Britischer Farbwechsel

Was der Reisepass über ein Land verrät

Ein britischer und ein deutscher Reisepass.
Ein britischer und ein deutscher Reisepass. © picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild
Von Marietta Schwarz · 16.01.2018
Nach dem Brexit sollen britische Reisepässe wieder blau sein - wie vor dem EU-Beitritt. Ein wichtiges nationales Symbol, heißt es. Doch mehr als die Farbe verrät das Innenleben über das jeweilige Land. Der deutsche Pass ist da im Vergleich allerdings ziemlich armselig.
Ich mag ihn, meinen roten Pass. Ich kann in 161 Länder visafrei einreisen, und werde bei der Passkontrolle nicht schräg angeschaut wie viele andere Menschen. Ein echtes Privileg!
Ich fand es daher bemerkenswert, dass Theresa May die Rückkehr der Briten zu einem blauen Pass als Privileg verkaufte. Man muss dazusagen: Die Briten hatten früher einen blauen Pass. Und der war sogar größer im Format. Aber als der Brexit-Hardliner Nigel Farage dann gefragt wurde, warum die Farbe so entscheidend sei, geriet er ins Trudeln:
Reporter: "Why is the colour so important?" - Farage: "To be honest, the words European Union matter more than the color. But getting back to that sort of navy blue color – what it says, that normal service is being resumed. We are becoming a proper country again."
Ehrlich gesagt sei die Entfernung der Wörter "European Union" wichtiger als die Farbe, sagte er. Aber das "Marine-Blau" stehe dafür, dass die Briten wieder den Normalbetrieb aufnehmen. "Wir sind wieder wer. Und ohne Symbole keine Nation!"
Farage: "You can't be a nation unless you have those symbols!"

Deutscher Pass - gestaltungssicher ist was anderes

Was die Symbolik betrifft, wird man beim Durchblättern eines Passes allerdings fündiger als bei der Passfarbe. Die Seiten für Visa und Einreisestempel sind ja alles andere als weiß, sondern aus Gründen der Fälschungssicherheit mit einem Ornament aus feinsten Linien überzogen, wie bei einem Geldschein. Man nennt das "Guilloche". Und in diese Guilloche integriert werden dann Symbole oder ganze Erzählungen, die für das Land stehen.
Der Direktor des London Design Museum ist vom britischen Nation Branding im aktuellen Pass richtig begeistert. Das Dokument sei voller typisch britischer Wohlfühlfaktoren. Der Wind, der durch die Weiden bläst, ein fliegender Drachen, und sogar Wetterkarten mit Isobaren findet man. Das also ist Großbritannien! Immerhin entdeckt man was.
Im deutschen Pass, zumindest dem alten, guckte nur ein schnöder Adler nach links. Das hat sich aber geändert, erklärt Patrick Martin vom Leipziger Grafikdesign-Büro happylittleaccidents:
"Beim neuen deutschen Reisepass passiert deutlich mehr, wenn man's dann unters Schwarzlicht hält." – "Warum unter Schwarzlicht?" – "Gute Frage! Wahrscheinlich nur, um die Grenzbeamten zu unterhalten, die das testen müssen."
Unterhaltung – naja. Brandenburger Tor, Quadriga und Adler in Regenbogenfarben. Einfallsreich - oder gar: gestaltungssicher - ist was anderes.
"Manche Länder haben da ganze Bildergeschichten auf den Seiten, wo die Visa reinkommen. Der Finnische Reisepass hat da auch so ein Daumenkino. Da konnte man einen Elch sehen, der sich da durchflickert. Jetzt ist es neuerdings ein Schwan, der fliegt."

Design-Wettbewerb zum britischen Pass

Unter Gestaltern wird schon jetzt der norwegische Pass hoch gehandelt. Den gibt es erst ab Sommer. Reduziert im Design, das Cover in kräftigem Rot, kleine Schrift. Und innen das norwegische Narrativ:
"Der norwegische Reisepass hat auf jeden Fall ein Thema, das ist Landschaft. Das bietet sich ja auch an, und auf den Doppelseiten werden verschiedene Fjorde und Szenerien sehr abstrakt dargestellt. Wenn man da den Reisepass ins UV-Licht hält, sieht man plötzlich Nordlichter."
Die Passfarbe rot-grün-blau-schwarz geht auf regionale Konventionen zurück und ist eigentlich irrelevant, sagt Patrick Martin. Man wählt die dunklen Farben, damit der Kontrast zur goldenen Prägung des Wappens möglichst groß ist.
Das Online-Magazin dezeen hat bereits einen Wettbewerb zur Gestaltung des neuen britischen Passes ausgelobt. Auch hier toben sich die Designer vor allem am Innenleben aus: Mal sind es Abbildungen, wie wir sie vom Security-Check am Flughafen kennen. Mal sind es Sätze in fremder Sprache, die ins Britische übersetzt werden, nach dem Motto: Auch nach dem Brexit sind wir Briten Teil einer Weltgemeinschaft. Ein Beitrag wiederum stürzt sich gestalterisch in den Regionalismus und bedruckt jedes Passcover mit dem entsprechenden Stadtwappen. Und dann gibt es da diesen bordeauxroten EU-Pass, der zu 51 Prozent von einem tiefen Blau überzogen ist. Als Reflektion der Stimmung im Land, vor und nach dem Brexit.

Diese Kolumne ist Teil unserer Reihe "Gestalten! - Architektur und Design"

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