. Zweitens: das Monument, das wir haben, lassen wir, wo es ist - also: die Kirche im Dorf. das die Stadt im grunde ist. Mit anderen Worten: wir haben, was wir brauchen und brauchen auch nicht mehr. Womit wir beim vierten Kölner K wären: der Kultur. - Stadtkultur. Der Dom gehört zum Weltkulturerbe - dem offiziellen auf der UNESCO-Liste. Das freut die Kölner sehr. Erstens, weil es eine amtliche Bestätigung ist für die globale Kulturbedeutung ihrer Stadt. Zweitens weil das schöne Prädikat nichts kostet. Nicht mal Gedanken.

Und so planten die Kölner in ihrem steten Streben nach Höheren dem Dom gleich gegenüber ein Bürohochhaus, beinahe genauso hoch und mindestens genauso stolz. Wie verblüfft aber war man, als eines Tages Post kam - von der Unesco aus Paris, wo man von den hochfliegenden Plänen in Köln gehört hatte und Einspruch erhob. Wenn der Blick auf den Dom durch andere Gebäude abgelenkt werde, wisse man nicht, ob er noch als Weltkulturerbe gelten dürfe. Da staunte man in Köln dann doch. Dass man von so weiter Ferne unbehindert auf den Dom blicken wollte. Denn, merke: Als Weltstadt sieht man sich in Köln gern - aber daß die Welt das auch so sehen könnte und ihre Sichtweise der Stadt aufnötigt? Das macht die Kölner doch etwas unglücklich - nicht über die Stadt natürlich, sondern über die Welt. -- Nun, inzwischen steht das Hochhaus - nicht so hoch wie einst geplant, aber mit einer schönen öffentlich zugänglichen Aussichtsterrasse, von der Besucher - beispielsweise UNESCO-Funktionäre aus Paris - den Dom ganz aus der Nähe betrachten können. Und den Blick möglichst nicht schweifen lassen.

Kölner: "Scheußlich entsetzlich. Dat jitt et doch nit."

Wer die unmittelbare Domumgebung verlässt und nur ein paar Meter in eine beliebige Richtung geht, wird nicht umhinkönnen eine gewisse Vernachlässigung des Stadtbilds festzustellen.

Kölner: "Et is Sauerei. - Dat is schon e Sauerei."

Reden wir nicht über Müll.

Kölner: "Oh, der Driss, et is Sauerei."

Reden wir nicht über Müll. Reden wir über Möbel. Stadtmöblierung.

Kölner: "Jo, da han ich mir noch kein Gedanke drüber gemaat."

Eben leider drum - ist die Stadt etwas gedankenloser gestaltet, als bei europäischen Millionstädten sonst üblich. Verplante Plätze, zudekoriert mit Fußgängerzonenzier aus 30 Jahren. Betonpflanzwannen aus den 70ern. Nachgeäffte Gußeisenlaternen im boulevadcharaktersitsichen Stil der 80er. Pseudo-postindustrielles Alu- und Stahlgerümpel aus den 90ern. Alle paar Monate scheint die Stadt großflächig neue Prototypen öffentlicher Mülleimer, Fahrradständer und Begrenzungspoller zu testen. Jede auch nur halbwegs ansprechende Perspektive lenkt den Blick auf ein zentral plazierets Müllcontainer-Ensemble.
Kölner: "Et gibt nirgends wat Schlimmeres wie hier den Dreck."

Pflegt der Kölner zu sagen - und wartet auf wen, der den Dreck wegmacht. Auch das hat Tradition, die an einem der wenigen sehenswerten Denkmäler der Stadt nachvollzogen werden kann. In Wort und Bild in Stein gemeißelt: die Ballade der sagenhaften Heinzelmännchen von Köln. Von der die erste Strophe lautet:

"Wie war zu Köln es doch vordem
Mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn, war man faul, man legte sich
Hin auf die Bank und pflegte sich:
Und eh ein Faulpelz noch erwacht,
War all sein Tagewerk - bereits gemacht!"

Nämlich von den regen Zwergen, die nächstens unerkannt das wegräumten, was die Kölner tagsüber liegen ließen. Bis zu jener Nacht, als sie von einer neugierigen Kölnerin bei ihrem heimlichen Tun entdeckt wurden, worauf sie sich auf Nimmerwiedersehen verkrümelten. Moral von der Geschicht:

"Ach, dass es noch wie damals wär.
Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her."

So weint der Kölner der Vergangenheit hinterher - und hat ganz tränenblind kein Auge für die Zukunft. Bestenfalls schielt er aufs Portemonnaie, entdeckt: da ist nichts drin und also nichts zu machen. Stadtverschönerung? Kulturplanung? Der Oberbürgermeister - Fritz Schramma heißt er - zuckt die Schultern, schüttelt Kopf samt dem dekorativen und stadtamtsträgerüblichen Schnauzbart und erklärt: planen dürfe jeder, was er wolle, aber -

Schramma: "Aber in die weitere Planung muss ich dann doch eingreifen und rechtzeitig darauf hinweisen, dass das und das und das in Zukunft nicht mehr geht."

