Bernhard Schlink: "Olga"

Eine Frau, die nicht aufgibt

Bernhard Schlink: Olga
Bernhard Schlink: Olga © picture-alliance / dpa / Diogenes
Von Johannes Kaiser · 13.01.2018
Der Schriftsteller Bernhard Schlink beschreibt "Olga" in dem gleichnamigen Buch als eine stolze, mutige und aufrechte Frauengestalt. Mit seinem Buch begibt sich Schlink wieder auf die Spuren der deutschen Vergangenheit.
Bernhard Schlink begibt sich in "Olga" wie schon mehrfach zuvor auf die Spuren der deutschen Vergangenheit. Seine Geschichte beginnt im auslaufenden 19. Jahrhundert und zeichnet das Leben einer Frau nach, die bei einer hartherzigen Großmutter in Armut in einem Dorf in Pommern aufwächst. Olga ist ein kluges Mädchen, das sich gegen massive Widerstände aus diesen Verhältnissen hochkämpft und schließlich Lehrerin wird. Sie ist eine Einzelgängerin, die im Gutsbesitzersohn Herbert eine verwandte Seele findet.

Sachlich, fast unterkühlt erzählt

Aus der Kinderfreundschaft wird Liebe. Doch Herberts Eltern verhindern eine Heirat. Er ist ein ruheloser Geist, der durch die Welt reist, schließlich zum Nordpol aufbricht und im Eis verschwindet. Zurück bleibt Olga, die, als sie taub wird, ihre Lehrerstellung verliert und sich als Näherin durchschlägt. 1945 flieht sie nach Heidelberg und wird Näherin in der Familie des Erzählers.
Bernhard Schlink erzählt uns die Geschichte Olgas bis zu diesem Zeitpunkt sachlich, fast unterkühlt. Der Stil erinnert bisweilen an einen nüchternen, etwas ausführlich geratenen Lebenslauf. Die Erklärung für diese Art der Erzählung: es ist die Rekonstruktion ihres Lebens, zusammengesetzt aus dem, was sie dem Erzähler berichtet hat. Die Distanz, die diese Art des Erzählens schafft, verhindert allerdings, dass man mit Olga mitfühlt. Sie bleibt einem im ersten Teil des Romans weitgehend fremd.

Im zweiten Teil bekommt der Roman Herzblut

Das ändert sich im zweiten Teil des Buches, in dem Ferdinand, der Erzähler schildert, wie er Olga als kleines Kind kennenlernte. Jetzt bekommt der Roman Herzblut und Wärme, eine persönliche Note. Olga wird zu einer lebendigen Figur. Für den heranwachsenden Erzähler wird sie zu einer wichtigen Freundin. Gemeinsam wandern sie, gehen ins Kino. Selbst als Student besucht er sie regelmäßig bei Heimatbesuchen.
Dann passiert das Unvorstellbare: Eines Tages fällt Olga einem Sprengstoffattentat zum Opfer. Eine alte Postkarte lässt den Erzähler auf Spurensuche gehen und er entdeckt einen Stapel Briefe, die Olga Herbert jahrzehntelang postlagernd ins norwegische Tromsö geschrieben hat, selbst als er lange schon als vermisst galt.

Roman endet als Brief

Bernhard Schlick wechselt jetzt zum dritten Mal den Stil, sein Buch endet als Briefroman. Es sind persönlich gehaltene Briefe und sie enthüllen Geheimnisse, die erklären, warum Olga Herbert nie vergessen konnte. Wir lernen eine Frau kennen, die nie aufgibt, sich immer wieder hochkämpft, die ein bescheidenes Glück findet und an ihm allen Widrigkeiten zum Trotz festhält. Eine Frau, die ihren Geliebten nicht halten kann und ihn trotzdem liebt, die ihm verzeiht und gleichzeitig grollt. Er war, wie es am Ende heißt, ihre Erfüllung und ihre Enttäuschung.
Bernhard Schlink hat uns mit Olga eine stolze wie gradlinige, mutige, selbstbewusste und aufrechte Frauengestalt geschenkt.

Bernhard Schlink: Olga
Diogenes Verlag Zürich, 2018
311 Seiten, 24 Euro

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