Die Geburt der D-Mark

Von Georg Gruber · 20.06.2008
Am 20. Juni 1948 trat in den westlichen Besatzungszonen das "Erste Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens in Kraft". Die Währungsreform gehört zum Gründungsmythos der Bundesrepublik: Vor der Reform waren die Schaufenster leer, dann gab es auf einmal alles in Hülle und Fülle. Doch tatsächlich wurde die Währungsreform zunächst kritisch angenommen, und das Wirtschaftswunder ließ noch auf sich warten.
"Das neue Geld heißt: Die Deutsche Mark, jede Deutsche Mark hat 100 Deutsche Pfennige."

Millionen Menschen saßen am Abend des 18. Juni 1948 vor ihren Rundfunkgeräten und hörten den Sprecher der amerikanischen Militärregierung, der für den 20. Juni die Ausgabe des neuen Geldes bekannt gab:

"Dieser Kopfbetrag beläuft sich auf 60 Mark, die gegen den gleichen Betrag von Altgeld ausgezahlt werden. Hiervon werden 40 Mark diesen Sonntag ausgezahlt und die restlichen 20 Mark einen Monat später."

In den Westzonen hatte man schon länger mit einer Währungsreform gerechnet.

"Ich begrüße die Währungsreform nur dann, wenn ehrliche Arbeit dann wieder durch ehrliches Geld entlohnt wird."

"Es ist ja keine Währungsreform, sondern nur eine Beschneidung des Geldüberhanges. Und insofern muss man damit rechnen, dass man bald wieder eine Währungsreform hat. Und insofern wird das eine Schraube ohne Ende sein."

Das Angebot in den Läden war spärlich, dafür bekam man für Zigaretten auf dem Schwarzmarkt fast alles. Die Reichsmark verlor dort immer mehr an Wert.

Reporterin: "Na, gibt es denn überhaupt noch was?"

Schwarzhändler: "Ja, zum Teil gibt es noch was. Der Bohnenkaffee ist sehr teuer, die amerikanischen Büchsen kosten irgend etwas um 800 Mark rum, es steigt stündlich wie ein Luftballon."

Am Montag, dem 21. Juni 1948, dem Tag nach der Geldausgabe, waren dann die Schaufenster auf einmal wieder voll:

"Mit der Währungsreform wurde über Nacht auch das Obst reif. Auch hier blüht das Geschäft, die Auswahl ist groß, die Bedienung freundlich. Es gibt mit einem Male wieder Dinge, von denen man bisher nur im Flüsterton sprach, die nur unter dem Ladentisch veräußert wurden. Jetzt ist Geld wieder alles."

Die neuen Geldscheine waren bereits im Oktober 1947 unter strengster Geheimhaltung in Washington und New York gedruckt und nach Deutschland verschifft worden. Die Amerikaner hatten mit der Vorbereitung einer Währungsreform für die Westzonen begonnen, als sich abzeichnete, dass eine Lösung für ganz Deutschland wegen der Spannungen zwischen den Siegermächten nicht zustande kommen würde.

Im April 48 war eine Gruppe deutscher Finanzexperten wiederum unter strengster Geheimhaltung für eine mehrwöchige Klausur auf ein Kasernengelände bei Kassel gebracht worden. Dort hatten sie nach US-Vorgaben drei "Gesetze zur Neuordnung des Geldwesens" auszuarbeiten sowie eine Vielzahl von weiteren Dokumenten für die Umsetzung der Reform.
"Also, ich habe mit meiner Frau gesprochen: Ich kaufe vorläufig nur das Nötigste, vor allen Dingen Lebensmittel, die wir brauchen, um nachher einen Überschlag zu haben, wie weit wir überhaupt mit dem Geld kommen."

Die Währungsreform ist ein Schritt hin zur Teilung Deutschlands - die Sowjets beginnen als Reaktion im Juni 48 mit der Blockade Berlins und sperren außerdem alle Zonengrenzen. Sie führen strenge Kontrollen durch, um zu verhindern, dass nun aus den Westzonen wertloses altes Geld in den Osten schwappt und dort die Inflation anheizt.

"Befehl des obersten Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland Nummer 111."

Die Sowjets ordnen eine eigene Währungsreform an, für ihre Besatzungszone und Großberlin. Zunächst werden alte Scheine mit Wertcoupons beklebt, daher im Volksmund der Name "Tapetenmark".

Wer geglaubt hatte, mit der Reform hätten alle Westdeutschen die gleichen Startvoraussetzungen, der irrte. Denn während Grundbesitz und Aktienvermögen unangetastet blieben, wurden die kleinen Sparer faktisch enteignet, Spareinlagen verloren fast vollständig an Wert: aus 100 Reichsmark wurden 6 Deutsche Mark und 50 Pfennig.

Die Währungsreform wurde in der Bevölkerung zunehmend kritisch gesehen, auch weil nach Aufhebung der Preisbindung durch Ludwig Erhard, damals Direktor der Verwaltung für Wirtschaft, vieles teurer wurde. Bei fast gleich bleibenden Löhnen und steigenden Arbeitslosenzahlen. Im November riefen die Gewerkschaften für einen Tag zum Generalstreik auf. Erhard verteidigte dagegen seine liberale Wirtschaftspolitik:

"Es zeigt sich immer deutlicher, dass wir im Zuge unserer wirtschaftlichen Erholung mit dem Abschluss des Jahres 1948 zugleich auch jene erste und gefährlichste Phase überwunden haben, die aus den Spannungen zwischen Geld- und Gütervolumen resultierte, und in scheinbar chaotischen Preissteigerungen Ausdruck fand."

Doch das Wirtschaftswunder, das heute rückblickend oft mit der Währungsreform verknüpft wird, sollte noch auf sich warten lassen. Die Arbeitslosenzahlen sanken erst in den 50er Jahren.