Black Rebel Motorcycle Club:"Wrong Creatures"

Eine Extraportion Chaos und Krach

Die Band Black Rebel Motorcycle Club
Underground-Rock mit ganz eigener Poesie: Die Band Black Rebel Motorcycle Club mag es verraucht. © James Minchin / Vagrant Records
Von Marcel Anders |
Auch auf ihrem neuen Album gehen Black Rebel Motorcycle Club auf Distanz zum Zeitgeist: Mit den gerade angesagten Autotune-Effekten braucht man ihnen nicht zu kommen. Dafür tauchen sie wieder tief ein in ihren ganz eigenen Kosmos aus Poesie und Kunst.
"Heute legt jeder diesen Autotune-Effekt auf die Stimme, von dem man unbedingt die Finger lassen sollte, weil er den Gesang völlig synthetisch klingen lässt. Das ist im Grunde derselbe Blödsinn wie diese Synthesizer, die Rockbands in den 80ern benutzt haben. Oder DJs, die in den 2000ern auf Rocksongs gescratcht haben. Wenn es das ist, was die Leute wollen, bitte. Aber ich stehe für einen anderen Weg."
Peter Hayes zeigt Kante. Der Multi-Instrumentalist von Black Rebel Motorcycle Club verweigert sich jeglichen Strömungen und Trends. Ein Ansatz, der sich wie ein roter Faden durch die 20-jährige Geschichte des amerikanisch-schwedischen Trios zieht. Und für Höhen wie Tiefen gesorgt hat – aber auch für Ernüchterung.

Rausgeschmissen vom Establishment

"Als wir anfingen, waren da all diese Bands, die gegen das Musikgeschäft waren. Wir schauten uns das an und sagten: ‚Wie wäre es, wenn wir uns von der Bestie schlucken lassen und sie von innen zersetzen – oder sie mit uns in den Abgrund reißen?‘ Aber was ist passiert? – Man hat uns rausgeschmissen. Und mittlerweile weiß ich gar nicht mehr, was Anti-Establishment überhaupt bedeutet. Das ist eine ziemlich verschwommene Sache."

Mit dem Albumtitel "Wrong Creatures" – den falschen Wesen am falschen Ort – meint Peter Hayes nicht zuletzt sich selbst. Einen Underdog und Überzeugungstäter, der von seinem Lifestyle und seiner Profession gezeichnet ist. Der mit 41 komplett ergraut ist, Kette raucht, literweise Kaffee schlürft und starke Konzentrations- und Sprachschwierigkeiten hat. Der in seiner eigenen Welt aus Kunst und Poesie lebt, und nach Andersartigkeit und Abgrenzung strebt.
Was sich auch in seiner Musik äußert: Die neuen Stücke sind düsterer Underground-Rock mit stark psychedelischen Einflüssen und hymnischen Melodien. Mit weniger Folk- und Blues-Elementen als früher, aber einer Extraportion Chaos und Krach.

Dem Gegenwarts-Rock mangelt es an Ehrgeiz

"Auf dem Album sind bis zu sechs Gitarrenspuren pro Song. Und normalerweise gehen wir so vor, dass wir eine Nummer zwei Mal durchspielen und die beiden Gitarren miteinander reden lassen – also links und rechts. Anschließend stellen wir eine dritte Gitarre mit viel Hall in die Mitte - die mit den anderen kommuniziert. Wodurch der Sound dichter wird. Dann fügen wir Loops und solche Sachen dazu. Aber es kommt nichts vom Computer."
Moderne Technik, mangelnde künstlerische Vision und Faulheit als Feindbild. Black Rebel Motorcycle Club machen deutlich, wo sie das Problem der heutigen Rockmusik sehen – in einem Mangel an Ehrgeiz. Ihre Musik veröffentlichen sie seit den Nullerjahren in Eigenregie, spielen in ausverkauften Clubs und biedern sich nichts und niemandem an. Eines ihrer Markenzeichen: Der diffuse, vernuschelte Gesang.

"Wir lieben es, den Gesang so weit wie möglich in den Hintergrund zu rücken. Im Sinne von: Es muss alles eins sein, ohne dass etwas zu weit im Vordergrund steht. Und ich mag es, wenn jemand mit seiner eigenen Interpretation der Texte aufwartet. Selbst, wenn das ein bisschen seltsam ausfällt. Aber so wird aus unserer Kunst auch die Kunst unserer Fans."

Ein Klanggemälde zum Eintauchen

Schließlich, so Peter Hayes, gehe es nur um das Gefühl, das in und mit der Musik transportiert werde. Um Euphorie, Größe, Wärme. Um energetische Eruptionen, meditative Monotonie und intensive Schwarzmalerei. Wie ein Klanggemälde zum Eintauchen und Fühlen – und mit kathartischer Wirkung.
Ob er damit den Rock'n'Roll retten kann, ist Hayes egal. Er will kein Missionar sein, keine Gallionsfigur, kein Sprachrohr. Er ist einfach, was er seit Ende der 90er ist: ein Reisender in Sachen Musik. Und das ist ein Statement für sich – genau wie die Musik.
"Es wäre zu leicht, sich hinzustellen und sich über das zu beschweren, was in der Welt passiert. Denn seien wir ehrlich: Die Gegenwart ist genauso gut oder schlecht, wie sie schon immer war. Und wenn man sich aufregt, wie seltsam heute alles ist, bedeutet das nichts anderes als: ‚Ich werde langsam alt.‘"

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