Dave Zeltserman: "Small Crimes"

Ex-Polizist in einer Stadt der korrupten Cops

Im Hintergrund Dollar-Scheine, im Vordergrund Handschellen
David Zeltserman: Ringen ums rechte Leben in einer korrupten Stadt © Imago/McPhoto
Von Sonja Hartl |
Ex-Polizist Joe Denton kommt nach sieben Jahren im Gefängnis wieder frei. Er bemüht sich, ein neues Leben aufzubauen, steckt aber bald wieder im Schlamassel. In bestechender Geradlinigkeit erzählt der Autor von Dentons Ringen in vielen Dimensionen.
Sieben Jahre hat der ehemalige Polizist Joe Denton in Vermont im Gefängnis gesessen, nachdem er den Bezirksstaatsanwalt Phil Coakley schwer verletzt und dessen Büro in Brand gesteckt hatte, um Beweise zu vernichten. Sieben Jahre, in denen er Bücher gelesen und mit dem Gefängnisdirektor Dame gespielt hat, sieben Jahre, in denen er sich Gedanken gemacht hat, wie er vergangene Versäumnisse nachholen kann. Nun wird er zu Beginn von Dave Zeltsermans "Small Crimes" entlassen und gerät sehr schnell wieder in großen Schlamassel.
Nach seiner Haftentlassung warten auf Joe Denton in der Kleinstadt Bradley nur enttäuschte und rachsüchtige Menschen: Seine Eltern nehmen ihn notgedrungen wieder auf, wollen aber eigentlich mit ihm nichts mehr zu tun. Seine Ex-Frau hat sich mit den beiden Töchtern unter einem anderen Namen eine neue Existenz in einer fremden Stadt aufgebaut. Und Bezirksstaatsanwalt Phil Coakley will ihn immer noch hinter Gittern bringen. Deshalb sammelt er Beweise und steht kurz davor Manny Vassey zu einer Aussage zu bringen. Vassey ist ein skrupelloser Gangster, der seine Finger in allen schmutzigen Geschäften der Stadt hatte, nun aber im Krankenhaus im Sterben liegt. Anscheinend hofft er auf Vergebung, wenn er Denton ans Messer liefert. Das will der örtliche Sheriff Dan Pleasant um jeden Preis verhindern, ist er doch – wie wohl jeder Cop in diesem Ort – korrupt und befürchtet, dass er mit Denton untergehen wird. Also zwingt er Denton, die Situation zu bereinigen, indem er entweder Vassey oder Coakley umbringt.

Haftentlassenen-Trilogie

"Small Crimes" ist in den USA bereits 2008 erschienen und ist der erste Band von Dave Zeltsermans "out of prison"-Trilogie, in der er von Männern erzählt, die zweifellos berechtigt im Gefängnis saßen und nach Verbüßen der Haftstrafe ihrem Leben eine Wendung geben wollen, obwohl es in der Welt weder Vergebung noch Gerechtigkeit gibt.
Im Vergleich zu den beiden Nachfolgern "Paria" (2009) und "Killer" (2010) ist "Small Crimes" in Anlage und Erzählung direkter und schnörkelloser. In bestechender Gradlinigkeit und Einfachheit erzählt Zeltserman die Geschichte eines Mannes, der sich insbesondere für sich interessiert und sich in grenzenlosem Selbstbetrug sowie alten Feindschaften verheddert. Dabei baut er durch die Ich-Perspektive, aus der Denton erzählt, eine große Nähe zu seinem Protagonisten auf, der in seinem Bemühen, sich ein anderes Leben aufzubauen, beständig scheitert.

Ringen um Akzeptanz der Realität

Man erlebt also mit, dass Denton zwar vorhat, anders zu werden und vergangene Fehler gutzumachen, so dass seine Eltern, seine Ex-Frau und seine Töchter wieder eine Rolle in seinem Leben spielen könnten, aber dass er sich hier in erster Linie beständig selbst etwas vormacht.
Wie der Leser sehen auch fast alle Charaktere in diesem Buch Joe so, wie er ist – nur er will einfach nicht akzeptieren, dass nicht nur die Welt ein fraglos schlechter Ort, sondern auch er ein schlechter Mensch ist. Dadurch wird dieser an Jim Thompson geschulte, fast schon klassische Noir auch zu einem Roman über Selbstbetrug und Lügen.

Dave Zeltserman: "Small Crimes"
Aus dem Amerikanischen von Michael Grimm und Angelika Mueller
Pulp Master, Berlin 2017
270 Seiten, 14.80 Euro

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