Aus den Feuilletons

Rentner Daniel Düsentrieb

Ein Abbild der Comicfigur "Daniel Düsentrieb" ist im Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach an der Saale (Bayern) in seiner Werkstatt zu sehen.
Ein Abbild der Comicfigur "Daniel Düsentrieb" ist im Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach an der Saale (Bayern) in seiner Werkstatt zu sehen. © Picture Alliance / dpa / Nicolas Armer
Von Burkhard Müller-Ulrich |
1952 erblickte Daniel Düsentrieb in einer Geschichte von Carl Barks zum ersten Mal das Licht der Comic-Welt, wird also jetzt 65, nach deutschem Recht also Rentner. Die "Welt" warnt: "Ingenieure neigen einfach dazu, Unheil anzurichten".
Während die hauptstädtischen Kulturinstitutionen mit einem neuen Finanzierungsvertrag ausgepolstert wurden, hat sich die Zukunft eines kleinen Museums in der Berliner Fasanenstraße verfinstert. Es ist das Käthe-Kollwitz-Museum, und der Mann, der im TAGESSPIEGEL darüber schreibt, ist Käthe Kollwitz' 87-jähriger Enkel Arne Kollwitz.
Das Museum wurde 1986 im damaligen Westteil der Stadt auf Anregung des Malers und Galeristen Hans Pels-Leusden gegründet. Der brachte seine große Sammlung an Kollwitz-Werken ein und stellte sein gesamtes Vermögen zur Verfügung. Auch sein Compagnon Bernd Schultz, mit dem er das Auktionshaus Villa Grisebach gründete, kümmerte sich um die Pflege des Kollwitz-Andenkens. Bisher jedenfalls.
Doch Schultz scheint sich anders besonnen zu haben. Als Eigentümer des Hauses in der Fasanenstraße hat er vom Museum nur eine Mini-Miete verlangt, vor wenigen Wochen aber erklärte er, dass das Kollwitz-Museum dort ausziehen und einem erst zu schaffenden Exil-Museum zur Erinnerung an Menschen, die während der Hitler-Zeit vertrieben wurden, weichen solle.
"Warum droht er dem Museum mit einer Kündigung?", fragt Arne Kollwitz.
"Ist er des Mäzenatentums müde? Sind die Mittel seiner Stiftung erschöpft? Oder will er mit seinem Exilmuseum sein Lebenswerk als Grande im Berliner Kulturbetrieb krönen? Eine Antwort kann nur ergeben."
Jedenfalls überlegen einige Leihgeber bereits, ihre Kollwitz-Werke angesichts der bestehenden Unsicherheit aus dem Museum abzuziehen. Und das zwei Monate vor dem 150. Geburtstag der Künstlerin im Juli.

Die prägende Figur des abwesenden Königs

Lange nichts von Emmanuel Macron gehört? Okay, das war ein Scherz, um zur SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG überzuleiten, die sich mit dem Geschichtsbild des europäischen Messias, pardon: des französischen Präsidenten befasst. Joseph Hanimann analysiert zunächst Macrons Auftritt am Wahlabend im Louvre-Hof, wo der clevere Jungtechnokrat sein präsidentielles Profil mit einer an De Gaulle und Mitterrand geschulten Pomposität auszustellen versuchte. Der einsame Gang an der Glaspyramide vorbei könne irgend etwas mit der These vom "leer gebliebenen Platz" im Mittelpunkt der Republik zu tun haben.
"Jede Demokratie habe durch ihre naturgegebene Unvollkommenheit eine Leerstelle in ihrem Mittelpunkt, erklärte Macron vor zwei Jahren in einem Gespräch über Philosophie und Politik: Und diese Stelle werde in Frankreich von der Figur des abwesenden Königs geprägt, den die Franzosen, davon sei er überzeugt, im Grunde nicht hätten töten wollen."
Joseph Hanimann referiert diesen Mumpitz mit bewundernswerter Nonchalance. Er lässt aber durchblicken, was von diesem Kind der Post-Posthistoire zu erwarten ist: eine skrupellos-fröhliche Legendenbildung nach Maßgabe politischer Opportunität. Macron war ja mal Assistent des Philosophen Paul Ricœur. Da hat er gelernt, dass die großen Figuren der Geschichte nicht zu uns sprechen, sondern dass wir sie zum Sprechen bringen und damit Legende schaffen.

Dem Ingenieur ist nichts zu schwör

"Wie alle wirklich großen Geister", heißt es da, obwohl es "wie allen großen Geistern" heißen müsste, ist ihm alles Äußere seit jeher gleichgültig. An guten wie an schlechten Tagen trägt er eine unmodische Kappe auf dem strohigen Schopf mit einem Gummiband am Kinn. Die Hosen sind zu kurz. Bereits der junge Daniel hatte seine Rentnerweste an und einen Kneifer auf der Nase.
Rentnerweste ist schön gesagt, denn Michael Pilz hat ausgerechnet, dass Daniel Düsentrieb, von dem die Rede ist, gerade 65 wurde, beziehungsweise vor 65 Jahren zum ersten Mal in Walt Disneys Heftchenuniversum auftauchte und deswegen nach deutschem Recht demnächst in Rente gehen könnte.
Da ist ein bisschen Legendenbildung und Geschichtsphilosophie angesagt:
"Ingenieure neigen einfach dazu, Unheil anzurichten. Ohne Ingenieurskunst aber wird niemand des Unheils wieder Herr."
Und von Maxim Gorki stammt das Zitat:
"Die Kunst lebt von Erfindungen der Fantasie; die Wissenschaft macht die Erfindungen der Fantasie zur Wirklichkeit."
Soviel zum wohl berühmtesten Ingenieur und seinem nicht minder berühmten deutschen Diktum, ihm sei nichts zu schwör.
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