Aus den Feuilletons

"Sehnsucht nach Heldentum und Geheimbünden"

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Simon Strauß, "Sieben Nächte" © Aufbau-Verlag/Blumenbar/ imago/ imagebroker / grassegger
Von Gregor Sander · 17.01.2018
In der "Zeit" und der "taz" entbrennt ein Streit darüber, wo das Gedankengut des FAZ-Journalisten und Schriftstellers Simon Strauß politisch zu verorten ist. Sind seine Texte ein Flirt mit rechten Positionen oder nur jugendlicher Sturm und Drang?
"Ist der anschwellende Streit um den jungen Simon Strauß völlig aus der Luft gegriffen?"
fragt die Wochenzeitung DIE ZEIT. Das Wort anschwellend weist auf Botho Strauß, den berühmten Vater des FAZ-Journalisten und Schriftstellers, hin, und darauf, dass sich eine neue Debatte um den 29 jährigen entspinnen könnte. Die ZEIT nutzt gleich die Gelegenheit zu einem Pro und Contra und der Strauß-Verteidiger Ijoma Mangold fasst zusammen, was bisher geschah:
"Simon Strauß arbeite, heißt es, AfD-Positionen zu. In der taz erklärt Alem Grabovac, Strauß schreibe 'im Gewand der Romantik Pamphlete für die Neue Rechte'. Volker Weidermann, der im Sommer Strauß’ Buch (Sieben Nächte) noch gefeiert hatte, gibt sich etwas skrupulöser, findet im aktuellen Spiegel aber auch, dass Strauß 'nicht völlig unschuldig daran' sei, dass 'manche ihn für einen Neurechten und AfD-Sympathisanten halten'".
Mangolds Verteidigungsrede für Simon Strauß klingt dann so:

"Gesten der Provokation und der Verachtung für das allzu philisterhaft Ausgeruhte gehören zu jedem Sturm und Drang. Man mag diesen Gesten auf den Zahn fühlen, sie für lächerlich halten, man soll sie auch gerne bekämpfen, aber im Sinne der menschlichen Proportion sollte dabei ein Strafmaß unterhalb von 'Wegbereiter der AfD' noch möglich sein."
Antonia Baum gibt in der ZEIT die Straußanklägerin:
"Es geht um den Flirt mit rechts, der zwar bei seinen Adressaten zuverlässig ankommt, aber auch so ungefähr bleibt, dass man ihn schwer angreifen kann."
schreibt Baum und führt ihre Beweisführung weiter:
"In Strauß’ Buch spielt Männlichkeit eine wichtige Rolle: Der Erzähler isst Fleisch und fährt Auto, wie sich das für richtige Männer gehört; wenn er seine geistigen Bezugsgrößen zitiert, so sind es ausschließlich Männer, er sehnt sich nach Heldentum und Geheimbünden, bis er selbst einen für die Handlung des Buches zentralen Pakt mit einem Mann schließt, der ihn 'führen will'".

Atemübungen vor dem Ablegen des letzten Textils

Nun fallen einem spontan gleich mehrere Frauen ein, die auch sehr gerne Steaks essen und auch noch Auto fahren, und so geben wir diesem Thema eine Debattenhaltbarkeit von höchstens einer Woche. Kein Vergleich also mit der Meetoo-Debatte, in der die Feuilletons vom Donnerstag den Mann als Opfer thematisieren.

"Sind Männer die geduldigeren Missbrauchsopfer?"
fragt Tilmann Krause in der Tageszeitung DIE WELT und stellt in seinem Artikel fest:
"Zu einem erotischen Geplänkel, zu einer sexuellen Begegnung gehören immer zwei. Das unzweideutige 'Nein' hat noch zu allen Zeiten große Chancen gehabt, durchzudringen, auch wenn es den angetrunkenen, gierigen, affektiv unbeherrschten Aggressor nicht immer abhalten konnte."
Das klingt doch sehr nach männlicher Selbstbestimmung. Die dürfte aber im Falle einer künstlerischen oder finanziellen Abhängigkeit vom unbeherrschten Aggressor genauso wenig gelten, wie bei den weiblichen Opfern. Ausgerechnet unter der Überschrift:
"Ich bin das Mädchen"
berichtet Jan Kedves in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über homosexuelle Übergriffen von Modefotografen wie Bruce Weber oder Mario Testino. Die Berichte der männlichen Models etwa in der NEW YORK TIMES klingen sehr ähnlich wie die ihrer weiblichen Kolleginnen:
"Von 'Atemübungen' ist die Rede, mit denen Weber angespannte Models zur Lockerung und zum Ablegen des letzten Textils animieren wollte. Einige berichten, er habe ihnen ans Genital gegriffen oder es gestreift.

Unvernünftiger Maler - unvernünftiges Interview

Wer es ein bisschen unkonkreter mag, dem sei das Interview mit Georg Baselitz in der ZEIT empfohlen, der dort Sätze wie diese raushaut:
"Nach der letzten Wahl muss man doch spätestens sehen, dass aus der Demokratie eine Autokratie geworden ist. Mit der AfD haben wir eine Partei, die im neuen Bundestag stark vertreten ist, aber sie wird absolut nicht berücksichtigt. Das ist vollständig undemokratisch."
Leider ist Hanno Rauterberg nicht in der Lage, Unsinn wie diesen zu hinterfragen, und so bestätigt Baselitz genüsslich, was schon in der Überschrift steht:

"Ich bin völlig unvernünftig"

Das Interview ist es leider auch.
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