Aus den Feuilletons

Ideale Zeiten für Cartoonisten

Garfield und sein Erfinder Jim Davis
Garfield und sein Erfinder Jim Davis © imago stock&people
Von Klaus Pokatzky · 16.06.2018
"Je schlimmer die Zeiten, desto wichtiger der Humor", lesen wir in der "Welt". In der "FAZ" wird das mangelnde Interesse am fremden Gegenüber in der U-Bahn bedauert, während die "taz" der Anziehungskraft von Verschwörungstheorien auf den Grund geht.
"Listen machen kann jeder", ermunterte uns die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. "Das ist das Schöne an ihnen. Aussortieren, einsortieren, aufräumen im Kopf", freute sich Marion Löhndorf: "Listen sind immer eine Auswahl, exklusiv wie Klubs." Oder wie die Kulturpresseschau. "Je schlimmer die Zeiten, desto wichtiger wird der Humor", lesen wir in der WELT am Sonntag. "Zeiten wie diese sind für uns Cartoonisten sogar die besten Zeiten", meint im Interview der Zeichner Jim Davis, der vor 40 Jahren Garfield erfand: "den berühmtesten Comic-Kater der Welt", wie Martin Scholz schreibt. Der Mann hat offenbar noch nie vom berühmtesten Comic-Kater der Welt namens Kater Karlo gehört, der neben den Panzerknackern der größte Verbrecher ist: und zwar in Entenhausen.
Da, wo Donald lebt. "Wer einen bis gestern mit Vernichtungsdrohungen überhäuften Diktator heute als Buddy behandelt", hieß es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, "der ist nicht einfach erfrischend unkonventionell", meinte Gustav Seibt zum mächtigen Donald unserer Tage und seinem Schmusen mit dem nordkoreanischen Diktator. "Wer so agiert, setzt über Jahrhunderte gewachsene Regelwerke im zwischenstaatlichen Verkehr außer Kraft. Man nennt es Diplomatie."
Eine Frau schreibt am 04.08.2013 mit einem Mobiltelefon eine SMS am Strand von Kolberg, Polen, an der Ostsee. 
Manche schauen auch im Urlaub lieber auf ihr Smartphone als aufs Meer.© dpa / picture-alliance / Daniel Naupold

Hauptsache, man kommt niemandem zu nah

Die Welt verändert sich und das beginnt schon in der U-Bahn. "Früher hat man sich, wenn man irgendwo warten musste, auf die Bahn etwa, zum Zeitvertreib oft die Gesichter der Umstehenden genauer angesehen", lasen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Wer könnten die anderen sein?", fragte Melanie Mühl. "Diese Frage ist auch in einer zunehmend globalisierten Welt nicht uninteressant geworden, im Gegenteil. Doch wir blicken nur noch selten in die Gesichter anderer und widmen uns in jeder freien Sekunde dem Smartphone. Damit überbrücken wir Zeit. Hauptsache, man kommt niemandem zu nah."
Und damit noch was Digitales. "Sind Verschwörungstheorien vor allem ein Netzphänomen?," fragte die TAZ. "Das Internet hat Verschwörungstheorien nur wieder sichtbarer gemacht und dadurch auch zu einer Zunahme der "Gläubigen" geführt. Die ist aber nicht so rapide, wie es uns manchmal vorkommt.", antwortete Michael Butter, Amerikanistik-Professor in Tübingen, der seit Jahren über Verschwörungstheorien forscht: "Verglichen mit der Zeit vor hundert oder zweihundert Jahren, glauben heute sogar eher weniger Menschen an Verschwörungstheorien. Deren Verbreitung reicht allerdings bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein."

