Dan Croll im Gespräch

Mainstream-Pop mit Persönlichkeit

Dan Croll im Juni 2017 bei einem Konzert in Kaltenberg
Dan Croll im Juni 2017 bei einem Konzert in Kaltenberg © imago / HMB Media / Matthias Kimpel
Moderation: Carsten Rochow · 20.07.2017
Popmusik ist kommerziell, formelartig, austauschbar - so lautet eine gängige Vorstellung. Der englische Popmusiker Dan Croll will sich damit nicht abfinden: Mit seiner Musik will er Pop-Hedonismus, Mainstream-Tauglichkeit und künstlerische Aufrichtigkeit verbinden.
Deutschlandfunk Kultur: Dan Croll, Sie verfolgen einen durchaus interessanten Ansatz beim Musikmachen: Sie wollten mit Ihrem neuen Album kommerziellen Pop machen, der aber nicht nach Mainstream klingt. Wie macht man sowas?
Croll: Es ist schwierig! (lacht) Mir ist klar geworden, dass ich ein Popmusiker bin, und ich möchte kommerzielle Musik machen, die im Radio und im Fernsehen läuft. Aber ich wünsche mir, dass meine Herangehensweise eher alternativ, natürlich ist. Und das ist nicht einfach. Die Songs, die in den Top Ten oder den Top Twenty sind, sind tolle Songs, aber sie werden ja quasi industriell hergestellt, mit Leuten, die die Songs entsprechend bestimmter Formeln schreiben, und wie am Fließband landen sie dann im Radio. Und genau in dieser Liga möchte ich spielen, aber ich möchte mit meiner Musik mehr bieten, mehr musikalische Einflüsse, Geschichten, die hinter den Songs stehen – ich möchte persönliche Musik machen. Statt über durchzechte Nächte im Club möchte ich lieber über Dinge erzählen wie geistige Gesundheit oder Gruppenzwänge.

Endlich wieder echte Instrumente

Deutschlandfunk Kultur: Was, finden Sie, fehlt den kommerziellen Popproduktionen am meisten?
Croll: Echte Instrumente! Und das ist eine Schande, denn es gibt doch eine solche Menge an fantastischen analogen Instrumenten in der Welt. Ich habe schon öfters an Songwriter-Camps teilgenommen, und das ist einfach keine Welt für mich. Die Leute sitzen da mit ihren Midi-Keyboards, und Massen an Plug-Ins – "Oh, Kanye West hat dieses Plug-In benutzt, das müssen wir auch nehmen!" – und in unserem Studio in Atlanta gab es jede Menge alte Synthesizer und Gitarren, und ich dachte: Aaah, das ist Musik! Und es ist doch nicht sooo kompliziert, diese Instrumente zu spielen. Und ihr Sound transportiert so viel mehr als die Plug-Ins.

Deutschlandfunk Kultur: Wenn Sie sagen, dass Sie sich als Popkünstler sehen: Was ist denn das Versprechen von Popmusik, was muss Popmusik Ihrer Meinung nach erfüllen?
Croll: Pop ist für mich erst einmal mit dem Ziel verbunden, so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Pop bedeutet "popular", also beliebt und verbreitet. Mein Lebensziel ist es, mit meiner Band so viele Konzerte wie möglich zu spielen und damit so viele Menschen wie möglich zu unterhalten und letztlich zu befriedigen. Und das schafft man nur mit echter Popmusik.

Ein studierter Popmusiker

Deutschlandfunk Kultur: Sie sind gerade auf Promotion-Tour, das heißt Sie haben in dieser Stadt drei Termine, dann drei Termine in der nächsten. Während Ihrer Ausbildung am Liverpool Institute Of Performing Arts, hat man Ihnen da schon diese Seite des Pop-Business vermittelt?
Croll: Ja, wir hatten schon Unterricht in Musikbusiness, aber das war sehr locker, ein bisschen Musikmanagement, Musikrecht, Musikpromotion, auch Schnitt von Musikvideos. Das Ziel der Ausbildung war tatsächlich, dass man nach dem Studium ganz alleine zurechtkommen kann. Auch wenn wir natürlich lieber einen Vertrag bei einem Label wollten, das sich um solche Sachen kümmert, sieht die Realität meistens anders aus.

