Das Rockmagazin

Von Michael Kleff · 09.11.2007
Fast hätte ein Rechtsstreit das Erscheinen der Zeitschrift verhindert, die wie kaum eine andere den populären Musikjournalismus geprägt hat. Wenige Wochen vor dem Erscheinen der ersten Ausgabe des "Rolling Stone" am 9. November 1967 flatterte den Machern ein Schreiben der Anwälte der Rolling Stones auf den Tisch, die juristische Schritte androhten, sollte man unter dem Namen "Rolling Stone" auf den Markt kommen. Doch man konnte sich einigen.
"Do You Believe In Magic" sangen die Lovin' Spoonful Mitte der 60er Jahre als Vorboten des Sommers der Liebe. Im Januar 1967 wurde Ronald Reagan Gouverneur von Kalifornien, im April trat Martin Luther King gegen den Vietnamkrieg auf. Und am 9. November 1967 erschien die erste Ausgabe der Musikzeitschrift "Rolling Stone", gegründet von dem jungen Journalisten Ralph Gleason und von Jann Wenner, dem heutigen Herausgeber und Chefredakteur.

"Ich habe aus Liebe und Hingabe für Rock'n'Roll damit angefangen. Für mich steckte da eine unglaubliche Magie drin, die meine Generation ansprach. Ich wollte ein Medium, um mich an der Diskussion im Land zu beteiligen. Es war die Zeit der Baby-Boomer, der reichsten und am besten ausgebildeten Generation in der Geschichte der USA. Rock'n'Roll war ihre Stimme."

Gleich von Beginn an - John Lennon zierte das Cover des ersten Heftes - wurde über alles rund um Musik, Literatur, Film und Politik geschrieben. Was Dylan oder die Stones, Frank Zappa oder die Grateful Dead bewirkten - die jungen Schreiber artikulierten es auf hohem journalistischem Niveau, sagt David Fricke, ein Leser der ersten Stunde, der seit den frühen 70er Jahren für den "Rolling Stone" schreibt und heute einer seiner leitenden Redakteure ist.

"Es war nicht so, dass da alle Gras geraucht und Musik gehört haben. Du hattest das Gefühl, das man ganz ernsthaft an die Sache ranging. Dir wurde nicht nur erzählt, welche neuen Platten erschienen, sondern auch, wie sie gemacht wurden und wer dahinter stand. Von Anfang an ging es um gute Recherche, um gut geschriebene Beiträge - eben um eine richtige Zeitschrift."

Die Bedeutung des "Rolling Stone" für die Entwicklung der populären Musik lässt sich nur schwer messen. Doch ihr Einfluss auf den Journalismus ist unbestritten. Zu den wichtigen Autoren der frühen Jahre gehörten unter anderei Tom Wolfe und Hunter S. Thompson, die eine neue, auf Subjektivität und literarische Stilmittel setzende Reportageform entwickelten. Eine kongeniale Bildersprache fand der "Rolling Stone" in den Porträt- und Reportagefotos von Annie Leibowitz. Legendär ist ihr Foto, das 1968 John Lennon und Yoko Ono nackt auf dem Cover zeigte.

Doch spätestens mit dem Umzug der Redaktion 1977 von San Francisco nach New York veränderte sich die Zeitschrift. Nicht mehr der Avantgardejazz eines Sun Ra und die Revolution predigenden Rockmusiker von MC5 standen im Mittelpunkt, sondern Superstars und nationale Hiterfolge. Seitdem auch Mode und Lifestyle einen immer größeren Teil der Berichterstattung ausmachen, sehen manche Kritiker heute im Rolling Stone eher ein Sprachrohr der Unterhaltungsindustrie als einen wachsamen Beobachter der Szene.

Für den früheren Rolling Stone-Autor Dave Marsh ist die alle zwei Wochen in einer Auflage von rund 1,2 Millionen Exemplaren erscheinende Zeitschrift längst nicht mehr Teil einer kulturellen Bewegung, sondern ein Marktprodukt. Eine Kritik, die David Fricke zurückweist.

"Jann brachte eine Karikatur von George Bush aufs Cover mit der Schlagzeile: 'Der schlimmste Präsident aller Zeiten'. Wer sonst hatte den Mut dazu? Keiner von "Time" über "Newsweek" bis zu CNN. Einen solchen Respekt vor der freien Meinungsäußerung und dem demokratischen Prozess sowie seiner Bedeutung für Musik und Kultur - das findest du sonst nirgendwo.""

Seit 1994 gibt es auch eine deutsche Ausgabe des "Rolling Stone" - der 40 Jahre nach seinem ersten Erscheinen bei aller Kritik an seinem Image für Redakteur David Fricke eins geblieben ist: die herausragende Zeitschrift für populäre Musik und die damit verbundene Kultur.

"Die Leute beschweren sich über das, was wir machen beziehungsweise nicht machen. Das zeigt mir, dass wir ihnen wichtig sind. Künstlern bedeutet es immer noch viel, auf dem Cover zu sein. 40 Jahre belegen, dass die ursprüngliche Idee der Zeitschrift nicht nur überlebt hat, sondern zu einem Vorbild geworden ist. Deshalb gibt es uns noch und alle Leute, die einen neuen 'Rolling Stone' schaffen wollten, nicht."