Es geht nur wenig kulturell. Natürlich: die Etats sind - wie überall - arg gekürzt worden. Aber muss man deshalb auch zu verkürztem Denken neigen? - Der kürzeste Gedanke in Köln lautet: dat brink nix. Und was nichts bringt, das braucht man nicht. Plätschernde Brunnen? Verbrauchen nur teures Wasser. Also Trockenlegen. Attraktive Plätze? Stehen nur leer. Also an private Event-Investoren vermieten - die stellen dann für Nippes-Märkte Kirmesbuden auf oder schütten Sand für Beach-Volleyball-Turniere auf. Das Stadtbild wird beherrscht von Fliegenden Bauten. Nördlich vom Dom das müllsackartige Zeltdach eines Musical-Theaters, das vor über zehn Jahren "nur vorübergehend" installiert wurde und seitdem das Rheinpanorama verschandelt. Südlich vom Dom der Zentralbahnhof diverser Stadtrundfahrt-Bimmelbahnen, deren Kirmes-Design sich im Minutentakt vor die gotische Aussicht schiebt. Westlich vom Dom eine Einkaufscity, deren Dumping-Look man Frankfurt an der Oder nicht an die Peripherie wünschen möchte. Und über allem ein Stadtoberhaupt, das sich für Kultur durchaus nicht mehr interessiert als seine Bürger.

Schramma: "Da würd ich mich niemals reinhängen, weil ich nicht der Kulturfachmann bin."

Es sei denn, es springt was dabei raus.

Schramma: "Dann kann ich doch auch da einmal wirtschaftlich denken und kann sagen, pass mal auf, ich guck da nach, ob ich da nicht noch etwas mehr raushole, denn die Leute sind ja einfach - wie man in Köln sagt - jeck darauf da hinzu gehen und wollen das sehen. Und dann bezahlen sie auch fünf Euro mehr für die Karte."

"Wir leben das", lautete der Slogan der - selbstverständlich komplett aussichtlosesn - Kölner Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas. Und es lebt sich wirklich aus, das rheinische Gemüt. Diese frappierende Mischung aus maßlosem Ehrgeiz und planlosem Eifer und lässiger Wurschtigkeit und einem wirklich großen großen Glauben.

Schramma (bei Rosenmontagszug): ""Wir werden das schaffen. Und wenn die ganze Tribüne mitmäät, dann krieje mer dat och hin. Op die Kulturhauptstadt 2010, Dreimol Kölle Alaaf, Kölle..."

Womit wir beim nächsten K sind. Karneval. - Nun, in den Sommermonaten muss man darüber nicht viel wissen. Zwar ist der Kölner im Prinzip ganzjährig lustig:

"Es ist für uns ja immer das schönste in Köln, wenn jemand mit urwüchsigem Humor sauberster Art ein Witzchen an das andere reiht."

Aber die Rituale rund ums Witzereihen beschränken sich auf die Zeit nach dem 11.11. - Besucher sollten daher - auch wenn von Stadt und Städtern schwer begeistert - nicht unvermittelt "Kölle Alaaf" rufen. Derartige Gefühlsausbrüche stimmen den Kölner skeptisch. Es sei denn, sie kommen von ausgewiesener Welt-Prominenz. Und selbst dann hallt die Solidaritätsadresse ans kölnische Gemüt nicht lange nach. Prominentes Beispiel. John F.Kennedy. Dass er sich in Berlin Berliner nannte, ist bekannt - aber wer erinnert sich schon noch an seinen Kölner Auftritt?

Kennedy: "It is in this spirit, that I come to Cologne to see the best of the past and the most promising of the future. May I greet you with the old word: Köln Alaaf."

Kurzer Jubel – verklungen in den Tiefen des historischen Raums. Denn merke: der Kölner braucht keine Vorfreuer. Er macht sich's gut und gerne in der eigenen Selbstberauschtheit schön gemütlich. Neulich noch zu beobachten. Als es beim WM-Spiel Portugal gegen Angola im Kölner Stadion auf dem Platz etwas langweiliger zuging, da feierten die Zuschauer auf den Rängen sich einfach selbst, indem sie – spontan, völlig fußballfern und komplett heimatselig die Domstadt-Hymne sangen: Viva Colonia. Mit der hinreißenden Refrainzeile: Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust. Wir glauben an den lieben Gott und haben immer Durst. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Kölner: "So is dat un so bliev dat. dat is esu. Dat is esu."

Und wenn der Kölnbesucher so – und mit den drei wichtigsten Grundgesetzen der Stadt im Gedächtnis – wir erinnern uns: Es ist, wie es ist. - Es kommt, wie es kommt. Und: Es ist noch immer gut gegangen... Wenn der Kölnbesucher von diesen Regeln beflügelt die Rückreise antritt, dann soll er sich nicht wundern, wenn ihn niemand vermisst und keiner hinterherwinkt. Denn auch das entspricht einem Kölner Grundgesetz, das in Glas graviert am Flughafen den Reisenden informiert. Es ist das vierte und es lautet: wat fott is is fott. – Weg ist weg.