Der andere DDR-Film

Von Jörg Taszman · 20.03.2006
Die DDR lebt, wenn auch nur im Kino und meist nur als Farce oder als Komödie. Nun kommt die DDR als Melodrama ins Kino: Der Film "Das Leben der Anderen" beschäftigt sich auch damit, welche Macht die Stasi in der DDR hatte, wie sehr sie Karrieren ermöglichte und auch zerstörte. Wer allerdings einen Klischee beladenen "Siegerfilm" befürchtet, kann beruhigt sein.
Hauptmann Gerd Wiesler: "Die Gegner unseres Staates sind arrogant. Wir müssen Geduld haben mit ihnen, etwa 40 Stunden Geduld. Ich spule ein wenig vor."

Wiesler im Verhör:"Jan und Nadja kommen in eine staatliche Erziehungsanstalt. Wollen Sie das ? Wie heißt der Fluchthelfer?"

Häftling:" Gläske."

Wiesler: "Deutlicher!"

Häftling: "Gläske. Werner Gläske."

Wiesler:" Werner Gläske."

Er ist ein Meister im Verhör, der Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler. Feinde des Sozialismus haben bei ihm keine Chance. Er droht, wartet ab, bleibt ruhig, emotionslos. So scheint Wiesler der richtige Mann, um einen eigentlich staatstreuen Dramatiker zu beschatten und abzuhören. Wiesler funktioniert jedoch nicht mehr so reibungslos als linientreuer Befehlsempfänger. Ganz langsam verändert er sich. Aber kann er aus seiner Haut heraus und wie weit wird er gehen?

"Das Leben der Anderen" ist ein ganz anderer DDR-Film mit einem überragenden Ulrich Mühe in der Hauptrolle. Nicht zum ersten Mal hat man ihm angeboten, einen Stasioffizier zu spielen. Aber bisher lehnte Mühe ab, fand die Drehbücher zu oberflächlich und plakativ. Was war nun an dieser Rolle des Hauptmann Wiesler so viel überzeugender:

"Um im Kino Sinne zu sprechen, dass es gelingt, eine scheinbar sehr negative Figur in das Zentrum eines Filmes zu rücken und diese Figur als Menschen dann auch nicht aufzugeben. Das muss ja irgendwie auch gelingen, sonst wüsste man nach zehn Minuten, wie der halt so ist, wie der funktioniert, und man müsste die nächsten 100 Minuten nicht mehr machen. Mich hat schon sehr interessiert, wie aus so einer Hülle, voll gefüllt mit Ideologie, dann ein Mensch wird."

Auch wenn neben Mühe noch so gute Darsteller wie Sebastian Koch, Martina Gedeck und Ulrich Tukur mitspielen, so ist dies in erster Linie ein Film, der durch das zurückhaltende Spiel seines Hauptdarstellers lebt. Die Menschwerdung seiner Figur verkörpert Mühe mit minimaler Mimik, ohne große darstellerische Gesten. Wie bereitet man sich auf diese Art der Darstellung vor?

"Natürlich war es unglaublich schön für diese Arbeit, dass der Florian meine Art zu spielen mochte, also geradezu liebte. Und dass man dann auch die Ruhe hat zu sagen, ich muss hier nichts spielen, ich brauche nur noch zu denken. Das aber sehr konkret, sonst wird es Wischiwaschi. Aber wenn ich nur noch denken muss und man hat das Gefühl der Regisseur will das und liebst das auch, dass es sozusagen nur als Gedanke - durch das Gesicht hauptsächlich - durchlässig ist. Das ist natürlich unglaublich beglückend, auch als Vorgang. Aber dieses Vertrauen, sich so auch der eigenen Mittel zu berauben, so auf zu machen. Das macht man nur, wenn man merkt, da guckt jemand zu, dem genau das gefällt und der genau das möchte."

Nach Ende der Dreharbeiten bedankte sich Ulrich Mühe bei seinem jungen Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck in einem Brief dafür, dass er immer mit ihm war. Mühe war von Anfang an von dem gut recherchierten Drehbuch beeindruckt und musste an seiner Rolle nahezu keine Korrekturen vornehmen. Dem 33-jährigen Florian Henckel von Donnersmarck, der im Westen aufwuchs, dessen Mutter jedoch aus einem Dorf in der Nähe von Magdeburg stammt, ist es wirklich gelungen, DDR-Alltag einzufangen. Dabei sieht man auch wirklich Neues, wie Prostituierte die nur für die Stasi tätig waren, auch für deren Mitarbeiter wie Hauptmann Wiesler. Dem Regisseur war es wichtig, die Stasi in ihrer ganzen Komplexität darzustellen.

"Die Stasi war schon eine extreme Organisation. 100.000 Mitarbeiter, 200.000 IMs. In einer so mächtigen Organisation hat es so ziemlich alles gegeben, da ist einfach alles möglich. Gleichzeitig wollte ich in dem Film auch zeigen, dass die Stasi eine Elite war, dass die Stasi nicht eine DDR-Gestapo war. Das war mir schon auch wichtig. Bei der Gestapo wurden von brutalen Leuten, Knochen gebrochen. Die Stasi hat bis auf wenige Ausnahmefälle so etwas eigentlich nicht gemacht. Die Stasi war spezialisiert auf den Geist. Sie hat Geister gebrochen, nicht so sehr Knochen und Körper."

Um mich vorzubereiten, musste ich mich nur erinnern, sagt Ulrich Mühe, der im Interview hochkonzentriert und dabei angenehm locker ist: Er raucht entspannt, lässt eine angenehme Gesprächssituation zu, die über das reine Frage-Antwort-Spiel hinausgeht. Zu DDR-Zeiten war Ulrich Mühe einer der populärsten Theaterschauspieler am Deutschen Theater in Ost-Berlin.

Allein vier IMs waren auf ihn angesetzt, und als er vor zehn Jahren seine Stasiakten las, war er überrascht, wer ihn alles bespitzelte. Mit diesem Thema hat Ulrich Mühe abgeschlossen. So möchte ich auch nicht nachbohren, eine Frage zu seiner damaligen Frau stellen, die IM war. Im Buch zum Film hat sich Mühe dazu übrigens einmalig geäußert. Zu mehr Verständnis für einen Stasi-Mann hat die Rolle nicht unbedingt geführt, wohl aber zu einer einfachen und doch prägnanten Erkenntnis:

"Mit dem Zweifel, das ist wie mit dem Glauben so. Wenn Sie den Zweifel zulassen, dann kommt das ganze Gebilde ins Rutschen und dann ist es irgendwann vorbei. Dann hat man die Chance entweder Mensch oder Papst zu werden."