Reflexionen über den Fußball

Der Ball reicht noch weiter – nicht nur in die Mitte. "Bin ich ein wahrer Fußballfan? Will ich das überhaupt sein?", fragt Gerrit Bartels im TAGESSPIEGEL vom Sonntag – zur Fußballweltmeisterschaft in Russland: dem Thema im Feuilleton. "Fußball ist eines der wenigen einheitsstiftenden Elemente in einer immer stärker zersplitterten Gesellschaft", stand in der Wochenzeitung DIE ZEIT. "Fußball ist wesentlich dafür da, dass jeder mit jedem ein Gesprächsthema hat", fand der Schriftsteller Daniel Kehlmann. "Wer sich also von diesem Sport distanziert, leugnet gleichsam, dass unsere Gesellschaft noch eine Einheit ist, er spaltet sich ab, er vereinzelt sich, er erzeugt schlechte Laune."
Das Bild zeigt eine Szene der Fußball-WM-Vorrunden-Begegnung Kroatien gegen Nigeria im Kaliningrad Stadion. Kroatiens Ivan Strinic und Nigerias John Obi Mikel kämpfen um den Ball, der in Brusthöhe auf sie zugeflogen kam.
WM 2018: Kroatiens Ivan Strinic (r) und Nigerias John Obi Mikel kämpfen um den Ball.© dpa-bildfunk / AP / Michael Sohn
Und da fragen wir mit dem TAGESSPIEGEL: "Was stellt der Ball dar?" Antwort: "Eine Kugelform. Galt die Globalisierung der Finanzströme und Migrationsbewegung als so bedrohlich wie unaufhaltsam, zeigte sich im Kultball ein Miniatur-Globus, um dessen Kontrolle sich ringen ließ, dessen Kontrolle gelingen konnte." Das ist ein Text aus dem Jahre 2418 von Jacques Johansson und Muriel Xhosaqa-Gonzales": "seit 2412 Vorsitzende der Supranationalen kulturhistorischen Studienkommission (SKS). Ihre Ballkultanalyse wurde Tagesspiegel-Autorin Caroline Fetscher aus der Zukunft zugespielt." Und was will die Zukunft von uns heutigen Erdlingen wissen? "Aufgabe unserer Kommission war das Decodieren des Kults um den Fußball. Während der Zeitenwende von der analogen zur frühdigitalen Epoche spielte dieser Kult eine herausragende Rolle, die kaum hinreichend erkundet wurde."

Über den Musikgeschmack des DFB

Vielleicht zitiert die "Supranationale kulturhistorische Studienkommission" dann ja auch aus dieser Kulturpresseschau Jan-Christoph Hauschild. "Fußball allein macht nicht glücklich", meinte er in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, "aber wenn Musik der Liebe Nahrung ist, dann ist Fußball halt das Nachttischlämpchen dazu." Da lauschen wir doch gleich ein wenig der Musik. "‘Zusammen, so wie Arsch auf Eimer / Zusammen, so wie Fahrgemeinschaft‘ rappen die Fantastischen Vier auf dem offiziellen DFB-Song, den auch die ARD – ein Zufall, das ist nicht jedes Mal so – in ihrer Berichterstattung nutzt", schreibt Florentin Schumacher in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG zum Musikgeschmack des Deutschen Fußball-Bund (DFB) und unseres öffentlich-rechtlichen Fernsehens. "Die feine Differenz von Abgrenzung und Ausgrenzung ist überlebenswichtig", stand in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Es geht um den schönen Widerspruch eines geordneten Chaos als Grundlage allen Seins", befand Helmut Mauró und legte uns andere Töne ans Herz, um mit dem Chaos fertig zu werden: Joseph Haydns Oratorium "Die Schöpfung": "Chaos auf allen Ebenen bahnt sich an, schmerzvoll schräge Klänge legen sich über die unruhig pulsierenden, schließlich stockenden Bassstimmen. Bis Gott das Licht anknipst."
Ein versöhnliches Schlusswort fast – aber das letzte Wort soll Marion Löhndorf aus der NEUEN ZÜRCHER mit ihrer Liebe zu den Listen haben: "Ein besonders befriedigender Aspekt ist die Möglichkeit des Abhakens. Wieder etwas geschafft, gelernt, erledigt."
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