Die EU und die Flüchtlinge

Was wird aus Schengen?

Kinder im sogenannten "Hotspot"-Registrierungszentrum in Moria auf der griechischen Insel Lesbos.
"Hotspot"-Registrierungszentrum auf der griechischen Insel Lesbos. Ankommende Flüchtlinge sollen hier registriert werden. © dpa/picture alliance/Orestis Panagiotou
Von Annette Riedel · 18.02.2016
Flüchtlinge sollen an den EU-Außengrenzen besser kontrolliert, registriert und - wenn nötig - auch zurückgeschickt werden. Darauf hat sich die EU verständigt. Gelingt das innerhalb der nächsten drei Monate nicht, dann steht auch das Schengener Abkommen grundsätzlich zur Debatte.
Schengen funktioniert angesichts des nie dagewesenen Zustroms von Flüchtlingen und dem entsprechenden Druck auf die EU-Außengrenzen zurzeit erkennbar nicht. Das System des Reisens ohne Kontrollen im Schengen-Raum ist gefährdet, muss aber unter allen Umständen als eine der wichtigsten Errungenschaften der Union gerettet werden, so das allgemeine Credo.
Ein optimistisches Szenario für die Zukunft Schengens: Die Kontrolle - wohl gemerkt nicht die Schließung - der Außengrenzen funktioniert innerhalb der nächsten drei Monate wieder. Asylsuchende werden kontrolliert, registriert, kanalisiert, gegebenenfalls zurückgeschickt. Die Hoffnungen nicht nur von EU-Kommissar Avramopoulos konzentrieren sich auf das Konzept der sogenannten "Hotspots", die mit EU-Hilfe in Italien und Griechenland aufgebaut und gemanagt werden sollen.

Jeder Flüchtling soll registriert werden

"Italien und Griechenland müssen dringend dafür sorgen, dass alle sechs Hotspots funktionsbereit sind. Es scheint voranzugehen, was ein positives Signal ist."
In der Tat ist inzwischen der Anteil der Flüchtlinge, die in Griechenland regelgemäß registriert werden, erheblich gestiegen - von unter 10 Prozent im Oktober auf fast 80 Prozent Anfang Februar.
"We have to reach 100 %."
Führen die "Anleitungen" zum Erfolg, dann gäbe es aus Sicht der EU-Kommission keine Begründung mehr für Kontrollen inneuropäischer Grenzen.
Das pessimistische Szenario sieht so aus: Die "Anleitungen" führen nicht zum Erfolg. Dann könnten die Länder des Schengen-Raums bis zu zwei Jahre an Binnengrenzen kontrollieren, wie es neben Deutschland sechs weitere Länder zurzeit tun. Dann wäre Schengen vielleicht immer noch nicht tot, aber zumindest suspendiert.

Auf dem Weg zu einem "Mini-Schengen"?

Im Europäischen Parlament hoffen die meisten, wie der CDU-Abgeordnete Herbert Reul und seine SPD-Kollegin Birgit Sippel, dass es dazu nicht kommt. Könnte es doch tatsächlich der Anfang vom Ende von Schengen sein.
"Wenn sich das dann verstetigt und zu stabilen Grenzkontrolle wird, dann ist Schengen hin. Und das wär Drama - das wäre ein Riesendrama."
"Das wäre ein Schlag, von dem wir uns alle gemeinsam so schnell nicht erholen würden."
Kaum weniger dramatisch wäre aus Sicht Birgit Sippels und Herbert Reuls ein anderes Szenario, das seit einigen Monaten immer mal wieder ventiliert wird: dass sich einige EU-Staaten des Schengen-Raums zu einer Art "Mini-Schengen" zusammenschlössen, darunter Deutschland, Österreich, Slowenien, die Niederlande. Sie würden die Grenzen untereinander offen halten, aber alle Grenzen zu nicht beteiligten EU-Nachbarn wie Außengrenzen behandeln und kontrollieren.
"Ich halte das für Quatsch, weil mit solch einem 'Mini-Schengen' würde man in der derzeit politisch sehr aufgeheizten, emotionalen Debatte auch ein Signal geben: Europa löst sich auf und konzentriert sich auf wenige."
"Wir haben ja mit Schengen schon eine Teilgruppe in Europa. Wenn wir die noch weiter unterteilen, dann zersplittert's."
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