Auf dem Weg zur Sonnenwende

Von Mathias Schulenburg · 12.07.2008
Photovoltaik, die Gewinnung von Strom aus Licht, ist heute zu einem Milliardenmarkt mit fantastischen Wachstumsraten geworden, auf dem die deutsche Wirtschaft - auch Dank früher Förderung - einen vorderen Platz belegt. Ein Meilenstein dieser Förderung war ein kleines, von Schafen begrastes Solarkraftwerk auf der Nordseeinsel Pellworm, das vor 25 Jahren seinen Betrieb aufnahm.
Wenn man die Nordseeinsel Pellworm anfliegt - der Umwelt zuliebe am Computerbildschirm -, hat man Mühe, Europas damals größte, am 12. Juli 1983 in Betrieb gesetzte Photovoltaikanlage überhaupt ausfindig zu machen. Die Reporterin des NDR, die der Einweihung beiwohnte, hatte offenbar ähnliche Probleme:

" Ich bin eben von diesem größten Solarkraftwerk Europas zurückgekehrt, das vor wenigen Minuten durch das Umlegen eines Hebels offiziell in Betrieb genommen wurde, und ich muss ehrlich gestanden sagen, auf Bildern sieht diese Anlage viel imposanter aus als in Wirklichkeit, aber beeindruckend ist sie dennoch, sie hat eine Größe von 16.000 Quadratmetern, das ist die Größe von ungefähr zwei Fußballfeldern. "

Was für eine Anlage der Superlative tatsächlich bescheiden anmutet, aber Größe war es auch nicht, was die Erbauer angestrebt hatten: Pellworms Pionieranlage zur Wandlung von Licht in Strom - die Technik heißt fachsprachlich Photovoltaik - war als Demonstrationsobjekt zur Auslotung der Stärken und Schwächen dieser Technologie gedacht und ein beachtlicher Erfolg. Der Öffentlichkeit wurde gezeigt, dass sich mit Solarstrom - und Windkraft - tatsächlich ein ganzes Kurzentrum betreiben lässt, womit das nach heutigen Maßstäben winzige Solarkraftwerk den milliardenschweren Photovoltaikboom der Gegenwart vorzubereiten half. Dann bewies es in der Praxis, dass Solarmodule eine lange Lebensdauer erreichen - wichtig für die Wirtschaftlichkeit, und selbst die vorzeitig ausgefallenen Module waren von Nutzen: An ihnen wurde erfolgreich das Recyclen erprobt. Endlager sind für Solarzellen nicht vonnöten. Bewachungstechnik schon: Solarmodule werden gern geklaut.

Seit der Errichtung der Pellwormer Demonstrationsanlage hat die Photovoltaik gewaltige Sprünge gemacht. Die Zahl der Großanlagen mit einem Vielfachen des Pellwormer Leistungsvermögens verdoppelt sich derzeit mit jedem Jahr, was eine Vertausendfachung der Stromerzeugungskapazität alle zehn Jahre bedeutet. Ein neues Zentrum, das die technische Kommerzialisierung der Photovoltaik forschend begleitet, beginnt sich derzeit im Großforschungszentrum Berlin-Adlershof zu etablieren, mit tatkräftiger Hilfe Klaus Thiessens, Professor Emeritus der Berliner Humboldt-Universität:

" Es ist nun erwiesen, wenn man statt Rapsfelder Photovoltaikanlagen auf diese Fläche setzen würde, dass man dann hundert mal mehr Elektroenergie pro Flächeneinheit rausbekommen kann als auf dem Umweg über Raps und Biodiesel. Und Raps muss man säen, Pestizide, muss gewässert werden, muss geerntet werden, muss weiter verarbeitet werden - die Photovoltaikanlagen stehen, wenn man um die noch einen Zaun macht, schon allein, weil man Angst hat, dass sie gestohlen werden, dann entwickeln sich zwischen diesen Photovoltaikreihen phantastische Biotope, mit einer Flora und Fauna, die man sonst kaum noch hat. "

In Pellworm weiden Schafe zwischen den Solarmodulen. 20 Prozent der gegenwärtig benötigten elektrischen Energie könnte die Photovoltaik schon in zwanzig Jahren beisteuern, schätzt Klaus Thiessen, wenn es nicht auch von Menschen gemachte Hindernisse gäbe:

" Und soviel Widerstand, nebenbei gesagt, bei den großen Energieversorgungsunternehmen, in erster Linie, bei den Anhängern der Kernenergie. Dann würde es noch schneller gehen. "

Mehr und mehr Wissenschaftler glauben auch, dass sich Deutschland eines Tages allein mit erneuerbaren Energien versorgen kann, darunter Kurt Rohrig, Professor am Institut für Solare Energieversorgungstechnik der Uni Kassel:

" Wir haben in einem Vorläufer-Projekt zusammen mit den drei großen Herstellern der Erneuerbaren, mit Enercon, Solarworld und Schmack Biogas eine Demonstration gemacht und gezeigt, dass man Deutschland im Jahr 2050 zu hundert Prozent mit Erneuerbaren versorgen kann. "

Wenn Energieerzeugung und -bedarf mit den neuerdings verfügbaren Kommunikationstechniken fein aufeinander abgestimmt werden und gute elektrische Speicher zur Verfügung stehen. Die werden derzeit mit Milliardenaufwand für Elektroautos entwickelt, die man profitabel in das Energiesystem integrieren könnte.