Deutsch-deutsche Bande

Von Wolf-Sören Treusch · 19.09.2006
In Zeiten vorsichtiger Annäherung zwischen beiden deutschen Staaten war es ein politischer Paukenschlag: Am 19. September 1986 besiegelten Saarlouis und Eisenhüttenstadt die erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaft. Heute sind die Bande bei weitem nicht mehr so eng wie zu Zeiten der politischen Wende in der DDR.
Vielleicht war es eine Reminiszenz an seine saarländische Heimat, die Erich Honecker, den Staatsratsvorsitzenden der DDR, bewog, Saarlouis den Zuschlag für die erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaft zu gewähren. Im Mai 1986 hatten die Bundesrepublik und die DDR nach zwölfjährigen Verhandlungen endlich ein Kulturabkommen besiegelt, der Weg für partnerschaftliche Beziehungen zwischen west- und ostdeutschen Gemeinden war also frei. Saarlouis, damals über 40.000 Einwohner, gegründet 1680 auf Anordnung Ludwigs XIV. zur Sicherung der französischen Ostgrenze, hatte bereits einen Wunschpartner: Halberstadt im Harz. Erich Pohl, 1986 Kulturverantwortlicher im Stadtrat von Saarlouis.

"Die Leute wollte man kennen lernen, wollte ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind, dass sie auch hier Leute finden, die Verständnis für ihre Situation haben, denn gerade wir an der Saar hatten ja durch unsere wechselvolle Geschichte immer kennen gelernt, was es heißt, von Deutschland abgetrennt zu sein."

Doch Erich Honecker wollte ein Zeichen setzen: Eisenhüttenstadt sollte es sein, die damals 50.000 Einwohner zählende Stahlstadt an der Grenze zu Polen, 1950 in der Zeit des Aufbruchs gegründet, Ausdruck industriellen Selbstbewusstseins der DDR.

Den Verantwortlichen aus Saarlouis war es egal - das Abenteuer sollte endlich beginnen. Am 19. September 1986 trafen sich die Delegationen beider Städte in Saarlouis. Erich Pohl.

"Da haben wir morgens noch einmal im kleinen Sitzungssaal im Rathaus gesessen, haben uns unterhalten, da gab es mal so eine kleine Lücke, und dann sagte einer: 'Singen wir doch mal ein Lied.'. Was meinen Sie, was wir gesungen haben? 'Steige hoch, du roter Adler, steige', das Brandenburger Lied. Das haben wir gekonnt, vor allem die erste Strophe haben wir gekonnt noch, und dann war wieder der Bann gebrochen, und alle waren guter Dinge für den Abend, und das war auch so, das lief also prima an."

Abends beim Festakt im Theater unterzeichneten die beiden Oberbürgermeister den Vertrag über die erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaft. Manfred Henrich, OB von Saarlouis:

"Zentrales Anliegen der Partnerschaftsvereinbarung ist die Förderung des Friedens. Frieden wird dabei - und das kommt in der Vereinbarung mit aller wünschenswerten Deutlichkeit zum Ausdruck - nicht als bloßes Fehlen von Auseinandersetzungen mit Waffen, sondern als ein Zustand der Entspannung und Zusammenarbeit zwischen den Völkern, mit anderen Worten, als ein Stand der internationalen Beziehungen verstanden, in dem die Gefahr der Überwältigung eines Staates durch einen anderen nicht mehr real erscheint."

Manfred Sader, Oberbürgermeister von Eisenhüttenstadt, hatte von einem DDR-Künstler eigens eine Schatulle für die Partnerschaftsurkunde fertigen lassen - weil sie zu klein ausgefallen war, ließ er sie im Hotel.

"Die Eisenhüttenstädter sind optimistische und lebensfrohe Menschen, die ihre Zukunft fest in ihre eigenen Hände genommen haben. Mit Optimismus und auch voller Erwartung blicken sie auch auf die Entwicklung städtepartnerschaftlicher Beziehungen mit Ihrer Stadt."

Die Begegnungen in den ersten Jahren liefen nach einem strengen Reglement ab, trotzdem nutzte ein Musiker aus Eisenhüttenstadt den Besuch im Westen zur Flucht. Um peinlichen Fragen der Reporter aus dem Weg zu gehen, reiste die Ostdelegation heimlich in die Nacht ab.

Erst nach dem Mauerfall legten die beiden Städte richtig los. Saarlouis schickte Verwaltungspersonal, Autos, Einwegspritzen, westliches Know-how, Eisenhüttenstadt profitierte davon. Vor allem auf Vereinsebene besuchte man sich eifrig. Harald Hahn von der Freiwilligen Feuerwehr Eisenhüttenstadt über seinen ersten Besuch in Saarlouis:

"Wir sind dort durch die Straßen marschiert, das war wie bei der Tour de France, so ein Empfang, war fantastisch gewesen, und das ist es bis heute. Nach wie vor habe ich Entzugserscheinungen, wenn ich nicht einmal im Jahr in Saarlouis bin."

Die Freiwilligen Feuerwehren der beiden Städte pflegen noch immer einen engen Kontakt, der Enthusiasmus der Kommunalpolitiker hat sich gelegt. Sportwettkämpfe, Jugendaustausch: Fehlanzeige. Einmal im Jahr trifft man sich zu den Saarlouiser Partnerschaftsgesprächen. "Künstliche Beatmung", urteilte die "Süddeutsche Zeitung" 1999 in einem Artikel über die Bemühungen der beiden Städte, den Kontakt zu halten.

Wozu dann aber überhaupt noch eine deutsch-deutsche Städtepartnerschaft? Kathrin Heyer, Integrationsbeauftragte von Eisenhüttenstadt.

"Partnerschaften, die über so viele Jahre bestehen, die sollte man auch in schwierigen Zeiten erhalten. Eine Partnerschaft ist schnell beendet, aber eine Partnerschaft wieder aufzubauen, das ist sehr schwierig."