Aus den Feuilletons

Gendergerechtigkeit für das Kirchentags-Liederbuch

Besucher des 36. Evangelischen Kirchentags singen am 27.05.2017 in Berlin in der mobilen Kirche am Anhalter Bahnhof.
Besucher des 36. Evangelischen Kirchentags singen am 27.05.2017 in Berlin in der mobilen Kirche am Anhalter Bahnhof. © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Adelheid Wedel · 28.05.2017
Nach dem Ende des Evangelischen Kirchentags schreibt die "FAZ" über zwei Frauen, die sich für das Liederbuch "Alternativen in gerechter Sprache" ausgedacht haben. Aus "So legt euch denn ihr Brüder" in "Der Mond ist aufgegangen" wird zum Beispiel "So legt euch, Schwestern, Brüder".
"Ändergender gegen Gott" – diese Überschrift in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG muss erklärt werden. Die Unterzeile nicht minder: "Das Liederbuch des Evangelischen Kirchentags spinnt." Was dann die Lektüre des Artikels zutage fördert, mag man kaum glauben. Neben den zahlreichen fröhlichen Wortmeldungen zu den vergangenen Kirchentagen und zum Jubelfest "500 Jahre Reformation" scheint sich hier doch etwas Sand ins Getriebe gemischt zu haben. Zwei Frauen aus Hamburg, ihre Namen werden von der FAZ nicht genannt, haben sich das evangelische Liederbuch vorgenommen und sich "Variationen, bzw. Alternativen in gerechter Sprache" ausgedacht.
Aus "So legt euch denn ihr Brüder" in "Der Mond ist aufgegangen" von Matthias Claudius wird: "so legt euch, Schwestern, Brüder", aus "Und unsern kranken Nachbarn auch" wird "und alle kranken Menschen auch". Schon da wird klar, hier waren Kulturfrevler am Werk, und Heike Schmoll nennt es genauso. Sie spricht sogar von "Gesinnungstäterinnen" und gibt im Artikel weitere absurde Beispiele, die ihrer Meinung nach in eine "kollektive Infantilisierung und Bevormundung" münden. "Und das in einer Auflage von 265.000 Exemplaren."

Experiment der ARD gegen Hatespeech

Von einer hoffentlich erfolgreichen Initiative berichtet der TAGESSPIEGEL. "Die ARD wagt unter dem Motto 'Sag's mir ins Gesicht' ein Experiment gegen Hatespeech. In den vergangenen Monaten und Jahren ist der Ton in den sozialen Netzwerken immer rauer, hemmungsloser und brutaler geworden", wird der Chef von ARD aktuell Kai Gniffke im TAGESSPIEGEL zitiert. Ziel der Aktion sei es, "die Diskussionskultur im Internet zu verbessern und zu ergründen, warum manche Nutzer besonders emotional reagieren und hasserfüllte Kommentare schreiben."
Zugleich möchte die Tagesschau versuchen, "den Dialog auch mit Fundamentalkritikern nicht abreißen zu lassen". Jeden Tag erhalte allein die Tagesschau 12.000 Kommentare auf Facebook. Drei Viertel mehr als vor zwei Jahren. Da viele Hasskommentare unter Klarnamen geschrieben werden, besteht Hoffnung, dass sich die Leute auch zur Diskussion von Angesicht zu Angesicht melden. Den Anfang macht am Sonntag Kai Gniffke, danach folgt Anja Reschke, "die im Netz schon als Hure, Tussi oder Blondinchen bezeichnet wurde".

Rüdiger Safranskis Preisrede

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG rückt das tunesische Kunstfestival Jaou in den Blick. Es zeigt "eine Nation auf Sinnsuche", berichtet Annette Steinich aus Tunis. Bekannt ist, "dass aus dem dichtbesiedelten sozialen Brennpunkt im Norden von Tunis seit der Revolution von 2010/2011 Hunderte junge Männer aufgebrochen sind, auf der Suche nach Wohlstand gen Europa oder nach vermeintlichem Seelenheil gen Syrien". Das Kunstfestival trifft mit seinem diesjährigen Thema "Nation migrante" ins Herz der tunesischen Gesellschaft, so die Autorin. Dabei ist "das Meer als Sehnsuchtsort und Massengrab, als identitätsstiftendes und zugleich abschottendes Element einer ganzen Nation ein zentrales Thema".
Unter der Überschrift "Die schöne Anarchie" druckt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG die Rede von Rüdiger Safranski ab, die er an diesem Sonntag in der Frankfurter Paulskirche bei der Annahme des Ludwig-Börne-Preies hielt. Darin geht es vorrangig um das Verhältnis von Politik und Kunst. "Börne, dieser Schriftsteller des Tages", so sagt Safranski, "war seiner Zeit weit voraus, auch seinen patriotischen Mitkämpfern".
Nach ausgiebiger Würdigung des Preis-Namensgebers, fasst Safranski zusammen: Es existiert "eine nicht aufzulösende Spannung zwischen Politik und Poesie, auch wenn der Geist der Freiheit beide Bereiche durchdringt… Beide Leidenschaften, die poetische und die politische, sind nötig, jede für sich. Wenn sie sich allerdings in die Quere kommen, müssen sie begreifen, dass sie erst zusammen die Kultur der Freiheit ergeben, wenn auch auf verschiedenen Wegen und ohne sich wechselseitig zur Dienstbarkeit zu zwingen.".
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