Der ewige Widersacher

18.05.2012
Der Musikkritiker Neil McCormick kennt den U2-Sänger Bono aus seiner Schulzeit in Dublin und ist rasend eifersüchtig auf dessen Erfolg. Am liebsten würde er den Superstar umbringen. Stattdessen rechnet er in "Killing Bono" mit den Geschäftspraktiken im Musikbusiness der 80er-Jahre ab.
Musikkritiker – so heißt es manchmal – sind eigentlich nur verhinderte Musiker: Leute, die selbst den Durchbruch nicht geschafft haben und die nun stattdessen andere in die Pfanne hauen, um die eigenen Misserfolge zu verschleiern. Wenn es nach dem irischen Musikjournalisten Neil McCormick geht, ist dieses Vorurteil offenbar berechtigt: In seinem Buch "Killing Bono" behauptet McCormick nicht nur, dass ihm U2-Sänger Bono die Karriere gestohlen habe, er stellt sogar Überlegungen an, wie es wohl wäre, den prominenten Konkurrenten zu töten.

"Killing Bono" ist eine Mischung aus Roman, Rock-Biografie und realer Lebensbeichte – die Geschichte eines Mannes, der sein Leben lang im Schatten eines Anderen, Größeren zubringt und der sich nun den Frust von der Seele schreibt nach dem Motto: Ich hätte es zu was bringen können, aber Bono war immer schon eher da…

Der junge Neil und der junge Paul – so der bürgerliche Name von Bono Vox – sind Schüler an der Mount Temple Comprehensive School in Dublin. Beide gründen Mitte der 70er-Jahre eine Band: Neil die Undertakers und Bono The Hype, aus der schon bald U2 hervorgehen. Doch während der eine mit seinem Quartett von Erfolg zu Erfolg getragen wird, bis er eines Tages Sänger der größten Rockband des Planeten ist, verheddert sich der andere in einem Geflecht aus inkompetenten Managern, ignoranten Musik- Labels und geplatzten Plattendeals.

Eines Tages, viele Jahre später, hat McCormick seine Gesangskarriere an den Nagel gehängt und arbeitet als Musikkolumnist für eine Londoner Zeitung. Da ruft Bono aus Miami an, erzählt ihm von den wilden Partys auf der U2- Welttournee und dass er gerade ein Duett mit Frank Sinatra aufgenommen hat. Und während Neil McCormick immer kleinlauter wird und immer grüner vor Neid, kommt ihm der Gedanke: Ich muss Bono um die Ecke bringen – er ist Schuld, dass ich nicht die Karriere hatte, die ich mir als Jugendlicher erträumt habe.

Natürlich kommt es nicht zum Äußersten in Neil McCormicks Buch und natürlich ist die Geschichte mit einer gehörigen Portion Augenzwinkern aufgeschrieben. McCormicks Analyse allerdings des Musik- Geschäfts Mitte der 80er Jahre ist schonungslos und desillusionierend; und als enger Freund von U2 und Ghostwriter der offiziellen Band- Biografie verfügt McCormick über eine Menge Insiderwissen, das selbst für langjährige U2 - Fans noch Neuigkeiten birgt.

"Killing Bono" ist ein Buch über große Ambitionen und geplatzte Träume, das sich amüsant und schnell liest und aus dem man trotzdem einiges mitnehmen kann. Einziger Kritikpunkt: die deutsche Übersetzung von Helga Köhler ist ein wenig hölzern. Wer also genug Englisch kann, sollte lieber zum Original greifen.

Rezensiert von Carsten Beyer

Neil McCormick: Killing Bono – Mein Leben im Schatten des Superstars
Aus dem Englischen übersetzt von Helga Köhler
Verlag Neues Leben Berlin, Berlin 2012
400 Seiten, 16,95 Euro