Dave Levitan: "Not a scientist"

Wie Politiker die Wissenschaft diskreditieren

New Yorker demonstrieren gegen Trumps Kabinett, zu dem auch Personen gehören, die bestreiten, dass es einen Klimawandel gibt. Eine Frau hält ein Schild in der Hand, auf dem steht: "Earth needs thinkers not deniers". Die Erde braucht Denker, keine Leugner.
New Yorker demonstrieren gegen Trumps Kabinett, zu dem auch Personen gehören, die bestreiten, dass es einen Klimawandel gibt. © imago / Erik McGregor
Von Philipp Banse · 27.04.2017
"Not a scientist" heißt das Buch, mit dem der amerikanische Wissenschaftsjournalist Dave Levitan für Furore sorgt. Er beklagt, dass Politiker immer mehr in die Forschungshoheit der Hochschulen eingreifen und wissenschaftliche Resultate lächerlich machen.
Das Bundessozialministerium in Berlin, diese Woche. Der Politikwissenschaftler Kurt-Rudolf Korte äußert sich zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik:
"In der Politik ist es ja so, dass sie den Spitzenpolitiker daran erkennen, wie intelligent er mit Nichtwissen umgeht."
Gelächter im Saal, aber Korte meinte das nicht abwertend. Politiker können nicht alles wissen, müssen sich aber informieren lassen, Entscheidungen treffen und durchsetzen. Politiker sind keine Wissenschaftler – aber wenn sie diese Banalität betonen, sollte man skeptisch werden.
"I am not a scientist. "
"I am not a scientist. "
"I am not an evolutionary biologist. "
"I am not qualified to debate the science over climate change."
Ich bin kein Wissenschaftler – diese Ansage schicken Politiker und Lobbyisten gern vorweg, wenn sie wissenschaftlich heiß debattierte Zusammenhänge in ihrem Sinne deuten und für ihre Interessen nutzen wollen. Ich bin kein Wissenschaftler – dieses Bekenntnis allein ist nicht verwerflich – würde anschließend nicht die Wissenschaft auf der Strecke bleiben, sagt Dave Levitan, Autor des Buchs "Not A Scientist: How Politicians Mistake, Misrepresent, and Utterly Mangle Science".
Die meisten Politiker sind natürlich keine Wissenschaftler, keine Volkswirte oder Nahost-Experten. Aber Wissenschaft mag für manche Leute etwas obskur und komplex erscheinen. Und wenn Politiker sagen: "Ich bin kein Wissenschaftler", dann erwecken sie den Eindruck, als wäre es gar nicht möglich, einen bestimmten Sachverhalt zu verstehen; sie tun so, als könnte man Wissenschaftlern nicht trauen. Und anschließend handeln Politiker in diesen Feldern, von denen sie nichts verstehen.

Spott über Grundlagenforschung

In seinem Buch skizziert Dave Levitan verschiedenen Strategien, mit denen Politiker wissenschaftliche Erkenntnisse madig machen, ja Wissenschaft an sich diskreditieren, um eigene Interessen voran zu treiben:
"Am meisten ärgert mich die Strategie 'Lächerlich machen und verwerfen'. Dies ist eine Taktik, bei der Politiker Grundlagenforschung mit sehr dämlich klingenden Worten beschreiben. Das können sie mit fast jeder Grundlagenforschung machen, weil sie eben sehr grundlegend ist. Sie untersuchen Dinge in Mäusen, Fruchtfliegen und anderen scheinbar unbedeutenden Organismen. Aber diese Studien bauen natürlich über Jahre aufeinander auf und führen zu sehr wichtigen Erkenntnissen. Es ist so unaufrichtig, so zu tun, als wären diese Forschungen nutzlos, obwohl sie tatsächlich unglaublich nützlich sind."
Über manche Forschungen und Institutionen kann man sich aber nicht so einfach lustig machen, fordert Dave Levitan in der Radiosendung "Science Friday". Dann nützen faktenfeindliche Politiker eine andere Strategie:
"Butter up and under cut."
Sprich: Über den grünen Klee loben und dennoch finanziell trockenlegen.
Manche wissenschaftlich Themen sind kaum geradeaus zu kritisieren. Krebsforschung etwa oder die NASA, die ist sehr beliebt in der Öffentlichkeit und schwer zu kritisieren. Stattdessen nutzen Politiker ein Ablenkungsmanöver. Sie werfen Nebelkerzen und sprechen erstmal darüber, wie großartig die NASA ist – und bereiten damit den Boden, um ihr das Budget für bestimmte Forschungen zu kürzen. So geschehen in diesem Jahr, wo gedroht wird, NASA Klimawandel-Forschungen zu kürzen. Erst loben und dann kürzen.
Fast am schwersten zu bekämpfen, so Dave Levitan in seinem Buch, das er geschrieben hat, bevor Trump Präsident wurde, ist die Erfindung von Fakten. Also, die alternativen Fakten, die Erfindungen und Lügen. Als Beispiel nennt Levitan den Fall Lamar Smith.

Angriff auf "selbsternannte" Klima-Forscher

Der Republikaner Lamar Smith ist Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses im US-Repräsentantenhauses. Auf einer Konferenz von Klimawandel-Skeptikern sagte Smith, er werde eine Anhörung veranstalten zu wissenschaftlichen Methoden, die wiederholt von "sogenannten und selbsternannten Klima-Forschern ignoriert werden".
Dann nannte Larmar Smith die Namen der geladenen Experten: drei Klima-Skeptiker. Und er nannte einen Forscher, der nicht am menschengemachten Klimawandel zweifelt:
"Michael Mann." (Buh!)
Über diesen Auftritt schrieb das "Science Magazin":
"Der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses hat zugegeben, dass sein Ausschuss jetzt ein Werkzeug sei, um seine politische Agenda voran zu bringen, anstatt ein Forum zu bieten, um wichtige Themen der US-Wissenschaftsgemeinde zu debattieren."
Konfrontiert mit dieser Einschätzung über seinen Auftritt, sagt der Ausschuss-Vorsitzende Lamar Smith:
"Weder der Autor noch das Magazin sind als objektiv bekannt."
"Science Magazin ist kein objektives Magazin? Es ist schockierend, das von einem Politiker zu hören", sagt Buchautor Dave Levitan.
"Ich weiß nicht, wie man gegen sowas vorgeht, außer zu ihm zu sagen, dass er falsch liegt. Ich habe keine gute Antwort auf die Frage, was man denn gegen solche Diffamierungen der Wissenschaft machen kann. Nur: Bleibt skeptisch. Wenn etwas lächerlich klingt, ist es das wahrscheinlich auch und man kann es nachschlagen und rausfinden."
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