Die Hippiestadt Fairfax in Kalifornien

Wo kiffende Opis Polizisten grüßen

Ein älterer Hippie sitzt mit einer Gitarre und einem kleinen Hund auf dem Arm auf einer Bank und zeigt lachend das Victory-Zeichen
"Love, Peace and Harmony" - im kalifornischen Fairfax scheint dieser Traum wahr geworden zu sein. Zumindest schließen die Menschen dort selten ihre Haustür ab. © imago stock&people
30.08.2017
"Ungewaschene Hippies" und Drogen – man könne nicht mehr für die Sicherheit garantieren. Deshalb wurde das legendäre Festival in Fairfax einst verboten und 1977 wieder eröffnet. Inzwischen ist es zum Mekka für Jung und Alt geworden.
Fairfax, Kalifornien. Gut eine halbe Autostunde von San Francisco entfernt findet in dem Städtchen das Fairfax Festival statt. In diesem Jahr bereits zum 40. Mal. Die Hauptstraße ist an diesem Samstag autofreie Zone und die Fahrbahn stattdessen voller Menschen. Mitten in dem Festzug rollt auf Rädern ein riesiges Wikingerschiff aus Holz. Kinder mit bunt bemalten Gesichtern schwenken dort Piratenfahnen und winken den Menschen am Straßenrand zu.
Derselbe alte Umzug, meint Pete, der seit vierzig Jahren das Festival mit einer kurzen Ansprache eröffnet. Es gibt Verkaufsstände und Spielbuden, Live-Musik und Kunsthandwerk. Gemeinnützige Organisationen verkaufen Hot Dogs und Bier. Richard Pedemonte ist seit 15 Jahren Vorsitzender des Trägervereins. Das Fairfax Festival sei nicht wie andere Festivals, erklärt er.
"Einzigartig für die Vereinigten Staaten oder zumindest für Kalifornien ist, dass wir auf ein professionelles Management verzichten. Das Festival wird nur von Ehrenamtlichen organisiert. Wenn das Festival am Samstagmorgen mit dem Umzug beginnt, ist fast die ganze Stadt dabei."
Zwei Tage lang dauert das Festival. An jedem Tag kommen rund 15.000 Besucher und feiern am Stadtrand unter den "Redwoods" – Mammutbäumen aus Rotholz. Auf einer Wiese, neben Verkaufsständen für Hippie-Klamotten, sitzen und liegen Menschen. Nach einer Gesetzesreform dürfen sie seit Beginn dieses Jahres ihre Joints legal rauchen. Freundlich grüßen sie zwei Polizisten, die durch die Menge streifen. Richard Pedemonte erinnert sich an die späten Sechziger Jahre, als das noch anders war – und das Festival richtig wild. Und Fairfax Teil der Gegenkultur und das Zuhause etlicher Rock-Stars war.

Früher war das Festival noch wild

Damals lebten die Musiker von Grateful Dead in der Stadt. Jefferson Airplane. Van Morrison lebte genau in dieser Straße. Es gab so viele Musiker hier. Auch zwei, drei Nachtclubs, die jeden Tag Konzerte boten. Das Fairfax Festival wurde immer wilder und größer, so viele Leute kamen, um hier abzuhängen. Bis der Polizeichef verkündete, er könne für die Sicherheit der Bewohner nicht mehr garantieren. Die Zeitungen schrieben über "diese ungewaschenen Hippies", die auf der Straße Joints rauchten. Also machten sie das Festival dicht und eröffneten es erst 1977 wieder.
Auch wenn die Rockgrößen von einst längst nicht mehr hier wohnen, ist Fairfax ein Zentrum für Musik und Treffpunkt für Musiker geblieben. Im "Broadway 19", einer Bar, so alt wie das Festival, gibt es noch immer jeden Tag Live-Musik. Sieben Tage die Woche. Chris steht hier seit 30 Jahren hinter der Theke.
"Tagsüber kommen meistens Arbeiter, wenn sie Feierabend haben. Nachts kommt die Musik-Szene. Das ist ein völlig anderer Menschenschlag. Vor allem freitag- und samstagnachts verändert sich die Atmosphäre – mit Restaurants, Bars, Musik. Nach Sonnenuntergang ist Fairfax eine andere Stadt."

Love, Peace and Harmony

Streift man tagsüber durch Fairfax, kommt man an der ökologischen "Kaffeerösterei" vorbei. An einer Bio-Eisdiele, an Läden mit Öko-Bekleidung, einem exklusiven Bio-Supermarkt und einer Gärtnerei, die nur einheimische Pflanzen verkauft. Die Bewohner von Fairfax trennen auch ihren Müll. Die meisten schließen nicht einmal nachts ihre Haustür zu, denn Kriminalität gibt es hier so gut wie nicht, berichtet Richard Pedemonte. Wenn alle Jubeljahre mal ein Auto geknackt werde, sei das der Lokalzeitung eine Schlagzeile wert. Richard Pedemonte ist ganz begeistert von seiner Stadt.
"In Fairfax wohnen 7000 Menschen, aber jeder meint jeden zu kennen. Alle grüßen sich. Es ist einfach ein Glück, in einer solchen Stadt zu wohnen. Die auch noch so schön gelegen ist, inmitten von Parklandschaft. Und wir haben diesen wunderschönen Berg Tamalpais. Wenn ich durch meine Hintertür gehe, laufe ich nur eine Minute – und bin in der Wildnis. Eine magische kleine Stadt."

In Fairfax gibt es nicht einmal einen McDonald‘s

Fairfax gilt auch als Geburtsort des Mountainbikes. Dessen Erfinder haben hier ein Fahrrad-Museum eröffnet. An jeder Ecke gibt es einen Radverleih. Scharen von gestressten Großstädtern fallen an den Wochenenden ein, um sich in der bergigen Umgebung beim Wandern oder Radfahren zu erholen. In Fairfax gibt es kein einziges Einkaufszentrum, keine Handelsketten, kein McDonald‘s. Die Bewohner wünschten das so, sagt Richard Pedemonte, der lange Zeit Vorsitzender der örtlichen Handelskammer war. Als er vor Jahrzehnten nach Fairfax zog, hätten Leute ihn davor gewarnt, in die Stadt der mittellosen Hippies zu ziehen.
"Die Hippies sind nicht weggezogen: Sie sind nur reifer geworden. Heutzutage muss man natürlich mehr Geld für ein eigenes Haus auf den Tisch legen als damals. Aber die Leute, die hierher ziehen, sind alle hochgebildet und haben gute Jobs. Und sie gehören politisch zum linken Spektrum. Fairfax ist ein wohlhabendes Hippie-Städtchen, würde ich sagen."
(mw)
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