Aufkündigung des Klimaabkommen

USA verabschieden sich in die Isolation

Demonstranten protestieren mit Plakaten vor dem Weißen Haus gegen den Rückzug der USA aus dem internationalen Klimaschutzabkommen.
Wirtschaftspolitisch bedeute Trumps Entscheidung eine Geisterfahrt in die Vergangenheit, so Thilo Kößler. © afp / Paul J. Richards
Von Thilo Kößler, Deutschlandradio-Korrespondent in den USA · 02.06.2017
Donald Trumps Ausstieg aus dem Klimaabkommen weise über die eigentliche Kündigung der Pariser Vereinbarungen weit hinaus, kommentiert Thilo Kößler aus Washington. Das Signal sei innenpolitisch verheerend und außenpolitisch ein Desaster.
Mit seinem Beschluss, das Pariser Klimaschutzabkommen aufzukündigen, hat dieser Präsident unter Beweis gestellt, dass mit ihm kein Staat zu machen ist. Kein Vertrag. Und erst recht keine zuverlässige Politik. Unter dem Schlachtruf "America first" schickt sich Donald Trump an, die USA im nationalistischen Blindflug zum Schlusslicht der internationalen Staatengemeinschaft zu machen. Donald Trump hat gestern den Anspruch seines Landes verwirkt, die politische, wirtschaftliche und moralische Führungsmacht der freien Welt zu sein.
Der Präsident hat sich bei seiner Entscheidung von der Opfererzählung leiten lassen, wonach alle internationalen Abkommen und Verträge zu Lasten der USA gingen, zu Lasten ihrer Wirtschaft, zu Lasten ihrer Arbeitsplätze – und damit: zu Lasten seiner Wähler. Der Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ist ein Sieg der Ultranationalisten im Weißen Haus und im Kabinett – von wegen: Stephen Bannon sei entmachtet worden. Nein, auch diese Rede trug ganz seine Handschrift.
Die internationale Staatengemeinschaft muss jetzt zusammenrücken
Donald Trump hat sich über alle Argumente, Appelle und Warnungen hinweggesetzt – über den Rat seiner Tochter und seines Schwiegersohns; über den Rat seines Außen- und seines Verteidigungsministers; und über all jene Stimmen aus der Wirtschaft, die den Präsidenten auf die verheerenden Folgen seines antimodernistischen Kurses aufmerksam machten.
Natürlich muss die internationale Staatengemeinschaft jetzt zusammenrücken, um die Klimaziele doch noch zu verwirklichen. Natürlich muss sie ihm das Ansinnen von eigennützigen Nachverhandlungen verwehren. Und natürlich muss sie für die entzogenen Geldmittel gerade stehen.
Aber dieser fatale und folgenreiche Entschluss weist weit über die eigentliche Kündigung der Pariser Vereinbarungen hinaus. Das Signal ist innenpolitisch verheerend, weil Donald Trump den Keil in die ohnehin schon gespaltene amerikanische Gesellschaft immer tiefer treibt. Etliche Bundesstaaten – darunter Kalifornien, immerhin die sechststärkste Wirtschaftsmacht der Welt – haben bereits ihren energischen Widerstand angekündigt. Sie werden bei ihren strikten Umweltstandards bleiben.
Technologie der Nachhaltigkeit längst zum wichtigsten Wachstumsmotor in den USA geworden
Wirtschaftspolitisch bedeutet seine Entscheidung eine Geisterfahrt in die Vergangenheit. Donald Trump entzieht dem innovativsten Land der Welt die Grundlagen für Kreativität und Erneuerung. Anders als Trump behauptet, ist die Technologie der Nachhaltigkeit längst zum wichtigsten Wachstumsmotor in den USA geworden. Donald Trump würgt diesen Motor kurzerhand ab. Damit nicht genug: Durch seine rückwärtsgewandte Kohle-Politik schneidet er sein Land von den Zukunftstechnologien und von den internationalen Märkten ab. Während die Welt auf erneuerbare Energien setzt, schart sich Amerika um den Kohleofen.
Last but not least ist diese Entscheidung auch außenpolitisch ein einziges Desaster: Die USA verabschieden sich in den Nationalismus und Isolationismus. Man muss sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass Donald Trump mit dem Pariser Vertrag auch die multilaterale Weltordnung und die westliche Wertegemeinschaft aufgekündigt hat.

Thilo Kößler begann nach einem Geschichtsstudium seine Rundfunk-Laufbahn 1978 als Reporter im Studio Nürnberg des Bayerischen Rundfunks. 1987 wechselte er als Zeitfunk-Redakteur zum SDR nach Stuttgart und war von 1990 bis 1996 ARD-Hörfunk-Korrespondent für den Nahen Osten am Standort Kairo. Seit 1998 arbeitete er als Redakteur im Deutschlandfunk, zunächst im Zeitfunk, dann als Leiter der Europaredaktion. Ab 2007 war er Leiter der Abteilung "Hintergrund". Seit Juni 2016 ist er USA-Korrespondent von Deutschlandradio mit Sitz in Washington.

Thilo Kößler, Korrespondent in Washington
© ©Deutschlandradio / Bettina Fürst-Fastré
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