Antonin Varenne: "Die Treibjagd"

Ein Western mitten in Frankreich

Der Western "Die Treibjagd" spielt in der französischen Provinz.
Der Western "Die Treibjagd" spielt in der französischen Provinz. © Bild: dpa / Cover: Penguin
Von Tobias Gohlis · 04.08.2017
Das einzige, was in diesem Roman feststeht, ist eine Gruppe von Granitfelsen, die "Pierres Jaumâtres". Dort entscheidet sich der Kampf zwischen dem Revierjäger Rémi Parrot und den Familien, die in der sterbenden Stadt "R." die Macht haben - in einem nächtlichen Showdown.
Antonin Varenne, der Autor von "Die Treibjagd" kennt das Leben von vielen Seiten. Nach einem Philosophiestudium schlug er sich in Nordamerika herum, arbeitete unter anderem als Zimmermann und Fassadenkletterer. Diese Lebenserfahrung tränkt jede Zeile der "Treibjagd". Alle Figuren kommen vom Land, das Leben in der Provinz hat sie geprägt. Rémi Parrots Großvater ist aus der Bretagne eingewandert, nie konnte seine Familie unter den Alteingesessenen Fuß fassen. Über Generationen haben die beiden herrschenden Bauernfamilien Courbier und Messenet versucht, die Parrots zu verdrängen und ihr Land einzukassieren.
Gekämpft wird mit allen Mitteln. Schon der schwere Arbeitsunfall, bei dem dem fünfzehnjährigen Rémi der Schädel zertrümmert wurde, war Folge dieser Rivalität. Jetzt, zwanzig Jahre danach, ist er wieder da, ungeliebt, aber unabhängig als Jäger im kommunalen Forst. Auch seine Kinderliebe Michèle, Erbin der mächtigen Messenet-Familie, ist nach jahrelanger Flucht in die städtische Drogenszene wieder da. Sie hasst die Stadt "R.", ihre Familie, die gegnerische Familie Courbier und so weiter, nur einen liebt sie vielleicht: Rémi.

Lynchmeute rottet sich zusammen

Als der Öko-Freak und Forstarbeiter Philippe erst verprügelt wird und dann als Leiche in einem beinahe vergessenen Höhlensystem gefunden wird, spitzen sich Hass, Rachegelüste und ökonomisch-ökologische Konflikte zu. Eine Siedlung der Sinti brennt, während einer Treibjagd zur Pflege der Beziehungen zwischen Politik und Dorfprominenz wird Rémi beinahe erschossen, die Arbeiter der Courbiers rotten sich für ihren Chef zur Lynchmeute zusammen.
Varenne, dessen transkontinentaler historischer Western "Die sieben Leben des Arthur Bowman" 2015 monatelang auf der Krimibestenliste stand, hat der "Treibjagd" wieder eine Western-Struktur unterlegt. Gekämpft wird um Land und Macht, der Konflikt ist Generationen alt, die Söhne sind aus schlechterem und böserem Holz als die Väter, Außenseiter müssen vertrieben werden.

Modernisierungsverlierer schlagen zurück

Aber dieser Western spielt im Frankreich von heute, die Globalisierung macht auch die Mächtigen in der Provinz fertig, die kochenden Ressentiments sind höchst aktuell. Die Modernisierungsverlierer schlagen zurück. Eine raue und einprägsam geschilderte Landschaft - sie liegt im Departement Creuse, in dem Varenne heute lebt - bestehend aus Höhlen und schwer durchdringlichen Wäldern, grundiert das quasi Naturhafte der Gewalt, mit der die Konflikte ausgetragen werden. Der Staatsmacht in Gestalt des Gendarmerie-Kommandanten Vanberten bleibt da nur das Zusehen und Kommentieren.

Antonin Varenne: Die Treibjagd
übersetzt aus dem Französischen von Susanne Röckel
Penguin Verlag, 2017
304 Seiten, 10 Euro

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