Der Tag, an dem sich die Welt verdunkelte

Von Mathias Schulenburg · 27.08.2008
Der glutheiße Vulkanauswurf der indonesischen Insel und gewaltige Tsunamis forderten 36.000 Todesopfer. An den Rand der Atmosphäre geschleuderter Staub verdunkelte die Erde und führte lokal zu Abkühlungen und Missernten.
Schon das Preludium zur größten Naturkatastrophe der Neuzeit am Tag zuvor war beeindruckend genug. Am Nachmittag begann der Vulkan auf Krakatau Explosionen in Serie freizusetzen, die noch im 160 Kilometer entfernten Djakarta als naher Kanonendonner empfunden wurden. Als die Dämmerung kam, flackerte die riesige Staub- und Aschesäule über dem Vulkan im Licht permanenter Blitze.

Anderntags dann, am Morgen des 27. August 1883, das Inferno. In einer Rieseneruption, deren Knall noch die Menschen im über 3.000 Kilometer entfernten Südaustralien aus den Betten riss, wurden etwa 20 Kubikkilometer Gestein, Staub und Asche teils bis an die Grenze der Atmosphäre in 80 Kilometer Höhe gehoben. Die Magma-Höhle, aus der das Material stammte, brach nach ihrer Entleerung zusammen. Wo sich zuvor eine Insel mit einem Vulkan befunden hatte war jetzt die See, 300 Meter tief.

Die Gluthitze des Vulkanauswurfs war so groß, dass allein die Wärmestrahlung spontane Brände in der Umgebung auslöste, dazu kam ein dichter Regen von Gesteinsbrocken, Bimsstein und Asche. Eine Zeugin auf Sumatra:

"Es wurde pechschwarz. Das Letzte, was ich sah, war Asche, die sich in Fontänen durch die Fußbodenritzen presste. Ich quetschte mich durch die Tür in das pechschwarze Freie. Heiße Bimssteinasche stach wie mit tausend Nadeln. Schließlich hing mir die Haut in Fetzen herunter, vermengt mit Asche."

Die mit Staub beladene Atmosphäre blockierte in der Folgezeit Teile des Sonnenlichtes weltweit, was unter anderem zu Klimaverschiebungen und damit einhergehend zu Missernten führte. Die Sonnenauf- und Untergänge waren über Jahre von spektakulären Lichterscheinungen begleitet.

Die meisten der schließlich 36.000 Opfer aber waren den Tsunamis geschuldet, Monsterwellen von bis zu 40 Metern Höhe. Der Kapitän des 65 Kilometer entfernten Post- und Ausflugsdampfers Governor General Loudon notierte:

" Plötzlich sahen wir, wie sich eine Welle von riesiger Höhe schnell der Küstenlinie näherte. Die Mannschaft machte auf der Stelle das Schiff klar und es blieb gerade genug Zeit, senkrecht in die Wellenfront zu steuern. Die Loudon wurde mit schwindelerregender Schnelligkeit hochgehoben, machte einen gewaltigen Sprung, ritt mit einem steilen Winkel über den Wellenkamm und dahinter wieder herunter. Die Welle raste weiter auf das Land zu und die vor Entsetzen gelähmte Mannschaft sah, wie sie die Stadt Telok Betong mit einer einzigen wischenden Bewegung verschlang ..."

Die Loudon überstand die Katastrophe, ihre 111 Passagiere blieben unversehrt. Viele benachbarte Landbewohner hatten nicht soviel Glück; eine Landarbeiterin auf Java berichtete:

"Wir sahen, wie sich ein großes schwarzes Ding aus der Ferne näherte und erkannten, dass es Wasser war. Bäume und Häuser wurden weggewischt und die Leute fingen an, um ihr Leben zu rennen. In der Nähe war eine steilwandige Erhebung und alle rannten darauf zu. Für die meisten kam die Welle zu schnell und viele ertranken fast an meiner Seite. Alle kletterten auf einen bestimmten Punkt zu und blockierten sich dadurch. Dann kämpften und schrien sie. Die Leute weiter unten bissen die über ihnen in die Hacken, um sie anzutreiben, aber einer nach dem anderen wurde von dem reißenden Wasser fortgetrieben."

Geologische Katastrophen wie diese sind für die Zukunft keineswegs ausgeschlossen, denn die Erde ist unverändert vulkanisch aktiv. Immerhin lassen sich die Aktivitäten im Erdinneren heute besser verfolgen und sogar hörbar machen.

Als besonders gefahrenträchtig gilt Geologen derzeit eine Region im Yellowstone National Park in den USA, die alle 600.000 Jahre einen Supervulkan-Ausbruch hervorbringt, neben dem das Krakatau-Ereignis marginal erscheinen würde. Die Kräfte im Untergrund machen sich den Touristen derzeit nur über Geysire bemerkbar.