Plauderei mit Paul McCartney

Deutschlandfunk Kultur: Sie haben im Rahmen Ihres Studiums in Liverpool auch eine Auszeichnung erhalten, als Songwriter des Jahres. Verbunden damit war ein Treffen unter vier Augen mit Paul McCartney. Wie lief das ab, und Ihnen das irgendwas gebracht?
Croll: Ja, auf jeden Fall hat es mir was gebracht! Es macht sich gut in jedem Pressetext und ist immer ein gutes Thema für ein Radiointerview. Aber im Ernst: Ich schätze mich sehr glücklich, diesen Preis gewonnen zu haben, allerdings war das im Jahr 2013, es ist also schon eine Weile her, und jetzt ist jemand anders Songwriter des Jahres.

Aber das Treffen mit Paul McCartney war unglaublich: die Gelegenheit zu haben, ihm gegenüber zu sitzen, ohne dass jemand anders dabei ist, und man hat Zeit. Er war sehr entspannt, ganz anders als ich, sehr geduldig mit mir, wirklich ein angenehmes Gegenüber. Wir sind beide in Liverpool aufgewachsen, also haben wir uns erstmal über die Stadt unterhalten, und darüber, was sie uns bedeutet und wie sie uns inspiriert hat. Und so kamen wir zur Musik, ich hatte ein paar Songs mitgebracht, einige, mit denen ich zufrieden war, und andere, mit denen ich nicht weiterkam. Aber ihm haben sie gefallen. Wir haben dann zusammen Gitarre gespielt, ein paar Akkorde geändert, dort eine Harmonie hinzugefügt. Und ich habe mich natürlich besser gefühlt, ich dachte, wenn Paul McCartney die Sachen mag, können sie nicht zu schlecht sein.

Die Persönlichkeit des Künstlers

Deutschlandfunk Kultur: Auf dem neuen Album haben Sie sich auch Hilfe gesucht, bei einem Produzenten namens Ben Allen. Der hat schräge Sachen produziert wie Gnarls Barkley und Animal Collective, aber auch Mainstream-Künstler wie Christina Aguilera. Ist Ben Allen genau der Typ, den man anheuern muss, wenn man den Spagat zwischen Kommerz und interessanter Popmusik schaffen will?
Croll: Auf jeden Fall! Er wurde mir von einem Freund empfohlen, der etwas mit Bombay Bicycle Club zu tun hat, und diese Band ist für mich absolut ein Vorbild, wenn es um Popmusik mit einem alternativen Ansatz geht. Und dieser Freund meinte, dass Ben und ich uns sehr ähnlich sind. Wir seien beide ähnlich verrückt und unernsthaft. Und die Leute, mit denen Ben gearbeitet hat, zeigt ja genau diese Mischung, die ich suche.

Ben haben unsere Sachen gefallen, und er hat uns nach Atlanta in sein Studio eingeladen – was für uns natürlich auch eine tolle Gelegenheit war, mal dorthin zu reisen. Und bei der Arbeit habe ich gemerkt, dass es Ben auch sehr stark um die Persönlichkeit seiner Künstler geht und darum, diese Persönlichkeit in die Musik zu übersetzen. Er versucht wirklich, einen kennenzulernen und zu verstehen. Und dieses Album ist dadurch sehr lebendig geworden, Ben hat mich sehr herausgefordert, und diese Herausforderung habe ich gerne angenommen.

Neue Pop-Bescheidenheit

Deutschlandfunk Kultur: Und das kann man tatsächlich hören auf dem neuen Dan-Croll-Album "Emerging Adulthood". Wenn Sie von Kommerz sprechen, träumen Sie auch davon, reich zu werden?
Croll: Ich glaube, das werde ich niemals erreichen. Ich bin tatsächlich auch schon sehr zufrieden mit dem, was ich erreicht habe. Ja, ich fühle mich jetzt schon reich. Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass ich die Möglichkeit haben würde, von der Musik zu leben, und damit sieben meiner besten Freunde zu bezahlen und noch ein kleines Haus abzubezahlen. Das ist fantastisch. Von mehr träume ich gar nicht, als so weiterzumachen und meine Rechnungen bezahlen zu können. Damit bin ich glücklich.
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